Hagel entsteht in großen Gewitterzellen mit schnell aufsteigender Luft, die ein warmer Boden natürlich begünstigt. Könnte es also wegen des Klimawandels häufiger hageln? Oder heftiger? Auch darüber beraten vom 5. bis 7. März Hagelexperten aus aller Welt in Karlsruhe, beim Europäischen Hagel-Workshop.
Warmer Boden, große Hagelkörner
Der Meteorologe Prof. Julian Brimelow von der University of Western Ontario (Kanada) hat den Zusammenhang zwischen Klimawandel und der Häufigkeit von Hagel für Nordamerika mithilfe von Computermodellen untersucht.
Es zeigte sich: Auch starker Wind in der Höhe spielt eine Rolle – und solche Windsysteme verändern sich ebenfalls durch den Klimawandel. Diese Winde stabilisieren die Aufwärts-Bewegungen in großen Gewitterzellen. Damit haben die Hagelkörner mehr Zeit, um zu wachsen.
Aber es gibt auch den gegenläufigen Trend, dass in der wärmeren Luft mehr Hagelkörner schmelzen, vor allem die kleineren. Unter dem Strich meint Julian Brimelow: "Wir haben gefunden, dass es weniger Hagel-Unwetter geben wird und weniger mit kleinen Hagelkörnern, aber dafür häufiger schwere, mit großen Hagelkörnern."
Wenn solche Unwetter mit großen Hagelkörnern dann auch noch häufiger von starkem Wind begleitet werden – ebenfalls eine Erkenntnis der Modellberechnungen – kann es zu erheblichen Schäden kommen, wenn der Wind die Körner gegen Hausfassaden schleudert. Vor allem die weichen Isolierungen sind dem oft nicht gewachsen. Auch Fenster können zu Bruch gehen.
Und nicht nur das: Erst im August letzten Jahres ging ein Unwetter mit extrem großen Hagelkörnern im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen nieder, bei dem viele Tiere verletzt oder sogar getötet wurden, etwa Rehe und Störche. Und in Spanien wurde 2022 ein einjähriges Kind von Hagel getötet.
Hagelkörner im Labor
Ein idealer Ort für Hagelforschung ist die "Hailstorm Alley", die "Hagelstraße" in der kanadischen Provinz Alberta, nicht weit von der Stadt Calgary. Dort, wo es besonders häufig hagelt, fährt das Team von Julian Brimelow, mit Autos direkt hinter dem Unwetter her, sammelt Hagelkörner und verstaut sie in mobilen Gefrierschränken, um sie später zu wiegen und zu vermessen.
Lange dachte man, dass sie meistens rund sind. Aber es zeigte sich: "Je größer die Hagelkörner werden, desto weniger rund sind sie. Eher elliptisch, mit unregelmäßiger Oberfläche. Und die hat erstens einen Einfluss auf den Temperaturaustausch des Hagelkorns mit der Umgebung, und zweitens auf den Bremseffekt der Luft, also wie schnell ein Hagelkorn fällt."
Die Hagelkorn-Sammelaktionen direkt nach einem Unwetter sollen auch dazu beitragen, Radarbilder besser zu verstehen. "Auf dem Radar kann ein Unwetter sehr bedrohlich aussehen, aber wir können nicht zuverlässig erkennen, ob es viele kleine Hagelkörner sind oder nur wenige große." Durch den Vergleich der gesammelten Hagelkörner mit den Radarbildern des jeweiligen Unwetters lässt sich ermitteln, wie welche Art von Hagel im Radar aussieht.
Neues Konzept für Hagel-Vorhersage
Radarbilder spielen eine wichtige Rolle für die Kürzestfrist-Vorhersage von Gewittern oder Starkregen. Nicht nur wegen der kurzen Vorhersagefrist, sondern auch, weil solche Gewitterzellen sich nur auf einem kleinen Gebiet abregnen. Kürzestfrist-Vorhersagen oder "Nowcasting" kennt man aus Wetter-Apps oder von der BR-Wettervorhersage als kurze Filme: Die Regenwolken ziehen einfach in derselben Richtung weiter wie zuvor. Aber auf diese Weise kann man nicht vorhersagen, ob sich eine solche Zelle auflöst, ob eine neue entsteht oder ob sie die Zugrichtung ändert.
Um das vorherzusagen, braucht man ein klassisches, sogenanntes numerisches Wettermodell, das aber für seine detaillierten Berechnungen zu lange braucht. Zudem fehlen für die Vorhersage in einem kleinen Gebiet einige Ausgangs-Wetterdaten.
Der Deutsche Wetterdienst hat allerdings ein Konzept namens "Sinfony" entwickelt, in dem diese beiden Vorhersagemethoden näher zusammenrücken. Zum einen wurde die Kürzestfrist-Vorhersage optimiert. Sie rechnet schneller, und Datenlücken in der Vorhersageregion werden durch Radar- und Satellitenbilder aufgefüllt. Dennoch braucht man die Kürzestfrist-Vorhersage vor allem für die erste Stunde, erklärt der Meteorologe Dr. Ulrich Blahak vom Deutschen Wetterdienst.
Und auch die wurde optimiert: "Indem wir zum Beispiel gewisse Tendenzen mitgeben: Wenn man in den letzten paar Minuten gemerkt hat, ein Gewitter schwächt sich ab, dann setzen wir das auch fort. Wir haben auch gelernt, wie man auch diesem einfachen 'bewegt sich so wie bisher' eine Unsicherheit mitgeben kann. Gerade diese schweren Gewitterzellen, die großen Hagel produzieren, scheren öfters aus der Windrichtung aus." Sie ändern also ihre Zugrichtung.
Bald bessere Hagel-Vorhersagen
Kürzestfrist-Vorhersage und numerisches Wettermodell sollen möglichst nahtlos ineinander übergehen – auch ganz praktisch in Vorhersagefilmen. Auf die müssen wir allerdings noch ein, zwei Jahre warten, ebenso wie auf präzise Hagelwarnungen in den Radionachrichten oder auf der Website des Deutschen Wetterdienstes: "Unsere eigenen Warn-Meteorologen bekommen dann diese besseren Basis-Vorhersagen an die Hand, oder Wetterredaktionen, um bessere Wettervorhersagen zu machen."
Wettervorhersagen werden heutzutage von extrem leistungsfähigen Computern berechnet, auf der Basis von unzähligen Messdaten aus aller Welt. Aber auch das mühsame Messen und Wiegen einzelner Hagelkörner könnte dazu beitragen, dass wir dank besserer Vorhersagen bald rechtzeitig Kinder und Haustiere, Blumenkästen und Autos vor Hagel in Sicherheit bringen können.
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