Mit dem gemeinsam von Weltraumbehörden in Europa, den USA und Kanada gebauten "James Webb Space Telescope" (JWST) sollen die ältesten Galaxien des Weltalls erkundet werden. An Bord einer Ariane-Trägerrakete startete es nun erfolgreich ins All. Der Weg bis zum etwa 1,5 Millionen Kilometer entfernten Zielorbit dauert etwa vier Wochen.
Kosmische Einblicke für 10 Milliarden Dollar
Das James-Webb-Teleskop wurde laut Betreiberangaben rund 30 Jahre lang entwickelt und kostete etwa 10 Milliarden Dollar (8,8 Milliarden Euro). Es übersteigt die Leistungsfähigkeit des bekannten Hubble-Teleskops um ein Vielfaches.
Wissenschaftler erhoffen sich von den Aufnahmen des James-Webb-Teleskops unter anderem Erkenntnisse über die Zeit nach dem Urknall vor rund 13,8 Milliarden Jahren. Erste Daten und Bilder des Teleskops werden frühestens im Sommer erwartet. Erst in einigen Wochen wird sich also zeigen, ob das James Webb-Weltraumteleskop die Erwartungen erfüllen kann, die auf diesem teuersten und komplexesten Teleskop aller Zeiten ruhen.
Die Träume der Wissenschaftler sind mit an Bord
"An Bord dieser Rakete sind die Hoffnungen und Träume von Zehntausenden Wissenschaftlern, die von den Erkenntnissen dieser Mission profitieren werden", sagte NASA-Wissenschaftsdirektor Thomas Zurbuchen wenige Minuten vor dem Start: "Wir haben das Universum noch nie so gesehen, wie Webb es uns zeigen wird."
Das James Webb-Weltraumteleskop, so die Hoffnung, könnte unser Verständnis vom Kosmos revolutionieren, zurück zu den Anfängen des Universums blicken und mit ganz viel Glück sogar die Atmosphären von potenziell lebensfreundlichen Exoplaneten erkunden. Die zahlreichen Geheimnisse des Universums sollen mit diesem Teleskop ein wenig gelüftet werden.
Nachfolger des Hubble-Weltraumteleskops
Erste Entwürfe für das James Webb-Teleskop gab es bereits, bevor das Hubble-Weltraumteleskop Anfang der 1990er Jahre ins All startete. Das James Webb-Weltraumteleskop gilt als Nachfolger dieses inzwischen altehrwürdigen Teleskops, das uns seit Jahrzehnten zuverlässig die schönsten Bilder aus dem All liefert.
Allerdings gilt es gerade deshalb als Nachfolger, weil es jene Fragen an den Kosmos beantworten soll, die selbst für das Hubble-Weltraumteleskop unerreichbar waren. Genau das macht die Sache so kompliziert.
- Zur Bildergalerie: Die schönsten Bilder von Hubble
James Webb soll fast zurück zum Urknall schauen
Als Beispiel kann eine der berühmtesten Aufnahmen gelten, die das Hubble-Weltraumteleskop je angefertigt hat: das Hubble Deep Field. Diese Aufnahme ist 1995 dadurch entstanden, dass man das Hubble-Weltraumteleskop auf ein kleines, schwarzes Fleckchen des Himmels richtete: Es schien völlig leer zu sein.
Doch was das Hubble Deep Field nach hundert Stunden Beobachtungszeit zeigte, waren Galaxien über Galaxien, Tausende von ihnen, deren Licht bis zu 12,5 Milliarden Jahre gebraucht hat, bis es schließlich auf den 2,4-Meter-Spiegel des Hubble-Weltraumteleskops fiel und die Welt in Erstaunen versetzte.
Das Weltraumteleskop ist für den Infrarotbereich ausgelegt – und das ist ein Problem
Mit dem James Webb-Weltraumteleskop wollen Forscherinnen und Forscher noch weiter zurück in die kosmische Vergangenheit blicken: Die 12,5 Milliarden Jahre, die mit den Hubble Deep Field-Aufnahmen erreicht werden können, sind dafür nicht genug. Schließlich war der Urknall vor rund 13,8 Milliarden Jahren.
Allerdings befinden wir uns in einem expandierenden Universum. Auch die Wellenlängen des Lichts sind dadurch länger geworden. Das bedeutet, dass sich die Wellenlängen des Lichts der allerersten Galaxien und Sterne ebenfalls verschoben hat, und zwar in den langwelligen infraroten Bereich des elektromagnetischen Spektrums.
Im Gegensatz zum Hubble-Weltraumteleskop, das unser All im sichtbaren Bereich, im nahen Infrarotbereich sowie im UV-Bereich des elektromagnetischen Spektrums beobachtet, sind die vier Instrumente des James Webb-Weltraumteleskops ausschließlich auf den Infrarotbereich ausgelegt.
Aus diesem Grund muss es weit weg von der störenden Erdatmosphäre seine Beobachtungen anstellen: Denn die Erdatmosphäre absorbiert den allergrößten Teil der infraroten Strahlung aus dem Weltall einfach. Auf der Erde wäre somit wenig bis gar nichts zu sehen.
Auch der Hubble-Nachfolger soll spektakuläre Aufnahmen aus dem Kosmos liefern
Wer nun besorgt ist, dass es nach den spektakulären Aufnahmen von Hubble mit dem James Webb-Weltraumteleskop wortwörtlich nichts zu sehen geben wird, sei beruhigt: Die Aufnahmen haben das Potenzial, spektakulär zu werden – es ist in der Astronomie üblich, Bilder im infraroten Bereich mit Falschfarben sichtbar zu machen.
Die Gesetze der Optik schreiben jedoch vor, dass, je länger die Wellenlänge, desto größer muss auch der Spiegel sein, um infrarotes Licht mit einer guten Auflösung einfangen zu können. Darum beträgt der Durchmesser des Hauptspiegels des James Webb-Weltraumteleskops stattliche 6,5 Meter. Und deshalb passt dieses hochkomplexe Gerät leider in keine Rakete dieser Welt: Es ist zu groß.
Nach dem Start des James Webb-Weltraumteleskops folgen "29 Tage des Grauens"
Um das Teleskop trotzdem ins All zu verfrachten, haben Ingenieurinnen und Ingenieure ein Origami-Teleskop daraus gebastelt und es zusammengefaltet. Erst sobald das Weltraumteleskop die Erde hinter sich gelassen hat, wird es seinen Hauptspiegel ausklappen und den fünflagigen Sonnenschirm entfalten, der seinerseits so groß wie ein Tennisplatz ist und das Teleskop vor der störenden Strahlung von Sonne und Erde schützen soll.
Sind diese Manöver erfolgreich, werden die Instrumente des James Webb-Weltraumteleskops auf ihrer weiteren Reise durch das All herunterkühlen, sodass es dann, nach rund einem Monat am Ziel angekommen, seine eisige Betriebstemperatur erreicht hat.
Dieses Ziel liegt rund 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, rund um den Lagrange-Punkt L2, an dem auch gerne schon andere Weltraumteleskope gebracht wurden: Dieser Punkt jenseits der Erde bietet beste Aussichten auf das Weltall. Die störende Strahlung kommt dort immer aus der gleichen Richtung und die Datenübertragungsraten zur Erde sind ordentlich.
Leider aber heißt das auch: Wenn bei den hochkomplexen Manövern des Entfaltens etwas schiefgeht, dann geht es schief. Im Gegensatz zum Hubble-Weltraumteleskop im niedrigen Erdorbit, das seinerzeit von Astronauten gewartet werden konnte, verabschiedet sich das Origami-Teleskop auf Nimmerwiedersehen von jeglichen irdischen Eingriffen jenseits von Software-Korrekturen. Deshalb wird erst knapp einem Monat nach dem Start klar sein, ob das James Webb-Weltraumteleskop funktionieren wird, nachdem es vollständig entfaltet ist.
Das James Webb-Weltraumteleskop wurde von der NASA, der ESA und der CSA gebaut
Gebaut wurde das rund zehn Milliarden US-Dollar teure James Webb-Weltraumteleskop hauptsächlich von der US-Weltraumbehörde NASA. Auch die kanadische Weltraumagentur CSA hat dazu beigetragen. Genau wie beim Hubble-Weltraumteleskop ist auch die europäische Weltraumagentur ESA daran beteiligt und hat Komponenten zu zwei der vier wissenschaftlichen Instrumente beigesteuert. Diese wurden unter anderem in Deutschland am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg gebaut.
Darüber hinaus übernahm die ESA den Start ins All: Deshalb startete das James Webb-Weltraumteleskop vom europäischen Weltraumbahnhof bei Kourou im französischen Übersee-Département Französisch-Guyana an Bord einer Ariane 5-Rakete. Im Gegenzug wird die ESA Beobachtungszeit für das James Webb-Weltraumteleskop erhalten.
Sollte alles planmäßig verlaufen, wird nach über dreißig Jahren Wartezeit, einem entgegengefieberten Start und rund dreißig Tagen Nervenkitzel klar werden, ob das James Webb-Weltraumteleskop tatsächlich das Zeug dazu hat, unser neues und bestes Auge im All zu werden.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!