Der Traum einer schier unerschöpflichen Energiequelle dank Kernfusion geht weiter: Die vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching und Greifswald betriebene Forschungsanlage Wendelstein 7-X in Greifswald hat einen neuen Rekord aufgestellt.
Nachdem die Maschine rund drei Jahre lang umgebaut worden war und seit 2022 wieder in Betrieb ist, teilte das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik nun mit, dass es gelungen sei, erstmals acht Minuten lang ein Plasma stabil in der Anlage zu halten. Damit befindet sich Wendelstein 7-X derzeit auf einem guten Weg, um seinen Zweck zu erfüllen: zu zeigen, dass man mit einer Anlage dieser Art einen voll funktionsfähigen Fusionsreaktor bauen könnte.
Unerschöpflich und klimaneutral: Kernfusion gilt als ideale Energiequelle
Die Kernfusion gilt seit Jahrzehnten als eigentlich ideale Energiequelle. Vereinfacht gesagt baut man dabei die Sonne im Miniaturformat nach. Unsere Sonne betreibt in ihrem Inneren Kernfusion, bei dem leichtere Atomkerne zu schwereren Atomkernen verschmelzen und dabei Energie freisetzen. Gelänge es, diesen Mechanismus auf der Erde kontrolliert in einem Kraftwerk nachzubauen, hätte man eine klimaneutrale Energiequelle, die nur sehr wenig Ausgangsmaterial braucht und die nicht mit all jenen Problemen geplagt ist, die bei Kernkraftwerken auftreten, die auf dem Prinzip der Kernspaltung funktionieren: etwa die Endlagerung jahrzehnte- und jahrhundertelang radioaktiven Mülls.
Trotz jahrzehntelanger Schwierigkeiten, eine künstliche Sonne nachzubauen, gibt es weltweit Bestrebungen dieser Art: In Frankreich entsteht der von einem internationalen Konsortium geplante Fusionsreaktor ITER. Auch ein bayerisches Start-up namens Marvel Fusion würde gerne mithilfe der Kernfusion Energie erzeugen.
Und erst vor einigen Monaten verkündete das Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) im US-Bundesstaat Kalifornien, mithilfe von laserbasierter Kernfusion erstmals mehr Energie aus der Verschmelzung von Atomkernen herauszuholen, als man hineingesteckt habe – auch wenn diese Art der Forschung eher militärischen als zivilen Zwecken dient.
Wendelstein 7-X betreibt selbst keine Kernfusion
Davon ist Wendelstein 7-X weit entfernt. Tatsächlich sind erfolgreiche Fusionsreaktionen gar nicht der Zweck der Anlage und finden dort auch nicht statt. "Die gibt es absichtlich nicht", sagt Hartmut Zohm vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching. "Wir betreiben die Anlage derzeit mit reinem Wasserstoff."
Obwohl dieser Wasserstoff während eines Versuchs, wie dem nun erfolgten Testlauf, bis auf rund 15 Millionen Grad Celsius erhitzt wird - was den Temperaturen im Inneren der Sonne entspricht - verschmelzen die Wasserstoffkerne dabei nicht miteinander. Fusionsreaktoren wie ITER streben zwar ähnliche Temperaturen an, aber werden ein Gemisch aus den Wasserstoffisotopen Deuterium und Tritium verwenden. Diese würden bei solch hohen Temperaturen nämlich durchaus miteinander verschmelzen und so Energie freisetzen.
Stattdessen geht es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit Wendelstein 7-X darum, zu verstehen, ob die Anlage es schafft, das extrem heiße Gas - auch Plasma genannt - erfolgreich einzuschließen und auf den erforderlichen hohen Temperaturen zu halten. Denn bei derartigen Temperaturen darf das Plasma die Wände nicht berühren, da es sonst sofort abkühlen würde – und in einem Fusionsreaktor wäre jegliche Fusionsreaktion damit sofort vorbei. "Das offizielle Ziel von Wendelstein 7-X lautet, die Reaktortauglichkeit des Stellarator-Prinzips zu zeigen", sagt Olaf Neubauer vom Forschungszentrum Jülich.
Kernfusion auf dem Weg zum Kraftwerk: Tokamak vs. Stellarator
Es gibt zwei verschiedene Bauweisen für einen potenziellen Kernfusionsreaktor, der mit Magnetfeldern arbeitet: eine donutförmige Anlage wie ITER - auch Tokamak genannt - oder eine eher verdrehte Konfiguration wie Wendelstein 7-X, auch Stellarator genannt. Ein Kraftwerk vom Typ Stellarator hätte gegenüber einem Tokamak einige Vorteile: Beim Tokamak muss nicht nur von außen ein starkes Magnetfeld angelegt werden, sondern durch das Plasma muss während des Betriebs ständig zusätzlich Strom fließen. Beim Stellarator hingegen entfällt diese Anforderung, hier wird das Plasma allein aufgrund der Geometrie des von außen erzeugten Magnetfeldes eingeschlossen. Somit wäre ein Dauerbetrieb einfacher: Während bei einem Tokamak die Fusionsreaktionen aufrecht erhalten werden müssen, könnten sie in einem Stellarator quasi wie von selbst ablaufen, sobald das Plasma einmal gezündet wurde.
Allerdings hinkt die technische Entwicklung der Stellaratoren denen der Tokamaks um eine Generation hinterher: Während ITER zeigen soll, dass mithilfe der Kernfusion Energie erzeugt werden kann und anschließend der Bau eines Demonstrationskraftwerks erfolgen könnte, geht es bei Wendelstein 7-X derzeit noch darum, zu zeigen, dass das Prinzip an sich funktioniert. "Die Konfiguration der Magnetfelder ist aufwändig", so Olaf Neubauer. Lange Zeit fehlte die nötige Rechenleistung, um die dafür notwendigen numerischen Simulationen durchzuführen. Erst diese konnten den Forschenden verraten, wie die leicht verdrehten Magnetspulen gebaut werden müssen, um das Plasma erfolgreich einzuschließen.
Ziel: Ein Plasma eine halbe Stunde stabil in der Anlage zu halten
Bislang nun läuft Wendelstein 7-X wie geplant: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben mit ihrem achtminütigen Lauf gezeigt, dass der Umbau erfolgreich war. Dabei war die Anlage vor allem mit einem neuen Kühlsystem der Wände sowie mit einem erweiterten Heizsystem ausgestattet worden. So soll sie künftig noch längeren Laufzeiten standhalten: Während bei diesem Durchgang das Experiment nach acht Minuten beendet wurde, lautet das eigentliche Ziel, mit Wendelstein 7-X ein Plasma eine halbe Stunde lang stabil in der Anlage zu halten.
Forscher wie Hartmut Zohm halten das Prinzip von Stellaratoren wie Wendelstein 7-X für vielversprechend: "Ein Stellarator hat noch keinen so guten Energieeinschluss wie der Tokamak. Aber wenn er das schafft, dann ist er das bessere Kraftwerk."
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