"Es ist unzweifelhaft, dass menschlicher Einfluss die Atmosphäre, die Ozeane und die Landmassen erwärmt hat. Weitreichende und schnelle Veränderungen in der Atmosphäre, den Ozeanen, der Kryosphäre und der Biosphäre haben stattgefunden."
So fängt sie an, die Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger des ersten Teils des sechsten Sachstandberichts des Weltklimarats IPCC ("Intergovernmental Panel on Climate Change"). Dieser Sachstandbericht war zwar mit Spannung erwartet worden, gute Nachrichten oder gar eine freudige Überraschung hat er aber nicht zu verkünden. Stattdessen die Feststellung: Die globale Erderwärmung schreitet schneller voran als befürchtet.
Nur ein Vorgeschmack auf das, was kommt
Der Bericht beschreibt, dass viele der klimatischen Veränderungen, die bislang beobachtet wurden, seit Hunderttausenden von Jahren auf der Erde nicht vorkamen. Darüber hinaus seien einige Veränderungen wie der fortschreitende Anstieg des Meeresspiegels über Hunderte bis Tausende von Jahren unumkehrbar. Der Klimawandel schreitet derzeit ungebremst voran: Die extremen Wetterereignisse der letzten Monate und Jahre wie Hochwasser, Starkregen, Hitzewellen, Feuer und Dürren könnten demnach nur ein Vorgeschmack auf das sein, was uns in den nächsten Jahren in einer immer heißer werdenden Welt erwartet. Dazu sagt Sonia Seneviratne, Klimawissenschaftlerin und Mitautorin des IPCC-Reports:
"Vor allem wenn ich die Ergebnisse sehe, die wir zu Klimaextremen haben, dann würde ich sagen: Wir sind in einer Klimakrise.“ Sonia Seneviratne , Mitautorin IPCC-Bericht
Nur eine schnelle, umfassende und nachhaltige Reduzierung von Treibhausgasen könnte es noch möglich machen, dass die Menschheit ihre selbstgemachte Erderwärmung auf unter 1,5 Grad Celsius oder zumindest zwei Grad Celsius begrenzt. Bei der derzeitigen Entwicklung werde sich die Erde hingegen bereits um das Jahr 2030 um 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter (1850 bis 1900) erwärmen.
So kann man den Bericht auch als Warnung verstehen: Er zeigt auf, was mit der Erde wahrscheinlich passiert, wenn die Menschheit die globale Erderwärmung nicht aufhält, indem sie ihre Treibhausgasemissionen verringert und stoppt.
- "Alarmstufe Rot" - Reaktionen auf den Weltklimarat-Bericht
Der Weltklimabericht dient als wissenschaftliche Grundlage für Klimapolitik weltweit
Der Weltklimarat IPCC erarbeitet für die Vereinten Nationen wissenschaftliche Einschätzungen zum Klimawandel, die auch mit Handlungsvorschlägen verknüpft werden. Dafür fasst er bestehende wissenschaftliche Positionen und Erkenntnisse zusammen: zunächst in einem extrem umfangreichen Bericht, der mehrere Hundert Seiten umfasst, sowie in kürzeren Zusammenfassungen der einzelnen Kapitel, den "Zusammenfassungen für Entscheidungsträger". Der fünfte und bis dato jüngste Sachstandsbericht erschien in den Jahren 2013/2014. Er gilt als wesentliche Grundlage für das Pariser Klimaabkommen aus dem Jahr 2015.
Der jetzige erste Teil des sechsten Sachstandsberichts beschreibt die physikalischen Grundlagen des Klimawandels, den derzeitigen Stand des weltweiten Klimas sowie mögliche Klimaszenarien der Zukunft. In den letzten zwei Wochen ist die für politische Entscheidungsträger so wichtige Zusammenfassung Wort für Wort von Länderdelegationen diskutiert und schließlich angenommen worden. Dieser Teil des IPCC-Reports wird wichtig für den nächsten UN-Klimagipfel COP 26 sein, der im November in der schottischen Stadt Glasgow stattfinden soll. Die nächsten Teile des sechsten Sachstandberichts sollen 2022 erscheinen.
Klimawandel: Die Welt ist rund 1,1 Grad Celsius wärmer als im 19. Jahrhundert
Doch welches Bild zeichnet nun der jetzige Weltklimabericht von unserer Welt und dem Klimawandel, den die Menschheit verursacht? Für den Klimaforscher Fortunat Joos von der Universität Bern ist klar: "Der Report ist ein Meilenstein der Klimawissenschaften, der die immer extremeren Wetterereignisse und Klimaveränderungen in Wasser und Eis, an Land und in der Luft akribisch genau und mit umfassenden Beobachtungen dokumentiert."
Der IPCC-Report zeigt, dass menschenverursachte Treibhausgasemissionen seit den Jahren 1850 bis 1900 für rund 1,1 Grad Celsius an Erderwärmung gesorgt haben. Diese 1,1 scheinen bereits dem 1,5 Grad Celsius-Ziel des Pariser Klimavertrages nahezukommen. "Der neue Report streicht außerdem heraus, dass die Landflächen sich bereits um 1,6 Grad im Schnitt erwärmt haben, was deutlich über dem Anstieg der Ozeantemperaturen liegt (0,9 Grad). Insbesondere dieser Aspekt ist ein unzweifelhafter Fingerabdruck des menschengemachten Klimawandels und mithin eine starke Erinnerung, dass die Änderungen dort am stärksten zu spüren sind, wo wir Menschen leben“, so Karsten Haustein vom Climate Service Center Germany.
Einige Auswirkungen dieser Erderwärmung sind bereits heute unumkehrbar, beispielsweise der Anstieg des Meeresspiegels oder das Schmelzen der Gletscher. Selbst wenn die Treibhausgasemissionen reduziert würden, würde der Meeresspiegel zunächst weiter ansteigen - laut dem IPCC-Bericht um einen Meter bis zum Jahr 2100.
Klimawandel macht Extremwetter extremer
Im Vergleich zum letzten Weltklimabericht vor sieben Jahren gibt es erstmals ein eigenes Kapitel zum Thema Extremwetter: "Wir haben zum ersten Mal Evidenz, dass Extremereignisse sich überall auf der Welt verändert haben und dass der Klimawandel in vielen Fällen eine Ursache dieser Veränderungen ist – und bei Hitzewellen die dominante Ursache", so die Klimaforscherin Friederike Otto von der University of Oxford, die an dem entsprechenden Kapitel mitgewirkt hat: "Insbesondere Hitzeextreme werden in allen Regionen der Welt deutlich zunehmen. Das Gleiche gilt für sogenannte verknüpfte Extreme, also zum Beispiel gleichzeitig auftretende Hitze und Dürre."
Schnelle und umfassende Verringerung an Treibhausgasen nötig
Darüber hinaus wird es laut diesem Weltklimabericht unmöglich sein, die Erderwärmung aufgrund des Klimawandels auf 1,5 Grad Celsius oder 2 Grad Celsius zu begrenzen, wenn die weltweiten Treibhausgasemissionen nicht schnell und umfassend verringert werden.
Wirklich überraschend ist all das nicht. Die grundlegenden Zusammenhänge des Klimawandels und was ihn antreibt - nämlich unsere Treibhausgasemissionen - sind schon lange klar. "Im Wesentlichen bestätigt der Bericht die Aussagen der vorangehenden Berichte. Das zeigt, dass die Wissenschaft schon vor 30 Jahren die wesentlichen Entwicklungen korrekt vorhergesagt hat", so Mojib Latif vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. "Wenn man alle Aussagen des Berichts zusammennimmt, würde ich sie wie folgt interpretieren: Die Menschheit ist dabei, den klimatischen Wohlfühlbereich zu verlassen, den sie über die letzten Jahrtausende genießen durfte."
"Darüber spricht Bayern": Der BR24-Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!