Eine Industriehalle bei Oberpfaffenhofen: Zwei dicke Industrieroboterarme halten je ein Flugzeugcockpit, schwenken, fahren und wirbeln diese durch den Raum. Sie sind zwei von drei neuartigen Bewegungssimulatoren, die das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Betrieb genommen hat. Damit, so der Leiter der Simulationsanlage Tobias Bellmann, habe man ganz neue "Bewegungsspielräume und kann hochdynamische Bewegungen abbilden, wir können sogar über Kopf fliegen". Der dritte Simulator ist ein Hexapod, also eine Plattform, die von sechs hydraulischen Antrieben in jede Richtung geschleudert werden kann.
Mit den Simulatoren will das DLR nicht nur die Ausbildung von Piloten und Pilotinnen verbessern, sondern vor allem Fluggeräte und Flugtechnik testen sowie auch eine Forschungsplattform bieten zur Untersuchung der menschlichen Reaktionsfähigkeit oder der Flugkrankheit.
Ein Simulator auch für die Mondlandung
Einer der drei, der "Robotic Motion Simulator", ist ein Roboter-Arm, der auf einer zehn Meter langen Schiene befestigt ist. Er trägt ein Flugzeugcockpit mit einem Sitzplatz. Damit sind extreme Neigungswinkel möglich, sogar Flüge in Überkopflage sowie endlose Rotationen um die Längs- und Vertikalachse. Und so extremere Manöver als mit bisherigen Flugsimulatoren, die auf hydraulischen Stelzen stehen und vergleichsweise behäbig sind. Da der "Robotic Motion Simulator" zugleich über die Schiene bewegt werden kann, ist so zudem die Dynamik von Fahrten spürbar. Laut DLR konnte damit der ESA-Astronaut Roberto Vittori schon verschiedene Mondlandemanöver erproben.
Bei solchen Simulationen steht der Mensch im Vordergrund: Forschende sollen der Frage nachgehen können, wie bestimmte Flugmanöver auf den Körper wirken. Wie gut kann der Mensch reagieren, wie kann die Luftkrankheit frühzeitig erkannt und behandelt werden oder wie kann man das Stresslevel von Piloten senken?
Mit Mixed Reality ins Lufttaxi
Das gilt auch für den zweiten, den neuesten Simulator, vom DLR "Personal Air Vehikel Simulator" genannt. Auch er basiert auf einem Roboter-Arm, der allerdings fest montiert ist, dafür aber mit einem zweisitzigen Cockpit ausgestattet werden kann. Die Pilotinnen und Piloten können hiermit auch "Mixed-Reality"-Technik einsetzen - also während des Fluges eine Virtual-Reality-Brille tragen, die in Echtzeit visualisierte Szenarien sowie die Armaturen und Instrumente des jeweils simulierten Fluggeräts einspielt. Und das ist sehr realistisch, so Testpilot Sebastian Kümper: "Man hat ein sehr gutes Fluggefühl, wenn sich der Simulator bewegt. Und das ist ein ganz anderes Erlebnis, als wenn man nur ein einfaches Bild vor sich hätte."
Dieser Simulator ist auch konzipiert, um senkrecht startende Flugzeuge zu simulieren, also Helikopter oder eVTOL. Letztere sind elektrisch betriebene Senkrechtstarter, wie Luft-Taxis. Somit können Fluggeräte und damit verbundene Technologien getestet werden, die noch gar nicht in der Praxis im Einsatz sind, so Tobias Bellmann. Allerdings: Extreme G-Kräfte, wie sie bei Flugmanövern in Kampfjets auftreten, können nicht nachgebildet werden.
Flugtechnik im Schleudergang
Auf Tests von Flugtechnik ist vor allem der dritte Simulator ausgelegt, der "Dynamic Motion Simulator". Er ist ein Hexapod, also eine Plattform, die von sechs hydraulisch angetriebenen Achsen bewegt wird. Zusätzlich kann die Plattform noch rotieren. Und für bestimmte Tests können noch zwei weitere Achsen montiert werden. Auf der Plattform können bis zu 700 Kilogramm schwere Cockpits, Ausrüstung oder Flugtechnik montiert und getestet werden – im Schleudergang mit bis zu 100 Umdrehungen pro Minute. Und das nicht nur für Techniker oder Piloten des DLR, sondern für alle an Kooperationen Interessierten aus Industrie und Forschung.
Im Video: Pilotenausbildung - Flugsimulatoren der neuesten Generation
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