Lachgaspartys, leere Lachgaskartuschen in Parks oder Videos auf Social-Media: Dass Lachgas als Partydroge derzeit als Trend unter Jugendlichen kursiert, zeigt sich auf mehrere Arten.
Für den Konsum wird Lachgas aus Kartuschen, Spendern oder Flaschen in Luftballons gefüllt und anschließend eingeatmet. Die Inhalation führt zu einem kurzen Rausch: Lachanfälle, Entspannung, Halluzinationen und Glücksgefühle, Kribbeln und intensiveres Hören sind die Folge. Nach wenigen Minuten ist die Euphorie vorbei – teilweise schwerwiegende, gesundheitliche Folgen können jedoch erst Wochen später auftreten, warnen Neurologen (externer Link). Die Risiken werden insbesondere von Jugendlichen häufig unterschätzt.
Was Lachgas ist und wofür es genutzt wird
Lachgas ist der umgangssprachliche Name für N2O (Distickstoffmonoxid), ein farbloses Gas aus Sauerstoff und Stickstoff. Es wird in Deutschland legal in Kartuschen, Spendern und Flaschen im Handel oder online verkauft. Denn normalerweise kommt Lachgas in der Lebensmittelindustrie zum Einsatz, beispielsweise beim Aufschäumen von Sahne.
In der EU ist Lachgas als Lebensmittelzusatz E 942 zugelassen. Inzwischen gibt es Lachgas in Deutschland auch in verschiedenen Geschmackssorten wie Vanille oder Erdbeere und in verschiedenen Flaschengrößen zu kaufen. Gerade Jugendliche wählen oft die kleineren, diskreteren Kartuschen (externer Link). Nicht zu verwechseln mit Lachgas ist Helium, das auch manchmal aus Ballons eingeatmet wird, aber nur eine verzerrte Stimme zur Folge hat.
Lachgas als Narkosemittel
Schon seit fast 250 Jahren wird Lachgas auch für medizinische Zwecke genutzt: als Beruhigungs- und Betäubungsmittel. Durch Lachgas wurden schmerzfreie Operationen möglich. In Deutschland kommt Lachgas heute noch sporadisch bei Zahnbehandlungen oder Geburten zum Einsatz.
Was den Rausch auslöst und warum Lachgas schmerzlindernd wirkt
Der Grund für den Rausch nach dem Inhalieren des Lachgases ist, dass es in die Zellen des zentralen Nervensystems eindringt. Dort blockiert Lachgas die Andockstellen für den Botenstoff Glutamat. Die Glutamat-Hemmung hat Wahrnehmungsveränderungen zur Folge. Und auch Schmerzsignale werden unterbrochen.
Lachgas: Das sind die Risiken während des Konsums
Die Gefahren, die von Lachgaskonsum ausgehen, sind vielfältig: Unerwünschte Nebenwirkungen sind Schwindel, Benommenheit, Orientierungslosigkeit, Kopfschmerzen und ein Kribbeln. Ein weiteres Risiko: In den Kartuschen ist das Gas sehr kalt, bis zu minus 55 Grad Celsius. Deshalb können Teile von Händen, Lippen, Mund, Stimmbändern und Lunge erfrieren, wird das Lachgas direkt aus der Kartusche eingeatmet. Wenn die Schwellung die Atemwege blockiert, kann das lebensbedrohlich sein. Durch den Druck in der Gaskartusche kann es außerdem zu Lungenrissen kommen.
Risiken beim Lachgas-Rausch
Wird das Lachgas aus einem Luftballon eingeatmet, ist das aber immer noch mit hohen Risiken verbunden. Es kann beispielsweise zu epileptischen Anfällen und Herz-Rhythmus-Störungen kommen. Zudem können die Konsumenten ohnmächtig werden und Hirnschäden erleiden, wenn beispielsweise die Sauerstoffversorgung unterbrochen wird. Zudem kann es im Rausch zu Unfällen kommen, insbesondere wenn die Konsumenten Auto fahren. Anders als der THC-Gehalt nach dem Cannabis-Konsum wird der Lachgas-Konsum bisher nicht in Polizeikontrollen nachgewiesen.
Lähmungen: Das sind die möglichen Langzeitfolgen von Lachgas
Patienten kämen jedoch vor allem wegen der Langzeitfolgen ihres Konsums in die Notaufnahme, sagt Matthias Klein, Notfallmediziner an der Neurologischen Klinik der Uniklinik München. In den vergangenen Jahren wurde immer wieder von Patienten mit Lähmungen, Taubheitsgefühlen, Inkontinenz und Impotenz berichtet, so die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (externer Link) in ihrem Bericht 2022.
Das bestätigt auch Matthias Klein: "Patienten haben schwerste Lähmungserscheinung in den Beinen oder sogar der Arme und Beine. Diese Lähmungserscheinungen können sogar dazu führen, dass die Patienten ans Bett gefesselt sind, sich selber nicht mehr die Zähne putzen und nicht mehr eigenständig essen können, also gefüttert werden müssen. Und es dauert teilweise sehr, sehr lange, bis diese Folgen behandelt werden können. Aber nicht alle Patienten genesen komplett, einige Patienten haben eine Langzeitlähmung zu befürchten."
Vitamin B12: Deshalb kann Lachgas zu Lähmungen führen
"Das Lachgas inaktiviert Vitamin B12", erklärt Notfallmediziner Matthias Klein. "In der Folge kommt es dann zu Symptomen, die vergleichbar mit einem schweren Vitamin-B12-Mangel sind. Vitamin B12 ist ein ganz wichtiger Faktor, um unsere Nerven und unser Rückenmark am Laufen zu halten. Wenn das fehlt, sieht man Ausfallerscheinungen im Bereich der Nerven und im Bereich des Rückenmarks."
Wie Lachgas den Vitamin-B12-Gehalt beeinflusst, beschreibt die Deutsche Neurologische Gesellschaft (externer Link): Vitamin B12 hat im Körper unter anderem die Funktion, zu einem normalen Homocystein-Stoffwechsel beizutragen. Lachgas beeinflusst den Vitamin-B12- und den Homocystein-Stoffwechsel. Ist der Homocystein-Gehalt zu hoch, kann es zu neurologischen Ausfällen und anderen Erkrankungen kommen. Das Problem: Ein Vitamin-B12-Mangel ist zunächst nicht nachweisbar und damit die Ursache schwer festzustellen. Deshalb sei es wichtig, dass die Patienten ihren Lachgaskonsum transparent kommunizieren, so die DNG.
Macht Lachgas süchtig?
Eine Suchtgefahr (externer Link) besteht, wenn Lachgas öfter konsumiert wird. Da Jugendliche Lachgas nutzen, um ihre Stimmung zu verbessern, Stress abzubauen und sich zu entspannen, besteht die Gefahr einer psychischen Abhängigkeit. Lachgas kann außerdem psychische Erkrankungen wie Psychosen und Depressionen auslösen.
Wie verbreitet ist der Konsum?
Der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (externer Link) zufolge steigt der Konsum von Lachgas seit 2010 an, insbesondere seit 2017. Das stellt der Bericht in den Zusammenhang mit einer größeren Verfügbarkeit der Gasflaschen. Wie verbreitet der Konsum unter Jugendlichen in Deutschland aber tatsächlich ist, darüber gibt es keine offiziellen Zahlen, lediglich Hinweise. So hat eine Umfrage aus dem Jahr 2022 in Frankfurt am Main unter 1.500 Jugendlichen im Alter von 15 bis 18 Jahren ergeben: 17 Prozent hatten schon einmal Lachgas inhaliert. Und in Nordrhein-Westfalen ist zwischen 2022 und 2023 die Anzahl der bekannten Missbrauchsfälle mit Lachgas deutlich angestiegen, wie das LKA Nordrhein-Westfalen berichtet.
Gesetzeslage in Deutschland und Europa
Inzwischen regt sich Kritik, dass Lachgas in Deutschland legal und ohne Altersbeschränkung im Einzelhandel und Internet legal verkauft werden darf. In anderen europäischen Ländern wird das bereits strenger gehandhabt: So wurde Lachgas in den Niederlanden 2023 auf die Liste der verbotenen Rauschmittel gesetzt. Der Besitz ist dort inzwischen strafbar – außer in kleinen Mengen zum Kochen. Auch in Großbritannien, Dänemark und der Schweiz sind Besitz und Verkauf von Lachgas verboten, mit wenigen Ausnahmen, beispielsweise als Schmerzmittel während der Geburtswehen und in der Gastronomie als Treibmittel für Sahnespender. Der Verkauf an Minderjährige ist untersagt.
Lachgas soll in Deutschland stärker reguliert werden
Der Bundesrat hat am 14. Juni dieses Jahres eine "Entschließung" verfasst, in der die Bundesregierung aufgefordert wird, Lachgas strenger zu regulieren. Das Gas soll auf die Liste des "Neue psychoaktive Stoffe"-Gesetzes (externer Link). Diese listet chemische Varianten psychoaktiver Stoffe auf, die die Bundesregierung als Gefahr für die Bevölkerung einstuft. Die Verordnung hat das Ziel, Verbreitung und Missbrauch dieser Stoffe zu bekämpfen.
Notfallmediziner Matthias Klein betont, für wie wichtig er eine Regulierung von Lachgas hält: "In der Fläche wird bereits mehr Lachgas konsumiert. Je mehr und je leichtfertiger es konsumiert wird, vielleicht auch in Kombination mit anderen Substanzen, desto häufiger kommt es zu akuten Problemen und kritischen Situationen wie beispielsweise Herzkreislaufstillständen."
Im Video: Modedroge - Experten warnen vor Lachgas
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!