Julian Assange ist auf dem Weg in die Freiheit: Der Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks hat laut einem Gerichtsdokument eine Verständigung mit der US-Justiz erzielt, die dem jahrelangen juristischen Tauziehen in seinem Fall ein Ende setzen soll.
Wikileaks erklärte in der Nacht zum Dienstag, Assange sei gegen Kaution aus dem Gefängnis in Großbritannien entlassen worden. Dort saß der Australier seit 2019 ein. Der 52-Jährige werde ein "freier Mann" sein, wenn ein US-Richter den zuvor geschlossenen Deal mit der Justiz des Landes unterschrieben habe, sagte Assanges Frau Stella der BBC.
Am Mittwoch soll Assange vor Gericht erscheinen
Assange flog mit einem gecharterten Flugzeug zunächst nach Bangkok, wo der Flieger am Dienstagmorgen zum Tanken landete. Von dort sollte er nach Saipan weiterfliegen, der Hauptstadt des US-Außengebiets Nördliche Marianen. Am Mittwoch soll Assange in dem US-Territorium im Pazifik vor einem Gericht erscheinen. Dem Gerichtsdokument zufolge waren die Nördlichen Marianen als Ort ausgesucht worden, weil Assange sich nicht auf das Festland der USA begeben wollte und da es nah an Australien liegt, der Heimat des Wikileaks-Gründers.
Es wird erwartet, dass Assange zu fünf Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt wird, die er bereits in Großbritannien verbüßt hat. Damit könnte Assange in seine Heimat Australien zurückkehren. Die Regierung in Canberra erklärte, Assanges Fall habe sich zu lange hingezogen. Durch eine weitere Inhaftierung des Wikileaks-Gründers würde "nichts gewonnen".
"Es ist einfach unglaublich"
"Er wird ein freier Mann sein, sobald es unterschrieben ist (...)", sagte Assanges Frau Stella der BBC. "Ich bin einfach überglücklich. Ehrlich gesagt, es ist einfach unglaublich", sagte sie. "Wir waren uns bis zu den letzten 24 Stunden nicht wirklich sicher, ob es tatsächlich passieren würde."
Ein von Wikileaks auf X veröffentlichtes Video zeigt den 52-jährigen Australier in blauem Hemd und Jeans, wie er ein Dokument unterschreibt, bevor er ein Privatflugzeug besteigt. Seine Frau Stella Assange schrieb auf X: "Julian ist frei". "Worte können unsere immense Dankbarkeit gegenüber Euch – ja Euch – nicht ausdrücken, die alle jahrelang mobilisiert haben, um dies wahr werden zu lassen."
Rund 700.000 vertrauliche Dokumente veröffentlicht
Assange wird in den USA beschuldigt, ab dem Jahr 2010 rund 700.000 vertrauliche Dokumente über militärische und diplomatische Aktivitäten der USA veröffentlicht zu haben. Die Papiere enthielten brisante Informationen über die Kriege im Irak und in Afghanistan, unter anderem über die Tötung von Zivilisten und die Misshandlung von Gefangenen durch US-Militärangehörige.
Die USA warfen dem Australier daraufhin Geheimnisverrat vor. Zahlreiche Unterstützer sehen Julian Assange dagegen als Journalisten, der mutmaßliche Kriegsverbrechen aufgedeckt hat.
Assange: 14 Jahre lang Hausarrest und Gefängnis in Großbritannien
Assange wurde 2010 in Großbritannien zum ersten Mal aufgrund eines schwedischen Haftbefehls wegen des Vorwurfs eines Sexualverbrechens festgenommen. Der Haftbefehl wurde später fallengelassen.
Seither stand Assange zeitweise unter Hausarrest, hielt sich sieben Jahre lang in der ecuadorianischen Botschaft in London auf und wurde seit 2019 im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh festgehalten. Dort heiratete er seine Lebensgefährtin Stella, mit der er zwei Kinder hat.
Stella Assange bittet um finanzielle Hilfe für ihren Mann
Stella Assange rief Unterstützer zu Hilfe für ihren Mann nach seiner Freilassung auf. "Wir beabsichtigen, einen Notfallfonds einzurichten für Julians Gesundheit und Genesung", sagte sie in einem Videoclip, der in der Nacht zum Dienstag auf YouTube veröffentlicht wurde. Assanges Team hatte zuletzt wiederholt gewarnt, der Gesundheitszustand des Wikileaks-Gründers sei schlecht. An Gerichtsterminen nahm er deshalb nicht persönlich teil.
"Ich bitte Euch, wenn Ihr könnt, einen Beitrag zu leisten und uns beim Übergang in diese neue Phase der Freiheit von Julian zu helfen", sagte Stella Assange weiter. Das Video wurde den Angaben zufolge am 19. Juni aufgezeichnet. Wikileaks-Chef Kristinn Hrafnsson sagte darin: "Wenn Ihr dies seht, heißt das, dass er draußen ist."
Mutter von Assange dankt Unterstützern
Die Mutter von Assange dankte den vielen Unterstützern, die sich jahrelang für den Australier eingesetzt haben. "Ich bin dankbar, dass das Martyrium meines Sohnes endlich ein Ende findet", zitierte der australische Sender ABC am Dienstag aus einer Mitteilung von Christine Assange. "Das zeigt, wie wichtig und mächtig stille Diplomatie ist."
Weiter sagte sie: "Viele haben die Situation meines Sohnes ausgenutzt, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen, daher bin ich den unsichtbaren, hart arbeitenden Menschen dankbar, die Julians Wohlergehen über alles andere gestellt haben."
Vereinte Nationen zufrieden, Kritik von Pence
Die Vereinten Nationen begrüßten die Entwicklung. "Wir begrüßen die Freilassung von Julian Assange aus der Haft im Vereinigten Königreich", schrieb die Sprecherin des UN-Menschenrechtsbüros, Liz Throssell, der Nachrichtenagentur AFP.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte, sie sei "sehr froh, dass dieser Fall, der überall auf der Welt sehr emotional diskutiert wurde und viele Menschen bewegt hat, nun endlich eine Lösung gefunden hat".
In den USA verurteilte der frühere US-Vizepräsident Mike Pence hingegen die Verständigung mit der US-Justiz im Onlinedienst X als "Justizirrtum", der den "Einsatz und die Opfer der Männer und Frauen unserer Streitkräfte entehrt".
SPD-Politiker Stegner begrüßt Freilassung
Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner zeigte sich ebenfalls erfreut über die Freilassung von Assange. Im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk (Bayern 2, Welt am Morgen) sagte Stegner: "Das ist eine pragmatische Lösung und gut für alle Beteiligten. "Dass Assange nun schon unterwegs nach Australien ist zeigt, dass man sich verständigt hat."
Stegner würdigte die Verdienste, die Assange im Sinne der Pressefreiheit erworben habe. "Er hat einen Beitrag geleistet, dass Dinge aufgeklärt worden sind, die auch an die Öffentlichkeit gehören, auch wenn das mit hohen persönlichen Risiken verbunden war. Dass das jetzt zu einem Ende kommt, wird hoffentlich dazu beitragen, dass sein Gesundheitszustand sich wieder verbessert."
- Zum Artikel: "Wie prorussische Propaganda Assange und Snowden vereinnahmt"
Mit Informationen von dpa, AFP und AP
Zum Video: Justiz-Deal - Julian Assange kommt frei
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