Ein Espresso läuft aus einer Espressomaschine in eine Tasse. Der schwarz-braune Espresso wird in Italien meisterlich zubereitet. Nun hat eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern versucht, dem Geheimnis des Heißgetränks mit Mathematik und Experimenten auf die Spur zu kommen.
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Der Espresso wird in Italien meisterlich zubereitet. Nun haben Wissenschaftler versucht, das Geheimnis des Heißgetränks mit Mathematik zu lüften.

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Mathe-Formel oder Mäuse-Schwänzchen: Für den perfekten Espresso

Einen guten Espresso mit der perfekten Crema hinzubekommen ist eine Wissenschaft für sich. In Italien ist der Barista für die Zubereitung des kleinen Muntermachers verantwortlich. US-Wissenschaftler versuchen das Geheimnis mit Mathe zu lüften.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Ein internationales Team aus Mathematikern und Chemikern haben sich der fein-herben Tasse angenommen und mathematische Variablen erstellt, wie der Kaffee zubereitet werden muss, wenn jede Tasse an der Espressobar den gleichen Geschmack haben soll. Es ging den Wissenschaftlern primär darum, Geschmacksunterschiede zwischen den Heißgetränken zu vermeiden und Espressobohnen, Kaffeesatz und Zeit zu sparen, nicht darum, den Geschmack des Kaffees zu verbessern.

Tasse für Tasse gleichbleibender Espresso-Genuss

Ihre Ergebnisse veröffentlichte Jamie Foster, Mathematiker an der University of Portsmouth, und sein Team am 22. Januar 2020 in der Fachzeitschrift "Matter". Was sie herausgefunden haben, könnte diejenigen, die morgens kaum ihre Augen ohne das aromatische bitterschwarze Heißgetränk öffnen können, erstaunen: Weniger Kaffeebohnen, die gröber gemahlt werden, bringen angeblich einen genauso guten Espresso zustande, der auch noch von Brühvorgang zu Brühvorgang gleich ausfällt. So zubereitet ist jedes Getränk auch noch kostengünstiger.

Es braucht viel, um einen guten Espresso zu brühen

Foster und seine Kollegen wollten untersuchen, warum zwei Espressi, die auf die gleiche Weise zubereitet werden, trotzdem so unterschiedlich schmecken können. Sie betrieben im wahrsten Sinne des Wortes eine mathematische Kaffeesatz-Leserei. Das Forschungsteam - Chemiker, Mathematiker und Kaffeeprofis aus fünf Ländern - analysierte die Mahlgröße, die Wassertemperatur, den Wasserdruck, die Durchflussrate und die Kaffeemenge, um eine optimale Extraktionsausbeute zu erzielen - den Prozentsatz an Kaffee, der in einen Espresso gelangt. Üblicherweise muss man die Kaffeebohnen feiner mahlen, wenn man einen stärkeren Espresso als Ergebnis haben möchte. Je feiner das Pulver, desto mehr Oberfläche des Pulvers ist dem Wasser ausgesetzt, was einen stärkeren Kaffee bedeutet.

"Für den Espresso muss der Kaffee sehr fein gemahlen sein. Ein zu feiner Mahlgrad jedoch erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass es Geschmacksunterschiede gibt zwischen zwei scheinbar gleich hergestellten Tassen." Chemiker Christopher Hendon von der University of Oregon

Gröberes Kaffeepulver und weniger Wasser schont Ressourcen

Allerdings bedeutet fein gemahlenes Pulver gleichzeitig, dass die feinen Partikel den Siebträger verstopfen und damit den Durchfluss des Wassers verhindern. Damit können zwei Tassen Espresso geschmacklich unterschiedlich ausfallen. Also haben die Wissenschaftler die Bohnen etwas gröber gemahlen und weniger Wasser verwendet. Das Wasser fließt so ungehindert und schneller hindurch und erzeugt durch den entsprechenden Wasserdruck den schmackhaften Kaffee, den man in der Tasse haben möchte. Gleichzeitig spart man Bohnen, Kaffeesatz, Wasser und Zeit und schont dadurch nachhaltig die Umwelt.

Für die Zubereitung des richtigen Espresso gibt es Regelwerke

"Wenn Sie 15 Gramm anstelle von 20 Gramm Kaffee verwenden und Ihre Bohnen gröber mahlen, erhalten Sie einen Schuss, der sehr schnell abläuft, aber großartig schmeckt. Statt 25 Sekunden könnte er in 7 bis 14 Sekunden ablaufen. " Jamie Foster, Mathematiker an der University of Portsmouth

Für das Geheimnis des richtigen Espresso-Aromas existieren Regelwerke. In erster Linie aus Italien, etwa vom Konsortium zum Schutz des Traditionellen Italienischen Espressos, kurz CTCEIT. Die dunkle Röstung der Bohnen und die ersten kommerziellen Wasserdampfdruck-Maschinen sollen ihren Ursprung in dem Mittelmeerland haben. Giorgio Caballini di Sassoferrato, Präsident der Vereinigung CTCEIT, wird sehr deutlich, wenn es um einen schnellen Durchlauf geht: "Die Zeit ist eine zentrale Größe für den guten Espresso", sagt er. "Für Qualität braucht der Auszug der Aromen um die 25 Sekunden, vielleicht ein paar Sekunden mehr oder weniger. " Ein Zehn-Sekunden-Drink? "Das ist kein Espresso."

Das Sahne-Häubchen auf dem Caffè ist die Crema

Der Italiener Giovanni Burgarella, der in München die Schulungsstätte einer italienischen Kaffeefirma leitet, ergänzt: "Wenn der Espresso aus der Maschine fließt, soll er so aussehen wie ein Mäuse-Schwänzchen, wie eine coda del topolino, so sagt man in Italien", erläutert Burgarella. "Dann ist es richtig, dann wird die Crema haselnussbraun und fein. Ein wirklich guter Espresso, dessen Aromen schmeckt man noch 30 Minuten danach im Mund."

Neue Kaffeezubereitung spart viel Geld ein

Der Chemiker Hendon dagegen glaubt, die Italiener würden die Wirtschaftlichkeit klasse finden, auch wenn der Kaffee nach seiner Methode anders schmecke: "Statt zwei Portionen pro Minute kann man dann vier herstellen", so seine Begründung.

Ein Jahr lang wurde die neue Rezeptur für die Kaffeezubereitung in einem US-Coffeeshop ausprobiert und nach Angaben des Forscherteams Tausende US-Dollars eingespart. Mathematischen Schätzungen zufolge könnten durch eine Ausweitung auf den gesamten US-Kaffeemarkt Einsparungen von über 1,1 Mrd. US-Dollar pro Jahr erzielt werden. Dann allerdings müsste der Espresso-Fan wohl auf sein heiß geliebtes Mäuse-Schwänzchen verzichten.