Feinstaub kann die Lunge und andere Organe schädigen. Zum Feinstaub gehören auch kleine Kunststoffteilchen wie Mikroplastik. Die kleinsten dieser Partikel messen einen Mikrometer. Die größten Mikroplastik-Teilchen können bis zu fünf Millimeter groß sein und sind somit sogar mit bloßem Auge zu sehen. In einer aktuellen Untersuchung, die am 22. Januar 2025 im Fachblatt Science Advances veröffentlicht wurde, wurde Mikroplastik Versuchsmäusen mit Trinkwasser oder per Spritze verabreicht.
Fresszellen verstopfen Hirngefäße der Maus
Das Forschungsteam aus China hatte das Mikroplastik mit fluoreszierendem Farbstoff markiert, um dessen Weg durch den Körper nachzuverfolgen. Schon nach 10 Minuten leuchtete es im Gehirn, wenn Mikroplastik den Tieren direkt gespritzt wurde. Über das Trinkwasser dauerte der Weg zweieinhalb Stunden.
Würden die Plastikteilchen einfach im Blutstrom mitschwimmen und das Gehirn wieder verlassen, würde das - nach Ansicht der chinesischen Forschenden - keine größeren Schäden hinterlassen. Problematisch ist, dass sich Abwehrzellen im Gehirn über das Plastik hermachen.
Normalerweise fressen und bekämpfen sie Krankheitserreger. Die Abwehrzellen werden durch den sperrigen Inhalt relativ groß und unbeweglich. Sie sind nicht mehr so verformbar wie zuvor. Die Folge: Sie zwängen sich sehr langsam durch die kleinen Hirngefäße der Maus oder bleiben sogar darin stecken.
Mikroplastik führt zu neurologischen Problemen
Die Forschenden fanden auch noch eine Woche später verstopfte Äderchen im Gehirn. Das hatte Folgen: Die Tiere konnten sich schlechter orientieren. Außerdem bewegten sie sich langsamer als sonst und zogen sich stärker von der Gruppe zurück. Sie zeigten also depressive Tendenzen.
Das Team aus Peking spricht sogar von "Verstopfungen in Form von Thromben", also Blutgerinnseln. Der Gefäßforscher Karsten Grote vom Universitätsklinikum Marburg ist der Meinung, dass die Autoren an dieser Stelle ihre Ergebnisse überinterpretieren: "Wenn ich mir diese Bilder anschaue, kann ich eine Minderdurchblutung sehen. Aber es fällt schwer, da wirklich Gefäßverschlüsse zu sehen, im Sinne einer signifikanten Thrombose."
Einig ist sich die Forschungswelt, dass die Denkleistung zurückgeht, wenn das Gehirn schlecht durchblutet ist. Die zeitweisen Verstopfungen der Gefäße beeinträchtigen die Durchblutung des Gehirns im Tierversuch. Frühere Studien an Mäusen zeigen: Sind die Plastikteilchen besonders klein - kleiner als zwei Mikrometer - durchdringen sie sogar die Blut-Hirn-Schranke, die den Blutstrom von der Hirnsubstanz trennt, und richten neurologische Schäden an.
Wir nehmen wöchentlich fünf Gramm Mikroplastik auf
Noch ist nicht ganz klar, wie sich Mikroplastik auf das menschliche Gehirn auswirken könnte. Sicher ist nur, dass sämtliche Lebewesen, auch wir Menschen, sehr viel Mikroplastik aufnehmen und es wahrscheinlich zu Ablagerungen im Gehirn kommt.
Denn: Wir atmen Plastikteilchen ein, essen oder trinken es. Kunststoffteilchen finden sich in der Luft, im Grundwasser, im Meer, in Flüssen und im Boden. Studien zufolge nehmen wir bis zu fünf Gramm pro Woche auf - so viel wiegt eine Kreditkarte. Auch die Menge an Plastikmüll nimmt weltweit immer mehr zu. Da es Kunststoffe erst seit gut 100 Jahren gibt, hat die Evolution noch keine Enzyme entwickelt, die Kunststoffe abbauen könnten.
Mikroplastik fördert Entzündungen im Körper
Mikroplastik findet sich in der Umwelt, aber auch in vielen menschlichen Organen. Ein Forschungsteam in Italien hat zum Beispiel Mikroplastik-Splitter in verstopften Arterien von Patienten entdeckt. Das verdoppelte ihr Risiko, einen Schlaganfall oder Herzinfarkt zu erleiden. Außerdem haben Untersuchungen immer wieder gezeigt, dass Mikroplastik Entzündungen im Körper befeuert. Das kann Krankheiten wie Diabetes oder Rheuma nach sich ziehen. Karsten Grote: "Da sehe ich das Problem, dass wir unser Risiko für solche Erkrankungen durch eine vermehrte Exposition über Mikroplastik erhöhen."
Menschliches Gehirn und Mikroplastik
Beim menschlichen Gehirn geben Forschende aber vorsichtige Entwarnung: Die Versuchsmäuse bekamen eine extrem hohe Dosis Mikroplastik, die im Alltag nicht üblich ist. Außerdem sind menschliche Gefäße vergleichsweise groß und durchlässig. Die Biotechnologin Verena Kopatz von der Medizinischen Universität Wien sagt daher: "Wenn Plastik wirklich so toxisch wäre, wären wir, glaube ich, aufgrund unserer allgemeinen Plastik-Exposition alle miteinander nicht mehr da."
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