Im Oktober 2021 soll im chinesischen Kunming das nächste UN-Biodiversitätstreffen stattfinden. Die Ziele sind groß: Es soll ein Nachfolger für das aktuelle Biodiversitätsprogramm der Vereinten Nationen erarbeitet werden, ein Teil der sogenannten "Aichi-Ziele".
Die 20 Aichi-Ziele sind nach der japanischen Präfektur Aichi benannt, in der 2010 die UN-Konferenz stattfand, elf beschäftigen sich mit dem Thema Biodiversität und Artenschutz. Bis 2020 sollten konkret messbare Vorgaben umgesetzt werden, um den weltweiten Artenschutz zu verbessern. Die Weltnaturschutzunion stellte nun ihren abschließenden Bericht vor.
Schutzgebiete wurden größer und sind besser vernetzt
Einerseits lassen sich Erfolge vermelden, so die Weltnaturschutzunion. Im Jahr 2020 seien mindestens 17 Prozent der Landfläche und Binnengewässer und 10 Prozent der Küsten- und Meeresgebiete geschützt. Diese Gebiete aus ökologisch unterschiedlichen Regionen seien zum Teil auch miteinander vernetzt.
Regional gibt es hier durchaus Unterschiede: In Südamerika und der Karibik wurden bis 2020 sogar 24 Prozent der Landmasse und über 18 Prozent der Küsten- und Meeresgebiete unter Schutz gestellt.
Dennoch könne man über die erreichten Prozentzahlen nicht nur zufrieden sein, so Axel Paulsch vom Institut für Biodiversität in Regensburg im BR-Interview. Er war am Bericht nicht beteiligt.
"Man muss natürlich aber auch sagen, dass diese 17 Prozent, die man damals festgeschrieben hat, nicht eine wissenschaftliche Grundlage waren. Wir können nicht sagen, wenn wir das erreichen, dann ist die biologische Vielfalt gerettet, sondern es war eine politische Einigung." Axel Paulsch, Geoökologe, Institut für Biodiversität, Regensburg
Seit 2010 habe sich laut Bericht weltweit das Gebiet, das nach den Aichi-Zielen geschützt wird, um 21 Millionen Quadratkilometer vergrößert. Das entspricht einer Landfläche, die größer ist als die Russische Föderation. Grundsätzlich nahmen die geschützten Regionen in Küsten- und Meeresgebieten innerhalb der jeweiligen nationalen Gewässer am meisten zu. Doch das Aichi-Ziel von 10 Prozent geschütztem Ozean wurde verfehlt, bislang kommen die Artenschützer dort nur auf rund 7,7 Prozent.
Das liegt vor allem daran, dass die juristischen Zuständigkeiten außerhalb der 200 Meilen-Zone schwierig sind, so Axel Paulsch: "Aber aus biologischer und ökologischer Sicht wäre das sehr wichtig. Solche Gebiete, wo man dann keinen Fischfang hat, wo man sagt, die lasse ich jetzt mal eine Weile in Ruhe. Das müsste aber dann auch jemand kontrollieren, was wieder in internationalen Gewässern viel schwieriger ist, als in nationalen."
Nicht alle Ziele zum Artenschutz erreicht
Dass die Welt noch mehr beim Artenschutz unternehmen muss, wurde schon in früheren Berichten deutlich. Problematisch sei zum Beispiel, dass noch nicht alle Regionen, die für die Biodiversität besonders wichtig sind, geschützt sind. Fast ein Drittel dieser Gebiete sowohl zu Land als auch im Meer haben noch gar keinen Schutzstatus, so der Abschlussbericht.
Darüber hinaus würden auch noch zu wenige Daten darüber erhoben, wie gut die ausgewiesenen Gebiete geführt werden. Das ist auch für die Menschen wichtig, die an so einem Schutzgebiet wohnen. Nur wenn alle Interessen berücksichtigt werden, kann ein Schutzgebiet seine volle Wirkung entfalten.
Axel Paulsch: "Es ist in vielen Ländern so, dass zwei riesige Parks ausgewiesen werden, aber überhaupt niemand hat die Möglichkeit, das vernünftig zu kontrollieren. Die Wilderei auf Nashörner findet in erster Linie in Nationalparks statt. Und da könnte man schon etwas tun, um diese Parks besser auszustatten, damit die ihrer Schutzfunktion auch tatsächlich nachkommen können. Und gleichzeitig natürlich für die Leute, die da leben und arbeiten, eine Einkommensquelle zu schaffen. So dass diese einen Park nicht in erster Linie als Behinderung sehen, weil sie da nicht mehr rein dürfen mit ihrer Viehherde. Sondern dass sie eine Einkommensquelle haben, die ihn etwas nützt und dann auch wertschätzen, dass da vielleicht Touristen kommen und Geld dafür bezahlen."
Auch sei laut Bericht oft unklar, welche Rolle zum Beispiel die indigene Bevölkerung beim Schutz eines Gebietes spielen könne. Hier liege noch viel ungenutztes Potenzial.
Artenschutz braucht regionalen Austausch
Damit gefährdete Arten zwischen den Schutzgebieten wandern können, müssen diese auch miteinander verbunden sein. Doch das treffe nur auf einen Teil der Gebiete zu, so die Weltnaturschutzunion, auf rund 8 Prozent. Um die Biodiversität langfristig zu sichern, müsse dieser Anteil noch größer werden, eigentlich hatte das Aichi-Ziel 17 Prozent vorgegeben.
Darüber hinaus könnten die geschützten Gebiete nicht als "Inseln" betrachtet werden. Sie müssten in ihre Umgebung eingebunden sein. Bebaute Regionen oder landwirtschaftliche Flächen haben einen Einfluss auf Schutzgebiete. Wenn hier die Artenvielfalt einbricht, können geschützte Gebiete das auf Dauer nicht ausgleichen. Hier müsse mehr geschehen, so die Weltnaturschutzunion in ihrem Bericht.
Die Artenvielfalt geht weiter zurück
Das Fazit der Weltnaturschutzunion ist wenig optimistisch: Die Biodiversität nehme weltweit ab. Es brauche darum mehr Schutzgebiete, die wirksam geführt werden. Die Corona-Pandemie habe auch gezeigt, dass der Verlust an Lebensraum und Biodiversität direkte Auswirkungen auf die Menschheit habe.
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