Bakteriophage heißt aus dem Griechischen übersetzt "Bakterienfresser". Tatsächlich zerstören Phagen, wie Bakteriophagen auch genannt werden, Bakterien. Sie können deshalb eine sinnvolle Alternative zu Antibiotika sein – besonders dann, wenn Antibiotika nicht mehr wirken, weil die Bakterien, gegen die sie wirken sollen, Resistenzen gebildet haben.
Trotzdem kommen Phagen in Deutschland bisher, besonders in der Humanmedizin, selten zum Einsatz. Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) hat untersucht, warum das so ist und kommt in dem jetzt veröffentlichten Bericht zu dem Schluss: Vor allem die derzeitigen Richtlinien und Verordnungen behinderten eine Nutzung von Phagen in der EU und in Deutschland.
Was Bakteriophagen genau sind, wo sie eingesetzt werden könnten und was die Probleme bei ihrem Einsatz beim Menschen sind.
Was sind Bakteriophagen?
Bakteriophagen oder kurz Phagen sind Viren. Sie sind für den Menschen ungefährlich, weil sie nur Bakterien angreifen. Es gibt unendlich viele Phagen, weil sie überall dort auftauchen, wo Bakterien sind.
Wie "funktionieren" Phagen?
Ihre Wirkweise ist einfach: Der Phage heftet sich an eine Bakterienzelle, schleust die eigene Erbinformation in die Zelle ein und übernimmt damit die Kontrolle. Die Bakterie produziert nun massenhaft neue Phagen – so lange, bis die Bakterienzelle platzt. Durch das Platzen der Bakterienzelle werden diese Phagen freigesetzt und können wieder weitere Bakterien angreifen. Die Kettenreaktion läuft, solange Bakterien vorhanden sind. Die Bakterien zerfallen und werden vom menschlichen Körper abgebaut.
Vorteile und Nachteile von Phagen gegenüber Antibiotika
Phagen sind spezialisiert auf eine Bakterienart oder sogar nur auf einzelne Stämme innerhalb einer Bakterienart. Dadurch können sie – anders als Antibiotika – gezielt gegen bestimmte Bakterien eingesetzt werden. Denn ein Phage greift nur eine spezielle Bakterienart an und zerstört nur diese, die anderen werden nicht attackiert. Das ist zum Beispiel bei Darmerkrankungen wie dem Reizdarmsyndrom vorteilhaft, weil Bakteriophagen - anders als Antibiotika - die "guten" Bakterien der Darmflora unbehelligt lassen und keine entsprechenden Nebenwirkungen wie Durchfall verursachen.
Der Vorteil der Phagen ist aber zugleich auch ein großer Nachteil: Um die passgenauen Phagen für eine erfolgreiche Therapie auszuwählen, muss man erst herausfinden, welche Bakterien genau die Beschwerden verursachen. Das dauert einige Zeit: Man muss eine Probe nehmen, die Bakterien vermehren und analysieren. Hinzu kommt: Für eine besonders effektive Therapie muss auf Basis der Analyse zudem noch der passende Phagen-Cocktail in der Regel für jeden einzelnen Patienten individuell zubereitet werden.
In Deutschland können Phagen daher derzeit nur unter Ausnahmebedingungen und in Einzelfällen eingesetzt werden – beispielsweise als individueller Heilversuch, wenn herkömmliche Medikamente nicht mehr wirksam sind.
In welchen Bereichen könnten Bakteriophagen hilfreich sein?
Neben der Humanmedizin als Antibiotika-Ersatz könnten Phagen auch bei der Lebensmittelherstellung und in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen. Bei der Verarbeitung von Fleisch und anderen Lebensmitteln sind Bakterien schließlich ein Risiko. Viele Länder wie die USA, Kanada und die Schweiz nutzen Phagen-Präparate hier schon länger.
Inwieweit Deutschland und andere EU-Länder das tun, dazu gibt es laut TAB keine verlässlichen Zahlen. Das liegt auch daran, weil eine Verwendung dieser sogenannten Lebensmittelhilfsstoffe, unter die die Phagen-Präparate fallen, nicht kennzeichnungspflichtig ist. Und: Weil auch Pflanzen von Bakterien befallen werden, wie das beispielsweise beim gefürchteten Feuerbrand bei Obstbäumen der Fall ist, könnten Phagen auch in diesem Bereich helfen.
Warum ist die Zulassung von Bakteriophagen als Therapiemittel so schwierig?
Das Problem ist: Bakteriophagen sind keine Medikamente. Das ist für die Zulassung nach jetzigem Verfahren schwierig. Weil Bakterien sich verändern, um den Phagen zu entkommen, verändern sich auch die Phagen – das ist wie ein Wettrüsten. Man müsste Phagenmischungen also immer wieder "aktualisieren", damit sie wirksam bleiben. Aber das bedeutet auch: Dann müsste die Mischung wie ein neues Medikament den gesamten, kosten- und zeitaufwändigen Zulassungsprozess erneut durchlaufen.
Damit mehr Patienten von den Phagen profitieren können, sind gesetzliche Regelungen nötig, die auf diese Besonderheit eingehen. Dies fordert auch – neben mehr Forschung zu Phagen – das TAB in seinem jetzt veröffentlichten Bericht.
In der Tiermedizin konnte das Problem der sich verändernden Phagen in Phagenmischungen, die wie Medikamente angewendet werden, in der EU inzwischen durch eine neue Verordnung gelöst werden. Das könnte in Zukunft auch ein Vorbild für die Humanmedizin werden.
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