Das Wasser in den Ozeanen ist in Bewegung: Dafür sorgen Meeresströmungen und -wirbel. So auch am Subpolarwirbel im Nordatlantik vor Grönland. Warmes und salzhaltiges Wasser aus dem Süden kühlt dort im Winter an der Oberfläche ab, wird schwerer und sinkt - Tiefenwasser entsteht.
- Hintergrund: Wie wahrscheinlich ist der Kollaps des Golfstroms?
Diese Dynamik kann man sich als gigantische Wasserfälle im Ozean vorstellen. Forscher befürchten jedoch, dass die sogenannte "Tiefenwasserbildung" am Subpolarwirbel bald versiegen könnte - mit verheerenden Folgen für Klima und Wetter.
Bricht der Subpolarwirbel zusammen?
Der Subpolarwirbel stand bisher nicht im Fokus von Wissenschaft und Öffentlichkeit. Bisher wurde vor allem über einen möglichen Zusammenbruch der gesamten Atlantischen Umwälzzirkulation (Atlantic Meridional Overturning Circulation, kurz AMOC), zu der neben dem Subpolarwirbel auch der Golfstrom zählt, diskutiert. Ein Kollaps der AMOC gilt bereits als ein möglicher Kipppunkt im Klimasystem. Ihr Zusammenbruch hätte paradoxerweise zur Folge, dass es in Nordeuropa um einige Grad kälter wird - und wir mit mehr Extremwetter rechnen müssten.
Französische Klimaforscher warnen jedoch: Ein abruptes Abkühlen des Nordatlantiks durch den Zusammenbruch des Subpolarwirbels sei fast viermal wahrscheinlicher als durch den Zusammenbruch der AMOC. Zu diesen Ergebnissen kam eine Studie (externer Link) der Universität Bordeaux bereits im Jahr 2017.
Und es könnte relativ schnell gehen: Die Forscher sprechen von einem abrupten Temperaturabfall von "einigen" Grad Celsius innerhalb von zehn Jahren. Die Wahrscheinlichkeit einer abrupten Abkühlung durch einen Zusammenbruch des Subpolarwirbels liege im kommenden Jahrhundert bei fast 50 Prozent.
Dagegen sei die Wahrscheinlichkeit für ein Erliegen der AMOC "vernachlässigbar", schreiben die Forscher aus Bordeaux. Den französischen Wissenschaftlern zufolge sollte aus diesen Gründen von zwei separaten Kipppunkten gesprochen werden: Neben einer möglichen Störung der AMOC müsste eben auch ein Kollaps des Subpolarwirbels in Betracht gezogen werden.
Laut dem Klimaforscher Stefan Rahmstorf (externer Link) vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PiK) ließen etliche Modelle sogar ein Versiegen der Absinkbewegung des Subpolarwirbels schon bis zum Jahr 2040 erwarten.
Grafik: So verlaufen Nordatlantikstrom und Subpolarwirbel
Golfstrom: Wasser erreicht über Nordatlantikstrom Subpolarwirbel
Den Subpolarwirbel kann man sich als ringförmigen Halbkreis südlich vor Grönland vorstellen. Der Meereswirbel zweigt links vom Nordatlantikstrom ab, der weiter zwischen Grönland und dem europäischen Festland in Richtung Arktis verläuft. Der Nordatlantikstrom wiederum ist ebenfalls Teil der AMOC, die für warmes Klima in Nordeuropa sorgt.
Wärmepumpe für Europa
Die AMOC ist ein Kreislauf aus Meeresströmungen: Vor Florida pumpt der Golfstrom, angetrieben von warmen Winden aus der Sahara, warmes Wasser nach Nordeuropa. Auf seinem Weg gibt das Wasser Wärme an die Atmosphäre ab. Weil ein Teil des Wassers verdunstet, ist das Meerwasser salzhaltiger und somit schwerer. Das Wasser, das vom Golfstrom und dem Nordatlantikstrom nach Norden transportiert wird, ist also kälter als zu Beginn seiner Reise - es ist aber immer noch so warm, dass in Norddeutschland milderes Klima herrscht als in Kanada, das auf den gleichen Breitengraden liegt.
Konvektion: So sinkt das Wasser am Subpolarwirbel in die Tiefe
Am Subpolarwirbel kommt es dann zur sogenannten Konvektion (externer Link): Das Oberflächenwasser gibt weiter Wärme an die Atmosphäre ab und kühlt deutlich ab, während zugleich sein Salzgehalt steigt. Das Wasser wird schwerer und sinkt unter das darunterliegende, wärmere Wasser. Es wird zu kaltem Tiefenwasser in der unteren Schicht des Ozeans.
Und nun besteht die Befürchtung, dass eben dieser Prozess der Tiefenwasserbildung unterbrochen wird. Erste Anzeichen gibt es wohl schon: Während die Oberflächentemperatur der Weltmeere durch den Klimawandel gestiegen ist, wird in dieser Region das Gegenteil beobachtet: Der Subpolarwirbel, die Labradorsee und die Irmingersee kühlen sich seit dem vergangenen Jahrhundert ab. Daher werden diese Regionen auch als "Cold Blob" oder als Nordatlantisches Erwärmungsloch bezeichnet.
Die Ursachen für das Erwärmungsloch
Die Ursachen des Cold Blobs sind jedoch noch nicht gänzlich erforscht. Ein möglicher Grund, warum in dieser Region das Oberflächenwasser besonders kalt ist: Weil sich die AMOC verlangsamt, wird weniger warmes Wasser vom Golfstrom nach Norden transportiert.
Mehrere Studien (externer Link) kamen jedoch zu dem Ergebnis, dass nicht nur eine trägere AMOC, sondern auch andere Faktoren der globalen Erwärmung den Subpolarwirbel verändern. Zum Beispiel das Abschmelzen des Grönländischen Eisschildes: Warme Sommer auf Grönland führen demnach zu einer Verzögerung der Konvektion im Winter. Das Problem: Das Süßwasser des Eisschildes ist leichter - und sinkt nicht ab wie das salzhaltige Meerwasser.
Kollaps hat nicht zwangsläufig Folgen für AMOC und Golfstrom
Das Absinken des Oberflächenwassers am Subpolarwirbel ist einerseits essenziell, damit auch das große Ganze, die AMOC, funktioniert: Der Subpolarwirbel verbindet die warmen und salzhaltigen Oberflächenströmungen, die nach Norden strömen, mit den kalten Tiefenströmungen, die zurück zum Äquator fließen.
Durch einen Zusammenbruch des Subpolarwirbels käme jedoch wahrscheinlich nicht gleich die gesamte AMOC ins Wanken. Denn auch in anderen Gebieten des Nordatlantiks findet Konvektion statt: In der Grönlandsee, der Labradorsee und der Irmingersee sowie Teilen der Dänemarkstraße und des Färöer-Shetland-Kanals wird ebenfalls Tiefenwasser gebildet, das in die AMOC fliest. Aus diesem Grund muss die gesamte AMOC nicht zwangsläufig zum Erliegen kommen. Dennoch hätte ein Stillstand des Subpolarwirbels schwerwiegende Folgen für unser Klima.
Kältewellen als Folge eines Zusammenbruchs
Ein Kollaps des Subpolarwirbels hätte nicht nur einen Temperaturabfall in Nordeuropa, insbesondere in Großbritannien, zur Folge. Der aktuelle IPCC-Bericht hat auch deutlich gemacht, dass wir mit mehr Extremwetterereignissen infolge von Veränderungen von Meeresströmungen rechnen müssen, sollten wir unsere Emissionen nicht deutlich senken.
Im Audio: Nordatlantikströmung wird durch Klimawandel verändert
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