In bayerischen Impfzentren sowie bei Haus- und Kinderärzten sind am heutigen Mittwoch die Kinderimpfungen gegen das Coronavirus angelaufen. Nicht überall sind die Vorbereitungen dafür schon abgeschlossen, daher startet die Impfkampagne für Fünf- bis Elfjährige in manchen Städten und Gemeinden auch erst am Donnerstag oder später. Im Freistaat gibt es nach Angaben des Gesundheitsministeriums etwa 855.000 Kinder im Alter zwischen fünf und elf Jahren.
Kinderimpfung auch auf individuellen Wunsch möglich
Johannes Hübner, Münchner Professor für Kinderheilkunde, zeigt sich im Gespräch mit BR24live sehr zufrieden mit der Empfehlung der Ständigen Impfkommission, die nicht nur für Kinder mit Vorerkrankungen gilt und solche, die Kontaktpersonen mit Risiko für einen schweren Verlauf haben, sondern auch eine Öffnungsklausel enthält. Das bedeutet: Wenn Eltern oder Kinder das wünschen, dann kann die Impfung durchgeführt werden.
"Wenn ich Kinder hätte in der Altersgruppe, ich würde sie impfen lassen. Wir haben genügend Daten dazu. Aber: Eltern sollten entscheiden. Ich kann auch verstehen, wenn sie sagen, ich warte noch." Johannes Hübner, Münchner Professor für Kinderheilkunde
Impfung wird sehr gut vertragen
Andere Länder wie die USA und Israel impften schon seit einigen Wochen Kinder in dieser Altersgruppe - dort hätte man sehr gute Erfahrungen gemacht, so Hübner. In den USA seien schon über fünf Millionen Kinder geimpft und man sehe, die Impfung wird sehr gut vertragen. Es gebe sehr wenig Nebenwirkungen, und wenn, dann Fieber, Schmerzen, Abgeschlagenheit. Dies könne über einen Zeitraum von 24 bis 48 Stunden auftreten.
"Eine Herzmuskelentzündung, wie sie bei den Elf- bis Fünfzehnjährigen vorkam, ist auch dort bisher in keinem einzigen Fall aufgetreten. Sehr, sehr selten kann es eine allergische Reaktion geben, das ist die schwerwiegendste mögliche Nebenwirkung. Für diesen Fall sind aber alle seitens der Ärzte vorbereitet, deswegen wartet man auch noch 15 Minuten nach der Impfung".
Nachfrage nach Kinderimpfungen groß
Die Nachfrage bei den Kinderimpfungen ist vielerorts groß. Das bestätigt auch etwa der Leiter des Augsburger Impfzentrums, Dr. Andreas Schneider: "Wir haben die Impfungen gar nicht groß beworben - das war gar nicht nötig. Viele Eltern wünschen sich die Impfung für ihre Kinder schon lange. Wir hatten aber auch schon die Angst, dass ein Shitstorm auf uns niedergehen könnte."
Run auf Arztpraxen ist groß - Herausforderung für Kinderärzte
Viele Eltern wollen ihre Kinder auch in Arztpraxen impfen lassen. "Die Nachfrage ist riesig groß", sagte der Landesvorsitzende des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Dominik Ewald, am Mittwoch in Regensburg. "Jeder hat einen kranken Verwandten oder Schulkinder, die bei einer Infektion in Quarantäne müssten."
Die große Nachfrage stelle die Praxen "vor Weihnachten noch einmal vor eine Herausforderung", betonte Ewald. Schließlich würden parallel auch immer noch viele Erwachsene gegen Corona geimpft. Viele Kinderärzte in Bayern würden ihre Praxen wegen des Andrangs auch in den Weihnachtsferien an einigen Tagen für Kinderimpfungen öffnen.
Genug Impfstoff werde an die Kinderärzte geliefert, wenn auch teils erst in den kommenden Tagen, sagte Ewald. "Meine Praxis hat sogar mehr angeboten bekommen, als wir momentan verimpfen können." Abgesehen von dem "ganz normalen logistischen Chaos" bei der Verteilung solch großer Mengen an Impfstoff gebe es dabei aus Sicht der bayerischen Kinderärzte bislang keine größeren Probleme.
Impfung für Kinder mit Vorerkrankung oder auf Wunsch
Die Ständige Impfkommission (Stiko) hatte vergangene Woche Corona-Impfungen für Kinder im Alter zwischen fünf und elf Jahren mit bestimmten Vorerkrankungen empfohlen. Wie das Gremium in Berlin mitgeteilt hat, empfiehlt es zusätzlich Impfungen in dieser Altersgruppe auch für Kinder, in deren Umfeld Risikopatienten leben, die sich selbst nicht durch Impfungen schützen können. Für alle anderen Kinder soll eine Impfung bei "individuellem Wunsch" möglich sein.
Bei der EU-Zulassung des Impfstoffs ab zwölf Jahren im Mai hatte die Stiko zunächst ebenfalls nur Impfungen von Jugendlichen mit Vorerkrankungen empfohlen. Erst im August hatte sie diese dann allen ab zwölf empfohlen und auf eine breitere Datengrundlage verwiesen.
Der Impfstoff konnte von den Arztpraxen bereits am vergangenen Dienstag bestellt werden. Arztpraxen konnten damit theoretisch ab Montag impfen. Ab Mittwoch geht es in Bayern dann in den Impfzentren los.
Die europäische Arzneimittelbehörde EMA hatte schon am 25. November 2021 den Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer ("Comirnaty") für Kinder ab fünf Jahren freigegeben.
- Zum Überblick "Fragen und Antworten zum Impfen gegen das Coronavirus"
Dosierung und Impfabstände bei Kindern
Die EMA hat auch festgelegt, wie die Impfung bei den Kindern ablaufen soll:
- ein Drittel der Erwachsenen-Dosis
- die zweite Dosis mit drei Wochen Abstand zur ersten
Insgesamt gibt es 4,5 Millionen Kinder in Deutschland in dieser Altersgruppe, für die die EMA-Zulassung schon vorliegt. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), Jörg Dötsch, erklärte: "Die unter Zwölfjährigen bekommen nur ein Drittel der Dosis, die Jugendliche erhalten."
So eine kleine Menge lasse sich nicht gut mit einer Spritze aus den herkömmlichen Ampullen aufnehmen. "Für jüngere Kinder ist also eine eigene Darreichungsform nötig, die gut verimpfbar ist", ergänzte er. 2,4 Millionen Dosen davon sind für den Start der Impfkampagne für Deutschland reserviert.
Bisher bekannte Nebenwirkungen mild
Bei der Zulassungsstudie bekamen von rund 2.300 Kindern zwei Drittel den Impfstoff und ein Drittel ein Placebo gespritzt. Dabei wurden Nebenwirkungen, die Impfreaktionen und auch die Wirksamkeit bis zu sechs Monate nach der zweiten Spritze erfasst. Das Ergebnis: Bislang seien keine schweren Nebenwirkungen gemeldet worden. Milde Reaktionen wie Fieber, Schmerzen an der Einstichstelle, Müdigkeit und Kopfschmerzen wurden aber schon berichtet.
Zehn der Kinder, die mit Comirnaty geimpft wurden, entwickelten eine Schwellung der Lymphknoten. Es wurden keine schwerwiegenden Nebenwirkungen wie Herzmuskel- oder Herzbeutelentzündungen gemeldet, die bei anderen Geimpften schon aufgetreten sind. Da das grundsätzlich sehr seltene Nebenwirkungen sind, kann darüber zu diesem Zeitpunkt kein abschließendes Urteil abgegeben werden.
Wirksamkeit in Zulassungsstudie groß
Innerhalb der zwei bis sechs Monate Beobachtungszeit traten in der geimpften Gruppe drei Covid-19-Fälle auf. In der Vergleichsgruppe dagegen erkrankten 16 Teilnehmende an Covid-19. Keines der Kinder entwickelte einen schweren Covid-19-Verlauf. Biontech/Pfizer sagt, die Immunantwort durch den Impfstoff sei sogar noch besser als bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 16 und 25 Jahren.
Wo die Kinder ab fünf Jahren schon offiziell geimpft werden
In den USA ist der Kinderimpfstoff schon seit Anfang November zugelassen, bis Anfang Dezember hatten schon rund vier Millionen Kinder über 5 Jahren mindestens ihre erste Dosis erhalten. In Israel werden Kinder seit 22. November geimpft, Anfang Dezember waren das schon über 60.000. Das israelische Gesundheitsministerium erfasst auch Nebenwirkungen und Impfreaktionen. Bislang seien diese nicht auffällig.
Spanien und Portugal haben den Kinderimpfstoff am 7.12. genehmigt. Die Sächsische Impfkommission hat am 1. Dezember ebenfalls die Kinderimpfungen empfohlen, zunächst aber nur für Risikogruppen. Ab 13. Dezember soll es los gehen, wenn der Impfstoff ausgeliefert wird. In Bremen soll es am 14.12. mit den Kinderimpfungen los gehen, per Post sollen Termineinladungen verschickt werden.
- Zum Artikel "Wer kann nicht gegen Corona geimpft werden?"
Auch ohne Stiko-Empfehlung ist Impfen rechtlich geklärt
Rechtlich ist es übrigens kein Problem, Kinder gegen Covid-19 zu impfen, die nicht unter die Stiko-Empfehlungen fallen. Es gilt die EMA-Zulassung. Dazu wurde das Infektionsschutzgesetz angepasst. Normalerweise ist bei Haftungsansprüchen und der Kostenübernahme die Stiko-Empfehlung zu Impfungen entscheidend. Im Zuge der Corona-Pandemie übernimmt der Staat bei Impfschäden durch Corona-Impfungen die Behandlungskosten und möglicherweise auch eine Rente (§ 60 Infektionsschutzgesetz).
Wichtig ist aber, dass die Eltern und Kinder über die Risiken der Impfung aufgeklärt werden und dass eine (schriftliche) Einwilligungserklärung vorliegt.
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