Es erscheint wie die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Nur das in diesem Heuhaufen Milliarden von Nadeln versteckt sind. Kleinste Mikroplastik-Fragmente gelangen seit Jahrzehnten in die Weltmeere. Nur ein geringer Teil des winzigen Plastikmülls schwimmt auf der Meeresoberfläche, der meiste Kunststoff sinkt in tiefere Gewässer oder auf den Meeresboden.
Wie viel Plastik schwimmt im Meer?
Wie viel Mikroplastik sich tatsächlich in den Weltmeeren befindet, und ob diese Zahl mit der vermuteten Menge von in den Ozean gelangten Kunststoff übereinstimmt, konnte bislang aber niemand sagen. Es fehlten schlicht entsprechende Messungen.
Suche im Atlantik
Dem hat ein Wissenschaftlerteam um Studienleiterin Katsiaryna Pabortsava nun abgeholfen. Die Forscher des „National Oceanography Centre“ (NOC) im britischen Southampton haben im kompletten Atlantik von Großbritannien bis zu den Falklandinseln nach Mikroplastik gefahndet.
"Unsere Forschung ist die erste, die dies über den gesamten Atlantik durchgeführt hat." Katsiaryna Pabortsava, National Oceanography Centre, Southampton, Großbritannien
7000 Plastikpartikel pro Kubikmeter Wasser
Mit speziellen Filtern sammelten die Wissenschaftler Teilchen von 0,03 bis 0,65 Millimeter Größe in drei unterschiedlichen Wassertiefen bis zu 200 Metern unterhalb der Wasseroberfläche. Das Ergebnis: In den oberen Wasserschichten des Atlantik fand das Forscherteam bis zu 7000 Mikroplastikpartikel pro Kubikmeter Meerwasser. Rechneten sie die Proben, die an insgesamt 12 Orten im Atlantik genommen wurden, hoch, so ergab dies näherungsweise eine Gesamtmenge von 12 bis 21 Millionen Tonnen Mikroplastik.
Kleinstes Mikroplastik besonders häufig
Sehr kleine Fragmente – und damit schwer zu messende Plastikpartikel - bis etwa 0,08 Millimeter Durchmesser kamen besonders häufig vor. Damit bestätigten sich Vermutungen von Experten, dass „versteckter“ Plastikmüll einfach zu klein war, um bislang erfasst zu werden.
Bislang fehlende Schätzwerte
Mit ihren aktuellen Ergebnissen, die die Forscher in „Nature Communications“ (18.08.2020) veröffentlichten, wollen die NOC-Wissenschaftler dazu beitragen, die ökologischen Schäden durch Mikroplastik besser einschätzen zu können. Denn bislang fehlten solide Schätzungen zur Menge der Kunststoffe vor allem in abgelegenen Orten wie zum Beispiel mitten auf dem Ozean.
Analyse der Plastiksorten
Zugleich wurde die Zusammensetzung der Teilchen mittels eines Spektrometers analysiert. Damit konnte die Häufigkeit der drei am meisten verwendeten Kunststoffe Polyethylen, Polypropylen und Polystyrol berechnet werden, die zusammen die Hälfte des weltweiten Kunststoffabfalls ausmachen. Das Fazit der Wissenschaftler:
"Wenn man davon ausgeht, dass Plastik in anderen Teilchengrößen und –arten im tieferen Ozean und im Meeresboden gefunden werden kann, weisen unsere Ergebnisse darauf hin, dass sowohl die Zufuhr von Plastikmüll ins Meer als auch die bereits vorhandene Kunststoffmenge deutlich höher sind als bisher berechnet." Katsiaryna Pabortsava, National Oceanography Centre, Southampton, Großbritannien
Was ist überhaupt Mikroplastik?
Von Mikroplastik sprechen Experten, wenn kleine Kunststoff-Fragmente wenige Mikrometer bis fünf Millimeter groß sind. Zugleich wird nach dem Ursprung der winzigen Teilchen unterschieden. Primäres Mikroplastik entsteht durch Abnutzung größerer Kunststoffteile, zum Beispiel durch Autoreifenabrieb oder wird bereits für einen bestimmten Zweck mikroskopisch klein hergestellt (etwa in Zahnpasta oder Hautpeelings). Sekundäres Mikroplastik entsteht beim Zerfall größerer Kunststoff-Gegenstände wie Plastiktüten, PET-Flaschen oder Textilfasern. UV-Strahlung, Salz und Wellengang zersetzen den Kunststoff langsam in immer kleinere Bestandteile. Die Mikroplastik-Partikel gelangen in Flüsse und Seen, das Meer, die Böden und auch die Atmosphäre. Mikroplastik beeinträchtigt die Gesundheit von (Meeres-)tieren und vermutlich auch die des Menschen. So haben wissenschaftliche Studien bereits in vielen Fischarten Mikroplastikpartikel gefunden.
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