Vom 7. bis 9. Dezember 2023 fand in Berlin die 31. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin statt. Dort ging es auch um Schlafstörungen, denn jede siebte Person in Deutschland leidet darunter. Betroffene greifen gerne zu rezeptfreien Präparaten wie Baldrian oder auch zu Tabletten, Tropfen und Sprays, die das Hormon Melatonin enthalten. Für kleine Kinder, die nicht einschlafen können, gibt es Melatonin-Gummibärchen. Diese werden in den sozialen Medien stark beworben.
Melatonin-Gummibärchen können zu hoch dosiert sein
Melatonin-Gummibärchen gehören zu den Nahrungsergänzungsmitteln. Deren Zulassung ist generell nicht so streng geregelt wie es bei Arzneistoffen üblich ist. Deshalb kann so ein Gummibärchen hoch dosiert sein, warnt der Vorsitzende der Bayerischen Gesellschaft für Schlafmedizin Peter Geisler: "Es gibt wohl ein Produkt, das hat 60 Milligramm Melatonin in einer Dosis-Einheit. Das ist das Zwölffache von dem, was normalerweise als Maximaldosis bei Erwachsenen angegeben wird."
Melatonin kann in hoher Dosierung schaden
Kinder können von Melatonin in hoher Dosierung gesundheitliche Schäden davontragen. Das liegt auch daran, dass ihr Stoffwechsel noch nicht so schnell arbeitet wie bei einem Erwachsenen. Wirkstoffe sammeln sich im kleinen Körper eher an und werden verzögert ausgeschieden.
In den USA gab es sieben nicht aufgeklärte Todesfälle bei Kindern im Alter von zwei Monaten bis drei Jahren. Bei ihnen zeigten sich posthum stark erhöhte Melatonin-Werte im Blut, so eine Studie, die am 8. Oktober 2022 in der "Oxford University Press" erscheinen ist. Schlafexperte Peter Geisler sagt: "Man weiß nicht, woher dieses Melatonin kam, wahrscheinlich natürlich von außen. Aber bewiesen ist dadurch nichts. Es ist sicherlich selten, dass so etwas passiert." Erst größere Fallzahlen könnten stichhaltig belegen, wie sich ein hoher Melatoninspiegel auswirkt.
Melatonin ist ein natürliches Hormon des Körpers
Melatonin ist ein Hormon, das unser Körper natürlich herstellt. Es wird in der Zirbeldrüse des Gehirns gebildet und gilt als Nacht-Hormon: "Melatonin signalisiert sozusagen allen Zellen im Körper: Jetzt ist es dunkel. Beim Menschen wird es, da wir ja tagaktive Lebewesen sind, so interpretiert: Jetzt ist es Zeit zu schlafen", so Geisler. Bei einem Hamster oder einer Maus hat die Ausschüttung von Melatonin am Abend den gegenteiligen Effekt: Die Tiere werden aktiv und laufen nachts beispielsweise im Hamsterrad.
Ursachen für Schlaflosigkeit ergründen
Menschen, die am Abend lange bei hellem Licht aktiv sind oder auf Bildschirme mit bläulichem Licht starren, können einen gestörten Tag-Nacht-Rhythmus entwickeln und werden abends nicht müde. Für Schlafstörungen kann es aber auch eine Vielzahl anderer Gründe geben. Kinderärztin Barbara Schneider rät, in die Praxis zu kommen, um organische Ursachen auszuschließen. Bei gesunden Kindern helfen ihrer Meinung nach Rituale wie Singen oder Vorlesen am besten: "Wenn sie merken, wir steuern nach dem Abendessen auf die Gute-Nacht-Geschichte zu und auf das Abendritual, dann bekommt auch der kleine Kopf das Signal: Es kommt nichts Aufregendes mehr, ich kann zur Ruhe kommen." Im Normalfall sollte es ohne Mittel von außen klappen.
Kinderärzte warnen vor rezeptfreien Produkten
Auch Kinderarzt Ekkehart Paditz, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung (DGSM), rät von frei verkäuflichen Produkten wie Melatonin-Gummibärchen ab. "Eltern gehen damit ein ziemliches Risiko ein, dass möglicherweise schwerwiegende Krankheiten übersehen werden." Auch ein Hirntumor könne Schlafstörungen verursachen. "Kinder gehören zum Kinderarzt", so die einstimmige Meinung.
Wenn Abendrituale nicht helfen, keine organischen Ursachen vorliegen und das Einschlafen über einen längeren Zeitraum trotzdem nicht funktioniert, verschreiben Ärztinnen und Ärzte ein Präparat in passender Dosierung. Je nach Alter empfehlen sie kleinen Patientinnen und Patienten etwa, vor dem Zubettgehen zwischen 0,25 und 0,5 Milligramm eines Melatonin-Medikaments einzunehmen.
Video: Melatonin-Gummibärchen - Umstrittene Einschlafhilfe für Kinder
Dieser Artikel ist erstmals am 10. Dezember 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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