Ein Diabetes-Patient misst mithilfe eines Blutzuckermessgeräts seinen Blutzuckerwert.
Bildrechte: colourbox.com
Bildbeitrag

Für immer mehr Menschen gehört es mittlerweile zum Alltag: Das Messen ihres Blutzuckerspiegels aufgrund einer Diabetes-Erkrankung.

Bildbeitrag
> Wissen >

Mehr Diabetesfälle nach Pandemie erwartet

Mehr Diabetesfälle nach Pandemie erwartet

Schätzungen zufolge haben mehr als 8,5 Millionen Menschen in Deutschland einen dokumentierten Diabetes. Hinzu kommt eine Dunkelziffer von mindestens 2 Millionen. Die Krankheitszahlen werden als Folge der Pandemiemaßnahmen wohl weiter steigen.

Diabetes mellitus ist eine Volkskrankheit in Deutschland, die Zahl der Patienten wächst: Jedes Jahr erkranken laut dem aktuellen "Deutschen Gesundheitsbericht Diabetes 2023" etwa eine halbe Million Erwachsene in Deutschland neu an Diabetes. Außerdem wird jedes Jahr bei mehr als 3.000 Kindern und Jugendlichen der sogenannten Typ 1 von Diabetes diagnostiziert.

Etwa zwei Millionen Menschen hierzulande leiden zudem an Diabetes, ohne davon zu wissen. Hochrechnungen gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2040 etwa 12 Millionen Menschen in Deutschland an Diabetes erkrankt sein werden.

Zwei wesentliche Faktoren für die Zunahme der Krankheitsfälle sind Bewegungsmangel und Übergewicht, beides Risikofaktoren für Diabetes Typ 2. Wegen der Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung in den Jahren 2020 und 2021 gehen die Autoren des Diabetes-Berichts von einem erhöhten Risiko für Typ-2-Diabetes in der Bevölkerung aus, vor allem aufgrund verringerter körperliche Aktivität und Gewichtszunahme. Diese Risikofaktoren betreffen insbesondere sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen. Daher habe die COVID-19-Pandemie wahrscheinlich den Zusammenhang zwischen sozioökonomischer Benachteiligung und Diabetes verstärkt.

Eine gute Nachricht gibt es aber: Die Mortalitätsrate von Diabetikern, also die Zahl der Menschen, die an ihrer Diabetes-Erkrankung sterben, sinkt in Deutschland seit Jahrzehnten. Um Diabetiker noch zielgerichteter und damit erfolgreicher behandeln zu können, verweisen Mediziner auf die Notwendigkeit einer genaueren Diagnose bereits beim sogenannten Prädiabetes, einem Vorstadium von Diabetes.

Was ist Diabetes?

Diabetes mellitus ist eine chronische Stoffwechselerkrankung mit verschiedenen Typen. Am verbreitetsten sind Typ 1 und Typ 2. Je nach Diabetes-Typ wird vom Körper entweder zu wenig oder gar kein Insulin mehr produziert (Typ 1) oder die Körperzellen verlieren ihre Empfindlichkeit gegenüber Insulin (Typ 2). Insulin ist zur Regulierung des Stoffwechsels dringend notwendig. So lässt kohlenhydratreiche Nahrung den Blutzuckerspiegel steigen, weil Kohlenhydrate im Verdauungstrakt zu Glukose umgebaut werden. Insulin regt die Körperzellen an, Glukose aus dem Blut aufzunehmen. Dadurch senkt Insulin den Blutzuckerspiegel.

Wer ist von Diabetes betroffen?

Beim sogenannten Typ-1-Diabetes handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, die meistens bereits im Kindes- oder Jugendalter ausbricht. Dieser Typ von Diabetes betrifft etwa fünf bis zehn Prozent aller Diabeteskranken. Die Patienten müssen Insulin künstlich zuführen, da es in der Bauchspeicheldrüse nicht mehr gebildet werden kann. Der Großteil der Diabetes-Patienten leidet aber am Typ-2-Diabetes. Diese Form tritt meistens erst im Erwachsenenalter auf und kann vor allem im Anfangsstadium durch gesunde Ernährung und mehr Bewegung beeinflusst werden. Denn Risikofaktoren für den Typ-2-Diabetes sind vor allem Übergewicht und zu wenig körperliche Bewegung.

Diabetes - die Folgen und die Rolle der Corona-Pandemie

Diabetiker sind häufig mit schlimmen Begleit- und Folgeerkrankungen konfrontiert, die Blutgefäße, Nerven und Organe betreffen können. In der Corona-Pandemie gehörten sie zu den vom Robert Koch-Institut (RKI) aufgeführten Risikogruppen, für die ein ausreichender Impfschutz besonders wichtig ist.

Corona-Pandemie: Mehr Diabetes-Erkrankungen nach Lockdowns

Doch nicht nur das. Während der Pandemie, so belegen Daten des bundesweiten DPV-Registers (Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation) der Jahre 2020/2021, die der "Deutsche Gesundheitsbericht Diabetes 2023" zitiert, ist die Anzahl der an Diabetes Erkrankten in Deutschland mehr als sonst angestiegen.

Bei Kindern und Jugendlichen war der Anstieg an Diabetes-Typ-1-Fällen laut dem Bericht im Jahr 2020 etwa drei Monate nach den maximalen Covid-19-Inzidenzen zu beobachten, also im Sommer 2020. "Die Gründe für den Inzidenzanstieg für Typ-1-Diabetes im Sommer 2020 sind unklar, vermutet werden in erster Linie veränderte Lebensumstände, die auf die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung zurückzuführen sind (soziale Isolation, Rückgang typischer pädiatrischer Infektionskrankheiten, psychische Stressfaktoren)", heißt es in dem Bericht.

Außerdem gehen die Verfasser des von der Deutschen Diabetes Gesellschaft e.V. und der Deutschen Diabetes Hilfe anlässlich des diesjährigen Weltdiabetestages herausgegebenen Berichts davon aus, dass sich das Risiko für Typ-2-Diabetes in der Bevölkerung aufgrund der Folgen der Lockdowns während der Pandemie insbesondere durch die "verringerte körperliche Aktivität und Gewichtszunahme" vieler Menschen erhöhen wird. "Diese Risikofaktoren betreffen insbesondere sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen", heißt es in dem Papier weiter. Einen Lichtblick gibt es aber: So seien die Sterberaten bei Menschen mit Diabetes laut dem Bericht in den vergangenen Jahrzehnten international um etwa ein Drittel gesunken.

Warum eine frühe Diagnose von Diabetes wichtig ist

Ein Problem von Diabetes ist: Die Diagnose der Erkrankung wird oft zu spät gestellt - mit schwerwiegenden Folgen. Darauf verweist Robert Wagner, Leitender Oberarzt an der Klinik für Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Düsseldorf und Leiter des Klinischen Studienzentrums am Deutschen Diabetes Zentrum (DDZ) Düsseldorf, in einer kürzlich veröffentlichten Mitteilung.

So sei die Komplikationsrate bei Menschen mit Diabetes Typ 2 bereits zum Zeitpunkt der Erstdiagnose sehr hoch: Rund ein Drittel weise dann bereits Diabetes-typische Schädigungen auf. Das deute nicht nur darauf hin, dass die Diagnose Typ-2-Diabetes häufig zu spät gestellt werde, es zeige auch, dass die gesundheitlichen Folgen des sogenannten Prädiabetes bislang unterschätzt würden. "Viele Patienten verharren lange in diesem Vorläuferstadium des Typ-2-Diabetes“, wird der Diabetologe in der Veröffentlichung zitiert. Der Mediziner will deshalb zusammen mit seinen Kollegen eine genauere Kategorisierung der verschiedenen Diabetes-Subtypen bei der Diagnose vorantreiben, um Diabetes-Patienten künftig noch besser behandeln zu können.

Weltdiabetestag auch in diesem Jahr wieder online

Wie schon in den vergangenen Jahren findet der Weltdiabetestag auch dieses Jahr wieder virtuell statt. Obwohl der Weltdiabetestag eigentlich erst am 14. November 2022 - dem Geburtstag des Insulin-Entdeckers Frederick Banting - ist, startet das Programm dazu schon am Sonntag, den 13. November 2022. Interessierte können über einen Link auf der Webseite des Weltdiabetestages daran teilnehmen und weitere Informationen rund um das Thema Diabetes finden.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!

Disclaimer: Am 18.11.2022 haben wir den dritten Absatz des Artikels geändert. Dort stand: "Zwei wesentliche Faktoren für die Zunahme der Krankheitsfälle sind Bewegungsmangel und Übergewicht. So hat auch die Corona-Pandemie mit ihren Lockdowns insbesondere bei Kindern zu einem Anstieg der Diabetes-Fälle geführt." Die Ursachen für den Inzidenzanstieg für Typ-1-Diabetes bei Kindern im Sommer 2020 sind jedoch laut des Deutschen Gesundheitsbericht Diabetes 2023 unklar. Bewegungsmangel und Übergewicht nennt der Bericht nicht als mögliche Ursachen (siehe oben im Abschnitt "Corona-Pandemie: Mehr Diabetes-Erkrankungen nach Lockdowns").