Elefanten berühren einen toten Artgenossen.
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Können Elefanten trauern?

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Wie Elefanten mit ihren Toten umgehen

Nicht nur Menschen, sondern auch Tiere zeigen ein besonderes Verhalten ihren Toten gegenüber. Doch trauern Tiere auch? Bislang gibt es dazu nur wenige wissenschaftliche Studien. Wie Elefanten mit ihren Toten umgehen, zeigt jetzt eine neue Studie.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Die Elefanten wiegen sich sanft hin und her. Ihre Rüssel streichen zart über den leblosen Körper des Artgenossen am Boden. Manchmal stupst ein Rüssel den Toten aufmunternd an. Immer wieder berichten Wildhüter von solchen Situationen.

Die Verhaltensbiologen George Wittemeyer von der Colorado State University und Shifra Goldenberg vom Smithsonian Institute in Washington, USA, versuchen schon länger herauszufinden, wie Elefanten mit ihren Toten umgehen.

"Elefanten sind absolut fasziniert, wenn sie den Leichnam eines anderen Elefanten entdecken. Der kann eben gestorben sein oder schon lange tot. Selbst jahrzehntealte Knochen finden Elefanten interessant und gehen auf eine sehr eigene Art damit um." Verhaltensbiologe Dr. George Wittemeyer, Colorado State University

Totenritual der Elefanten

Um mehr über dieses Verhalten herauszufinden, haben die beiden 32 frühere Berichte über afrikanische Elefanten in freier Wildbahn ausgewertet. Die haben sie mit eigenen Beobachtungen im Samburu-Nationalpark in Kenia verglichen.

"Sie betasten den Toten oft mit dem Rüssel, das kann sehr sanft sein oder fast schon grob. Einzelne Knochen werden aus dem Skelett gezogen. Häufig heben sie auch ein Bein und lassen das über dem Toten schweben. Das sieht ein bisschen wie beim Reiki aus. Und: Das ist ein Verhalten, das wir sonst nie bei Elefanten beobachtet haben." Verhaltensbiologe Dr. George Wittemeyer, Colorado State University

Doch das restliche Verhalten ist bei Elefanten bekannt - so sie sich nämlich im Alltag, ganz egal, ob sie enge Verwandte sind oder entfernte Bekannte. Sie betasten sich mit dem Rüssel und riechen aneinander.

Elefanten sind sehr soziale Tiere

Die Tiere sind auch dafür bekannt, dass sie ein großes Netz an Sozialkontakten pflegen und so auch Familienmitglieder wie Tante, Onkel oder Cousin regelmäßig besuchen. Es gibt auch Elefantenfreundschaften, die sogar längere Abwesenheiten aushalten. Für die Elefanten sind diese Sozialkontakte überlebenswichtig. Doch was bedeutet es, wenn Elefanten ihre toten Artgenossen genauso berühren, wie sonst eine Tante oder einen guten Freund?

"Puls fühlen oder andere medizinische Diagnostik, wie wir das machen, steht den Tieren ja normalerweise nicht zur Verfügung. Das heißt Beobachtungen, bei denen die Tiere ihren Artgenossen versuchen aufzuheben, anzuschubsen, könnte man auch so interpretieren, dass sie überprüfen: Ist das Tier wirklich tot? Weil Elefanten liegen auf der Seite, wenn sie tot sind und sie liegen auf der Seite, wenn sie schlafen. Und wenn Artgenossen krank sind und es geht ihnen vielleicht nicht gut, dann liegen die da vielleicht auch mit geschlossenen Augen da." Prof. Heribert Hofer, Direktor des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung, FU Berlin

Ist das Verhalten der Elefanten dasselbe wie Trauer?

Dennoch ist erstaunlich, wie lange die Elefanten mit ihren Toten in Kontakt bleiben: Stunden kann das dauern, mitunter sogar Tage. So lange dauert es nicht, um zu überprüfen, ob ein Elefant schläft oder tot ist. Die naheliegende Frage also: Trauern die Elefanten?

"Vor dem Hintergrund, wie komplex ihre soziale Situation ist, traue ich ihnen das zu. Wenn sie mich aber fragen: Wie kann ich das zuverlässig messen oder feststellen, da beginnen die Probleme. Wir müssen aus ihrem Verhalten auf ihren emotionalen Zustand schließen und das ist eine sehr schwierige Sache, deswegen müssen wir da sehr vorsichtig sein." Prof. Heribert Hofer, Direktor des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung, FU Berlin

Drüsensekret könnte Zeichen von Trauer sein

Es gibt Versuche, das Verhalten der Tiere mittels Hirnforschung zu erklären. Doch die Ergebnisse blieben vage, sagt George Wittemeyer. Er schlägt einen anderen Ansatz vor: Elefanten haben Drüsen zwischen Auge und Ohr. Diese Schläfendrüsen sondern in bestimmten Situationen eine Flüssigkeit ab. In der Brunstzeit, aber auch generell in sozial komplexen Situationen.

"Bei Begrüßungen etwa, wenn sie den anderen lange nicht gesehen haben, gibt das ein großes Hallo. Sie kommunizieren mit Lauten, rubbeln sich gegenseitig ab, und sie geben diese Flüssigkeit ab. Wir sehen das aber auch, wenn sie unter Stress geraten. Wenn ein akutes Risiko für das Tier oder die Familie besteht. Und wir haben das oft gesehen, wenn sie ihre Toten betasten, vor allem solche, die sie gekannt haben. Aber wir wissen nicht: Ist das positiv, negativ, Stress oder eine andere Erregung: Trauer zum Beispiel." Verhaltensbiologe Dr. George Wittemeyer, Colorado State University

Nun wollen die Verhaltensbiologen aufschlüsseln, wie zum Beispiel die Hormone in diesem Sekret konzentriert sind.

Ob Elefantentrauer schwer zu beweisen

Das vorläufige Fazit: Elefanten haben spezielle Rituale, der Kontakt mit toten Artgenossen erregt sie oder bewegt sie. Doch ob es das ist, was wir Menschen als Trauer erleben, das weiß man nicht so genau. Dazu müsste man sich mit ihnen unterhalten. Heribert Hofer weist darauf hin, dass auch bei Menschen nicht immer sofort klar ist, ob sie trauern, da das individuell sehr unterschiedlich sein kann. Manche ziehen sich zurück, andere empfinden dabei Wut oder weinen. Erst im Gespräch wird deutlich: Hier trauert jemand.

Klar ist aber auch: Elefanten zeigen, wie viele andere Säugetiere, z.B. Orang-Utans, Hunde, Katzen oder Delfine und Wale Emotionen.