Der Klimawandel wirkt sich bei manchen Menschen auch negativ auf die Psyche aus. Im Bild: An einem Stromverteiler steht der "Früher war ich fröhlich, heute denk ich nur ans Klima!".
Bildrechte: picture alliance/dpa | Patrick Pleul

Der Klimawandel schlägt manchen Menschen auf die Psyche, das belegen sogar Studien.

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Wie sich der Klimawandel auf unsere Psyche auswirkt

Hitze, Dürre, Überflutungen - die Natur leidet unter den Folgen des Klimawandels. Und auch wir leiden darunter. Nicht nur körperlich. Auch psychisch. Welche seelischen Probleme auftreten können und was Betroffene und Politiker dagegen tun können.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Die Welt am Abend am .

Hitzewellen, Dürreperioden, Überschwemmungen – all das sind Folgen des Klimawandels, die auch Folgen auf unsere Psyche haben können. Laut Andreas Meyer-Lindenberg, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), sind diese Auswirkungen auf unsere Psyche sogar messbar.

Mit jedem Grad, das die Durchschnittstemperatur ansteigt, steige auch das "Ausmaß an psychischen Störungen an", und zwar um etwa 0,9 Prozent, sagt er im BR-Interview. Bei 80 Millionen Bundesbürgern sei das schon eine ganze Menge, so Meyer-Lindenberg, "wenn man sich überlegt, dass wir jetzt schon deutlich mehr als ein Grad über dem langjährigen Mittel der Temperaturen sind."

Dass der Klimawandel Auswirkungen auf unsere Psyche haben kann, hat auch eine kürzlich im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichte Umfrage ergeben: 71 Prozent von 573 befragten Psychotherapeuten gaben dort an, dass ihre Patienten Sorgen bezüglich der Klimakrise äußerten. Und 41 Prozent dieser Therapeuten hatten mindestens einen Patienten, der die Behandlung aufgrund von Klimaangst, veränderter Gefühlslage und Depressionen begonnen hat.

Psychische Störungen, die aufgrund des Klimawandels auftreten können

Insbesondere Depressionen, Angst- und Traumafolgestörungen stiegen aufgrund der durch den Klimawandel immer häufiger werdenden Extremwettereignisse und Naturkatastrophen an, heißt es in einem Positionspapier (externer Link) zum Thema "Klimawandel und psychische Gesundheit", das die DGPPN bereits im Jahr 2023 veröffentlicht hat. Auch Aufmerksamkeitsstörungen wie die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), eine Beeinträchtigung der Gedächtnis- und Rechenleistung sowie Schizophrenie können laut dem Papier Folgen der Luftverschmutzung und dem damit einhergehenden Klimawandel sein.

Traumata nach Naturkatastrophen können auch später auftreten

Traumafolgestörungen wie die sogenannte posttraumatische Belastungsstörung können auch erst lange nach Naturkatastrophen auftreten, weiß der Psychiater Meyer-Lindenberg. So seien etwa nach dem im Jahr 2005 an der US-amerikanischen Golfküste wütenden Hurrikan Katrina auch "ein Jahr später immer noch mehr als ein Drittel der Bevölkerung mit einer posttraumatischen Belastungsstörung diagnostizierbar" gewesen. Und "auch lange danach" gab es immer noch "einen Anstieg von Angststörungen und auch von Suchterkrankungen", so Meyer-Lindenberg.

Klimawandel und Hitze: Wie sich hohe Temperaturen auf die Psyche auswirken

Die Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Psyche können aber auch viel banaler sein. Bei Hitze zum Beispiel, die aufgrund des Klimawandels immer häufiger auftritt, reagierten wir Menschen oft aggressiver - aber nicht nur wir. Es gebe Studien, die zeigten: Bei Hitze werde im Straßenverkehr mehr gehupt, Hunde bissen mehr, aggressive Kommentare auf Social-Media-Plattformen nähmen zu, sagt Meyer-Lindenberg. Besonders ohnehin schon psychisch kranke Menschen sind bei Hitze auch physisch gefährdet. Bei ihnen verdreifache sich laut Meyer-Lindenberg die Sterblichkeit bei Hitzewellen.

Abgrenzung: Klimaangst - was ist noch "normal", was krankhaft?

Der Klimawandel macht vielen Menschen Angst. Das sei durchaus normal, sagt Meyer-Lindenberg. Krankhaft ist das erst, wenn die Angst so groß ist, dass der Alltag nicht mehr bewältigt werden kann. Dann handelt es sich laut Melanie Winkler, Oberärztin am Medical Park Chiemseeblick in Bernau und Fachärztin für psychosomatische Medizin und Psychotherapie, um eine Angststörung.

Um seine Angst richtig einzuordnen und zu lernen, mit ihr umzugehen, rät die Ärztin dazu, "einen Realitätscheck zu machen". Das heißt, zu prüfen: "Was von der Angst ist real und tatsächlich begründbar - und was ist übersteigert". Unser Gehirn sei schließlich "änderbar". Und so könnten wir das "im positiven Sinne" beeinflussen, "um Dinge besser bewältigen zu können, die auf uns zukommen", erklärt die Medizinerin. Für diese Steigerung der sogenannten Resilienz, also der Widerstandsfähigkeit gegenüber sich verändernden Herausforderungen wie dem Klimawandel, gebe es in der Psychotherapie verschiedene Methoden, betont sie.

Was gegen die Klimaangst hilft

Gegen Klimaangst könne eigenes Engagement gegen den Klimawandel helfen sowie andere dazu zu animieren, auch etwas gegen die Klimakrise zu tun, sagt dazu Meyer Lindenberg.

Politikern rät die Ärztin Melanie Winkler, gerade für junge Leute klar zu kommunizieren. "Dass wirklich ankommt, ja, es wird gehandelt, wir können weiterleben. Und wir können weiter hier auf dem Planeten mit unseren Ressourcen haushalten". Das verschaffe Sicherheit, wenn gesehen werde, "da wird gehandelt und nicht nur gesprochen", sagt die Fachärztin für psychosomatische Medizin und Psychotherapie.

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