Nach dem tödlichen Messerangriff von Mannheim will Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) "möglichst schnell" Klarheit darüber, ob schwere Straftäter mit afghanischem Pass abgeschoben werden können. Sie lasse das "seit mehreren Monaten intensiv prüfen", sagte Faeser am Dienstag in Berlin. Sie wolle, "dass Personen, die eine potenzielle Gefahr für die Sicherheit Deutschlands sind, schnell abgeschoben werden müssen", so Faeser weiter. Dies sei aber "nicht banal" bei der Umsetzung und müsse auch "gerichtsfest" sein.
Bei der Entscheidung würden die Sicherheitsinteressen Deutschlands "eindeutig" das Bleibeinteresse von Betroffenen überwiegen. Faeser verwies allerdings darauf, dass in dem Mannheimer Fall der mutmaßliche Täter auch nicht "vollziehbar ausreisepflichtig" gewesen sei.
Grüne warnen vor Abschiebung und Deals mit Taliban
Widerstand gibt es in der Koalition weiter bei den Grünen. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock etwa äußerte sich zurückhaltend. "Natürlich haben wir ein Interesse, dass Täter, die massive Straftaten begangen haben, beschleunigt zurückgeführt werden", erklärte die Grünen-Politikerin am Dienstag in Berlin. Aber: "Wie will man mit einem islamistischen Terrorregime zusammenarbeiten, mit dem wir gar keine Beziehungen haben?", fragte Baerbock mit Blick auf die in Afghanistan herrschenden radikal-islamischen Taliban.
Eine Abschiebung nach Afghanistan sei zudem schon logistisch ein Problem, betonte Baerbock. "Wie unsere europäischen Partner haben wir keine Botschaft vor Ort, die die Rückführungen begleiten könnte."
Grünen-Chef Omid Nouripour warnte ebenfalls. "Ein Rückführungsabkommen mit Afghanistan würde bedeuten, dass man dafür einen Preis zahlt", sagte er in Berlin. Dies zeigten die Deals der vergangenen Jahre. Den Taliban Geld zu zahlen "wäre eine Stärkung der islamistischen Szene und das ist keine Lösung", betonte Nouripour.
FDP: "Worten müssen Taten folgen"
Der frühere Bundesinnenminister Horst Seehofer von der CSU hatte Abschiebungen nach Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 ausgesetzt. Aus der Union und AfD, aber auch aus SPD und FDP waren nach dem Messerangriff von Mannheim Forderungen nach einer Wiederaufnahme von Abschiebungen nach Afghanistan gekommen. "Es darf nicht bei Beileidsbekundungen bleiben", sagte etwa FDP-Fraktionschef Christian Dürr. "Worten müssen Taten folgen." Wer in Deutschland islamistisch auffällig geworden sei, müsse "auch in Länder wie Afghanistan in Zukunft abgeschoben werden können."
Es müssten Wege gefunden werden, ausreisepflichtige Menschen nach Afghanistan und Syrien abzuschieben, forderte auch Unionsfraktionschef Friedrich Merz. Er biete "allen demokratischen Parteien" eine Zusammenarbeit bei diesem Thema an.
Bei der Tat in Mannheim hatte ein 25-Jähriger aus Afghanistan am Freitag Mitglieder der islamkritischen Bürgerbewegung "Pax Europa" mit einem Messer angegriffen. Ein Polizist wurde dabei schwer verletzt und starb am Sonntag. Der mutmaßliche Täter lebte seit 2014 in Deutschland. Medienberichten zufolge war sein Asylgesuch damals abgelehnt worden. Er bekam aber später eine befristete Aufenthaltsgenehmigung. Inzwischen hat die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen. Das bestätigte eine Behördensprecherin dem SWR. Grund dafür sei die besondere Bedeutung des Falls. Zudem hätten die Ermittler den Eindruck, dass der mutmaßliche Täter den Angriff aus "religiösen Gründen" begangen habe.
Mit Informationen von Reuters und AFP.
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