Kinder, die noch nicht zur Schule gehen und keine Krankheitssymptome haben, müssen in Bayern kein negatives Testergebnis vorweisen, um Kindergarten oder Kinderkrippe zu besuchen. Familienministerin Carolina Trautner hat die Eltern aber darum gebeten, das Angebot anzunehmen und die Kinder daheim zu testen.
Sinnhaftigkeit von Antigen-Schnelltests bei Kindern umstritten
In den vergangenen Wochen sind die Infektionszahlen stark gesunken. Daher stellt sich die Frage, ob die Antigen-Schnelltests momentan tatsächlich ein wirksames Mittel gegen die Pandemie sind. Tests geben den Kindern in einer Gruppe oder Klasse Sicherheit, sagt der Würzburger Infektiologe Professor Johannes Liese, aber auch den Betreuenden und Eltern.
"In der jetzigen Phase halte ich das Testen für sinnvoll. Es ist die einzige Möglichkeit, die wir haben, Sicherheit über das Infektionsgeschehen in den Gruppen, die wir testen, zu bekommen. Auch wenn der Aufwand hoch ist – wir sind noch nicht in der Phase, in der wir sagen können, es ist alles gut und wir lassen das alles jetzt so laufen." Johannes Liese, Leiter des Bereichs pädiatrische Infektiologie und Immunologie, Universitätsklinikum Würzburg
Tests sind fehleranfällig
Solange noch nicht alle Menschen geimpft sind, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung haben, und beim jetzigen Stand der Neuinfektionen hält Liese testen für besser als nicht testen. Dafür nimmt er auch die Fehleranfälligkeit der Tests in Kauf. Sein Münchner Kollege Professor Johannes Hübner sieht das anders. Er hält das Testen an den Schulen und jetzt auch von Kindergartenkindern für nutzlos, erst recht bei so wenigen Neu-Infektionen wie im Moment. Das Problem seien vor allem gesunde Kinder, die fälschlicherweise ein positives Testergebnis bekommen.
"Wenn die Inzidenz niedrig ist und Sie haben nur ein oder zwei positive Kinder in diesem Zeitraum, dann haben Sie natürlich viel mehr falsch-positive dabei als welche, die wirklich infektiös sind. Je niedriger die Inzidenz, desto stärker schlagen die falsch-positiven zu Buche." Johannes Hübner, Leiter der Abteilung Infektiologie, Dr. von Haunersches Kinderspital, Kinderklinik und Kinderpoliklinik der Universität München
Falsches Gefühl von Sicherheit bei Testversagen
Burkhard Rodeck von der Deutschen Gesellschaft für Kinder und Jugendmedizin rechnet dies vor: Bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 50 sind unter 10.000 Menschen im Durchschnitt fünf infiziert. Schnelltests erkennen allerdings nicht alle Infizierten: Bei etwa einem Fünftel versagen sie. Würden also alle 10.000 Menschen getestet, käme man auf vier richtig-positive Testergebnisse und ein falsch-negatives Testergebnis. Auf der anderen Seite liefern Schnelltests bis zu zwei Prozent falsch-positive Ergebnisse. Deren Zahl würde die Zahl der richtig-positiven Ergebnisse um ein Vielfaches übersteigen.
"Wenn wir das zusammenzählen, habe ich also bei diesen 10.000 Untersuchten 204 positive Testergebnisse. Nur vier davon sind tatsächlich infiziert. Da fragt man sich schon: Ist das sinnvoll, eine solche Flächentestung weiter einzufordern?" Burkhard Rodeck, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder und Jugendmedizin
Falsch-negative Testergebnisse können zudem ein falsches Gefühl von Sicherheit erzeugen.
"Die Tests haben eine Sensitivität von 70 bis 80 Prozent. Das heißt, 20 von 100 Kindern können positiv sein, obwohl sie negativ getestet sind." Johannes Hübner, Leiter der Abteilung Infektiologie, Dr. von Haunersches Kinderspital, Kinderklinik und Kinderpoliklinik der Universität München
Pool-Tests: Bei positivem Ergebnis wird einzeln nachgetestet
Eine Alternative zu Antigen-Selbsttests wären für Rodeck sogenannte PCR-Pool-Tests. Diese könnte man punktuell dort einsetzen, wo sich ein größerer Ausbruch zeigt. Bei Pool-Tests werden alle Proben aus einer Gruppe oder Klasse gemeinsam getestet. Ein negatives Testergebnis gilt dann für alle. Bei einem positiven Ergebnis müssen allerdings alle einzeln nochmals getestet werden.
Aktuell kommt es für den Kinderinfektiologen Liese nicht infrage, ab sofort gar nicht mehr an Schulen und Kitas zu testen. Möglich wäre aber vielleicht etwas weniger.
"Man kann natürlich überlegen, ob diese Frequenz bei niedriger Inzidenz notwendig ist. Aber ich würde nicht von einer häufigen Testung auf null gehen, sondern würde die Testintervalle verlängern. Dann habe ich nicht mehr den hohen Aufwand, aber trotzdem noch einen guten Spiegel, wie sich das Infektionsgeschehen darstellt." Johannes Liese, Leiter des Bereichs pädiatrische Infektiologie und Immunologie, Universitätsklinikum Würzburg
- Zum Artikel: Auf dem Prüfstand: Wie sinnvoll sind Schnelltests für Kinder
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