Die jüngsten Statistiken des Bundesinstituts für Risikobewertung zu Versuchstieren aus den Bundesländern zeigen für 2022: In Deutschland wurden insgesamt 1,73 Millionen Wirbeltiere und Kopffüßer, also zum Beispiel Tintenfische, für Tierversuche verwendet. Bayern weist dabei im Ländervergleich die höchste Zahl auf. Hinzu kommen circa 700.000 Tiere, die zu Forschungszwecken getötet wurden, um Organe oder Gewebe zu gewinnen.
Insgesamt zeigt ein Blick auf die Entwicklung der vergangenen Jahre: Die Anzahl der für wissenschaftliche Zwecke eingesetzten Versuchstiere hat tendenziell abgenommen, von 2021 auf 2022 um 2,6 Prozent. Die Zahl sank das dritte Jahr in Folge. Allerdings stieg im Vergleich zu 2021 die Zahl der Tiere, die für wissenschaftliche Zwecke getötet wurden.
Mehr als drei Viertel der insgesamt verwendeten Tiere sind Mäuse, darauf folgen Fische, Ratten und Kaninchen. Ebenfalls eingesetzt wurden Hunde, Katzen und 2.267 Primaten. Menschenaffen sind von diesen Tests ausgenommen, da Versuche an ihnen verboten sind.
Abwärtstrend bei Tierversuchen: Die Entwicklung der letzten Jahre
Roman Stilling von der Informationsinitiative "Tierversuche verstehen" betont, dass der Rückgang nicht unbedingt bedeute, dass man in Deutschland dabei sei, gänzlich auf Tierversuche zu verzichten: "Man sieht durchaus unterschiedliche Entwicklungen. Also im Bereich der Grundlagenforschung, da sehen wir eigentlich, dass es in den vergangenen Jahren angestiegen ist. Bei dem großen anderen Bereich, das Testen von Medikamenten und Chemikalien auf Sicherheit, das ist etwas, was seit Jahrzehnten, auch in den letzten Jahren immer abgenommen hat."
Wirkstofftests mit Zellkulturen statt mit Tieren
Laut Stilling lässt sich die Abnahme von Tierversuchen bei Chemikalien- und Wirkstofftests durch den Einsatz von Alternativmethoden erklären. Diese Tests sind in der Regel hoch standardisiert, wobei es um die gleichbleibenden Messgrößen wie die Verteilung eines Wirkstoffs im Körper, dessen Verträglichkeit und die maximal tolerierbare Dosis geht. Solche Parameter können zunehmend mit Zellkulturen oder wachsenden Miniorganen erfasst werden, die spezifische menschliche Organfunktionen reproduzieren, sagt Stilling. Auch Computermodelle seien hier eine Möglichkeit.
Tests besonders belastend für Tiere
Die neue Statistik zeigt auch, dass Tierversuche gerade im Bereich des Testens häufig belastender für die Tiere sind als in der Grundlagenforschung. Deshalb ist es besonders sinnvoll, hier Alternativen einzusetzen. Nur ist das nicht so einfach, denn rechtliche Anforderungen für die Medikamentenentwicklung schreiben in Europa vor, dass Wirkstoffe zuerst an Tieren getestet werden müssen, bevor klinische Studien am Menschen stattfinden können. Eine Regelung, die zumindest in Amerika seit vergangenem Jahr nicht mehr gilt.
Gaby Neumann vom Verein "Ärzte gegen Tierversuche" übt Kritik: Sie hält eine Änderung dieser Vorschrift auch in Europa für längst überfällig, insbesondere da solche Experimente oft wenig aussagekräftig seien. "Es gibt gravierende Unterschiede zwischen Mensch und Tier. Deswegen lassen sich die Ergebnisse aus Tierversuchen auch nicht auf den Menschen übertragen." Laut Neumann versagen mehr als 90 Prozent der Medikamente, die in Tierversuchen als sicher und wirksam eingestuft werden, anschließend in den klinischen Tests am Menschen.
Bayern im Ländervergleich
Warum 2022 in Bayern die meisten Tiere für Tierversuche genutzt wurden, lässt sich nach Angaben von Stilling folgendermaßen erklären: Bayern sei ein großes Bundesland mit vielen Universitäten und Forschungseinrichtungen. "Wenn man das auf die Einwohnerzahlen umbricht, ist Bayern gar nicht so besonders, sondern liegt im oberen Mittelfeld."
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