Die Marco-e-Rosa-Hütte in der Bernina Wo der Hüttenwirt mit Wolken und Wölfen tanzt
Die Marco-e-Rosa-Hütte in der Bernina-Gruppe des Oberengadin ist weniger bekannt als die Boval-Hütte oder die Tschiervahütte, und das liegt an ihrer Erreichbarkeit. In 3600 Metern Höhe thront sie als echtes Wolkenhaus über den Gletschern. Ohne Seilbahnnähe ist sie zudem kein Ziel für Tageswanderer.
Als die Schweizer 1911 von den Absichten der Italiener hörten, eine Schutzhütte zu bauen, wollten sie zuvorkommen.
Schließlich ging es um einen Platz direkt am Piz Bernina, dem König der Ostalpen, scharf an der Ländergrenze, von der die Bernina-Gruppe durchzogen wird. Wie sich dann jedoch herausstellte lag der einzige sichere Baugrund auf der italienischen Seite. Das Material wurde aber von den Schweizern geliefert. So waren am Ende doch beide Seiten zum Zug gekommen. Heute wird eine neuere, größere Hütte den modernen Anforderungen der Gäste gerecht.
Nach zehneinhalb Hochtouren-Stunden über den Biancograt und Piz Bernina ist die Marco-e-Rosa-Hütte fast erreicht – da stehen wir vor einem ausgewachsenen Wolf, auf 3600 Metern, Auge in Auge. Kaum dass er uns erblickt, nähert er sich neugierig, reibt sein wunderschönes grauweißes Fell an unseren Beinen und lässt sich wohlig kraulen. Hüttenwirt Giancarlo erklärt uns dann, dass sie hier in der Valmalenco vor 15 Jahren begonnen haben, Wölfe aus der Slowakei aufzunehmen. Einige Wölfe streifen unten im Tal umher, einer aber hat sich in die Höhe gewagt. Er heißt Cuma, ist drei Monate hier oben im Schnee, verhält sich ruhig und artig und gehört zur Hütte wie der Biancograt zum Piz Bernina. Giancarlo – 59 Jahre alt, Stirnband, graubärtig und von kräftiger Statur – ist somit der Hüttenwirt, der mit dem Wolf lebt. Viele nennen ihn auch „Il Bandito“ – also den Hüttenwirt, nicht den Wolf. Kein Wunder bei seinem Vorleben als Skilehrer und Steilwand-Extremskifahrer, der auch die Nordseite des Monte Disgrazia befahren hat.
Giancarlo - Früher Experte für Extrem-Skiabfahrten, heute Experte als Hüttenwirt auch bei extremen Verhältnissen
Früher hat Giancarlo seine Höllenabfahrten gemacht, um schnell wieder vom Berg zu kommen, jetzt bleibt er seit 20 Jahren wochenlang oben am Berg. Zur Begrüßung auf der Marco-e-Rosa-Hütte gibt er einen Sekt aus. Die Pasta, die er im Gastraum mit dem hellen Holz auf den gelben Tischplatten serviert, ist all’ arrabiata und bemerkenswert al dente, was keineswegs einfach ist bei dem Luftdruck in dieser Höhe, der das Wasser früher zum Kochen bringt bei niedrigerer Temperatur. Doch Giancarlo will den Gästen sein Bestes geben. 50 Plätze bietet die neue Hütte, dazu gibt es noch 32 Plätze in der vor 103 Jahren erbauten alten Hütte, in der alles renoviert und wärmegedämmt wurde. ist.
Die alte Hütte, einige Schritte unterhalb gelegen, hatte der reiche Mailänder Marco de Marchi 1913 nach einer Bernina-Besteigung errichten lassen, bei der er mit seinem Führer in ein heftiges Unwetter geraten war. Benannt nach ihm und seiner Frau Rosa, bot die spartanische Unterkunft nur einige Schlafplätze ohne Kochgelegenheit, aber einen sicheren Unterschlupf. Auf einem 300 Meter hohen Felsabbruch trotzt sie jedem Wetter. Der Standort bietet nicht nur ein ausgesuchtes Panorama, sondern erweist sich vor allem auch als günstiger Ausgangspunkt gerade für den Piz Bernina, über dessen Spallagrat es nur noch 450 Höhenmeter zum Gipfel sind.
Mitte der 1960er Jahre wurde einige Meter höher die neue und größere Marco-e-Rosa-Hütte Hütte erbaut. Auch sie ist zeitgemäß renoviert und bietet sogar die höchstgelegene satellitengestützte Internet-Verbindung der Lombardei. Ein Drittel oder Viertel der Gäste sind Italiener, sagt Giancarlo, die übrigen kommen aus der Schweiz und Deutschland. In der Regel kommen die Alpinisten aus der Valmalenco über den gesicherten Klettersteig herauf oder von Schweizer Seite ab der Diavolezza-Bergstation über den Fortezzagrat und die Bellavista-Terrasse. Die Hütte ist von Juli bis September offen, im Frühjahr sind aber auch Skitourengeher willkommen – vorausgesetzt, die Verhältnisse verhindern das nicht wie in der letzten Saison. Bei anhaltend schlechtem Wetter fällt auch die Versorgung durch die Solarzellen aus. Dann gibt es weder Strom noch Telefon und man ist hier oben sozusagen aus der Welt gefallen – irgendwo in und zwischen den Wolken.
Interaktive Karte - es werden keine Daten von Google Maps geladen.
Karte: Die Marco-e-Rosa-Hütte