Pamina Füting ist 29 Jahre alt. Sie ist sportlich, geht gerne wandern und klettern und unternimmt Abenteuerurlaube. Doch vor zehn Monaten hat sich ihr Leben dramatisch verändert. Ihre Tage bestehen nun aus Arztterminen und Krankschreibungen. Und das Schlimmste daran ist: Keiner nimmt sie ernst.
Was ist passiert? So genau kann das niemand sagen, fest steht aber, dass Pamina seit ihrer dritten Impfdosis gegen das Coronavirus einen starken Leistungsabfall an sich festgestellt hat, erzählt sie im BR-Politikmagazin Kontrovers. "An manchen Tagen kann ich spazieren gehen. An anderen gehe ich zum Supermarkt gegenüber, und das ist schon zu viel. Da wird mir schwindlig, ich krieg Kopfschmerzen, ich habe Sehstörungen und muss mich hinsetzen und ausruhen", so beschreibt die studierte Braumeisterin ihren derzeitigen Alltag.
Mediziner legen sich nicht fest
Schon nach der ersten und zweiten Impfung spürte sie Nebenwirkungen, die aber wieder verschwanden. Kurz nach der dritten Impfung gegen das Coronavirus werden Erschöpfung, Schwindel, Kopfschmerzen und das Herzrasen richtig schlimm: "Für mich ist es ganz klar, dass es einen Zusammenhang gibt. Wie der aussieht, weiß ich natürlich nicht. Das weiß niemand. Aber die Ärzte sagen, ich hätte Angst vor der Impfung gehabt. Die Ärzte schieben es auf Depressionen." Ob ihre Beschwerden wirklich mit der Impfung zusammenhängen oder vielleicht doch eine Vorerkrankung ursächlich ist? Zu diesen Fragen will sich kein Mediziner festlegen.
"Gefühlt wie in einem Bleianzug"
Mehr als 63 Millionen Menschen wurden inzwischen gegen Corona geimpft. Laut Paul-Ehrlich-Institut gibt es bei 0,02 Prozent der Fälle schwere Nebenwirkungen – ein normaler Wert in Anbetracht der millionenfachen Impfung.
Manche Patienten aber kämpfen mit unklaren Symptomen und Beschwerden, die oft der Impfung nicht eindeutig zugeordnet werden können, so wie auch Florian Hager. Auch sein Fall ist ähnlich unklar: Er erkrankt zunächst am Pfeifferschen-Drüsenfieber, zwei Monate später erhält er eine Booster-Impfung – und plötzlich ist bei der Konstitution des 33-Jährigen nichts mehr, wie es vorher war: "Ich habe mich teilweise gefühlt wie in einem Bleianzug mit einem Kübel über dem Kopf. Völlig erschöpft." Am Ende kommt auch noch eine Corona-Infektion dazu.
Impf-Zusammenhang nicht nachweisbar
Für Florian beginnt eine Odyssee von Arzt zu Arzt. Auch bei ihm gehen die Mediziner zunächst von psycho-somatischen Ursachen oder einer Depression aus. Sobald er einen möglichen Zusammenhang mit der Corona-Impfung anspricht, zucken die Ärzte zurück, so sein Eindruck. "Man steht alleine da. Als ob man sich das alles eingeredet hätte. Als ob man einen an der Waffel hat. Man fühlt sich hilflos und alleingelassen."
Doch ein kausaler Zusammenhang mit der Impfung ist auch bei ihm nicht nachweisbar. Florian Hager war früher viel unterwegs, auf Reisen, stand aktiv im Leben. Er hat im Einzelhandel gearbeitet. Ein Leben, das er vielleicht nie wieder zurückbekommt. Seit vier Monaten ist er nun krankgeschrieben.
"Wir brauchen klare Aufklärung"
Bernhard Schieffer vom Universitätsklinikum Marburg ist einer der wenigen Ärzte in Deutschland, die Sprechstunden für Patientinnen und Patienten wie Pamina und Florian anbieten. Mittlerweile stehen 2.000 Personen auf seiner Warteliste - oft mit ähnlichen Symptomen wie bei Long-Covid-Patienten. Betroffen seien vor allem sportliche Menschen und junge Frauen.
Wie viele Post-Vakzination-Patienten es gibt, kann niemand seriös sagen. Ein Grund dafür könnte sein, dass das Thema womöglich tabuisiert wird: "Leider wird das in Deutschland im Moment so betrachtet. Ich glaube, wir haben in Deutschland verpasst, dass die Wissenschaftlichkeit die Lufthoheit über dieses Thema hat – das ist in anderen Ländern anders. Wir haben uns zu sehr in Grabenkriege zwischen Impfplicht und Impf-Verweigerern hineinziehen lassen. Aber was wir brauchen, ist doch klare Aufklärung", erklärt der Herz-Spezialist.
Zehn anerkannte Fälle von Impfschäden in Bayern
Zurück zu Florian. Er hat Glück im Unglück, denn er hat nach langer Suche einen Arzt gefunden, der ihn behandelt. Dr. Rainer Nögel hat eine internistische Privatpraxis, die mit chinesischer Medizin und Akupunktur arbeitet. Jeden Termin, jede Behandlung muss Florian hier als Kassenpatient selbst bezahlen. Wie lange er sich das noch leisten kann, ist unklar. Arbeiten kann er auf absehbare Zeit jedenfalls nicht. Doch irgendwann erkennen die Krankenkassen die Krankschreibungen nicht mehr ohne Vorlage eines ausgearbeiteten Therapieplans an.
In Bayern haben bisher etwa 727 Patienten einen Antrag auf Anerkennung eines Impfschadens im Zusammenhang mit Covid-19 gestellt. Mindestens sechs Monate müssen die Beschwerden existieren. Zehn Fälle wurden bisher positiv beschieden.
Viel Forschungsarbeit notwendig
Nach derzeitigem Kenntnisstand sind schwere Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der Corona-Impfung sehr selten und ändern – nach Angeben des Paul-Ehrlich Instituts – nichts am positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis der Impfstoffe. Auch Klinikdirektor Schieffer befürwortet die Impfung ausdrücklich: "Wenn es etwas wäre, was tatsächlich im Impfstoff liegen würde, müsste es ja alle treffen. Tut es aber nicht. Es muss die Frage dahinter beantwortet werden: Warum treten diese Symptome bei diesem jungen Menschen auf? Und warum tritt es bei den hundert anderen nicht auf? Und die Frage ist nicht einfach zu beantworten."
Auch die Zusammenhänge zwischen Paminas und Florians Impfung und ihren Beschwerden können nur umfangreiche Studien beweisen. Florian schlägt viel Ungläubigkeit entgegen: "Es wird einfach ignoriert. Es wird so getan, als ob das Problem nicht da sei. Nach dem Motto: Jetzt warten wir mal ab, was nächstes Jahr ist und dann ergibt sich die Sache vielleicht von allein."
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