Eine Familie sitzt in ihrem vom Hochwasser überfluteten Haus fest, ein Mensch wird vermisst – das sind typische Rettungs-Szenarien, bei denen Hubschrauber eingesetzt werden. Damit im Ernstfall jeder Handgriff sitzt, muss trainiert werden. Momentan übt die Straubinger ADAC-Luftrettung im Bayerischen Wald verschiedene Einsätze: eine Woche lang, noch bis Samstag.
Mehrere Szenarien an einem Tag
Vormittags wird am Breitenauriegel geübt, wie Verunglückte aus Bergnot gerettet werden – von der Absturzsicherung und medizinischen Erstversorgung bis zum Hochziehen des Verunglückten am Seil in den Rettungshubschrauber. Nachmittags wird in und an einem Kiesweiher bei Patersdorf im Landkreis Regen geübt, wie man Menschen per Hubschrauber vor dem Ertrinken retten kann. Bergwacht, Wasserwacht und Hubschrauberbesatzung müssen dabei immer eng zusammenarbeiten.
Immer öfter Wasserrettung aus der Luft
Beim klassischen Badeunfall, also wenn jemand akut zu ertrinken droht, muss man schnell sein. Wenn ein Mensch im Wasser untergeht, "laufen die kritischen drei Minuten", sagt Wolfgang Zisler, Bezirksbeauftragter für die hubschraubergestützte Wasserrettung bei der Wasserwacht Niederbayern-Oberpfalz. Andere Badegäste müssen dann sofort helfen – oder Wasserwachtler, die am Ufer Aufsicht machen und für die Rettung ins Wasser springen. Da würde es zu lange dauern, erst einen Rettungshubschrauber zu alarmieren.
Aber in anderen Situationen macht er Sinn: "Wenn zum Beispiel jemand im Wasser treibt, sich noch irgendwie halten kann, oder wenn ein Boot gekentert ist und die Person sich noch daran festhalten kann, dann ist ein Hubschrauber sinnvoll. Die Kraft der Person im Wasser wird natürlich weniger. Deshalb zählt da jede Minute."
In der Regel werden Wasserwacht und Hubschrauber in solchen Fällen gemeinsam alarmiert. Der Hubschrauber ist schneller dort, kann eine Person auch aus der Luft verfolgen, wenn sie in einem großen Fluss wie der Donau von der Strömung abgetrieben wird. Per Funk können die Helfer am Boden oder im Boot zur richtigen Stelle dirigiert werden.
Hubschrauber mit geschulten Rettern an Bord
Oft ist aber auch schon ein Notarzt mit im Hubschrauber. Er wird dann aus der Luft schnell zu der Person im Wasser abgeseilt und kann sie mit einer Rettungsschlinge sichern. Der Hubschrauber zieht dann beide am Seil ans Ufer, wo weitere Retter und der Krankenwagen warten.
Die Wasserrettung aus der Luft macht auch Sinn, wenn das Wasserwacht-Boot wegen Treibgut nicht gut an die Person heran kommt. In manchen Fällen wird auch ein speziell geschulter Wasserwachtler abgeseilt, der darin geschult ist, auch mit sehr starker Wasserströmung zurechtzukommen. Er kann sich notfalls auch vom Hubschrauberseil lösen und die Person selbst ans Ufer ziehen, wenn das nötig wird.
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Notarzt im Neopren-Anzug
Als Notarzt eine Wasserrettung zu machen, ist nicht Alltag, muss also regelmäßig trainiert werden. Am Kiesweiher in Patersdorf üben diese Woche Notärzte vom Klinikum Straubing, zum Beispiel Matthias Jacob. Statt im weißen Kittel steckt er im roten wassertauglichen Neopren-Anzug und einer Schwimmweste. Der Notarzt sitzt mit im ADAC-Rettungshubschrauber "Christoph 15", neben ihm der sogenannte Windenoperator. Der bedient die Rettungswinde, mit der der Notarzt in den See zum Opfer abgeseilt wird.
Der Pilot muss an der Unglücksstelle den Rettungshubschrauber exakt in der Luft halten: "Der Pilot hat durch das Bodenblech im Hubschrauber keine Sicht nach unten, kann sich auch nicht aus dem Fenster lehnen. Deshalb ist er auf den Windenbediener angewiesen, der in der offenen Seitentür auf der Kufe steht und direkt am Seil nach unten schaut." Der Windenoperator kann genaue Anweisungen geben, zum Beispiel dem Piloten sagen, dass er zwei Meter vor oder einen Meter nach links fliegen soll. Er hat außerdem den Notarzt im Wasser im Blick.
Notarzt muss körperlich fit sein
Für eine Wasserrettung muss auch ein Notarzt körperlich fit sein. Er hängt zwar sicher am Seil, ist aber unten im Wasser auf sich allein gestellt. Er muss mit dem Wasser, der Gischt, vielleicht auch der Strömung in einem Fluss zurechtkommen. Außerdem wirbelt der Hubschrauber viel Wasser auf. Dieser sogenannte "Downwash" erzeugt einen Wassernebel. "Da kann man zum Teil gar nicht richtig atmen, weil es so eine intensiv feuchte Luft ist", erzählt Notarzt Matthias Jacob. Man muss es im Training erleben, damit es bei einer echten Rettung dann wirklich gut klappt.
Der Notarzt muss die Person im Wasser an sich heranziehen, ihm eine Rettungsschlinge unter den Achseln um Rücken und Brust legen. Dann zieht der Hubschrauber am Seil beide knapp über der Wasseroberfläche an das rettende Ufer. Matthias Jacob hat auf diese Weise tatsächlich schon einmal einen Mann, der in ein Stauwehr gefallen war, vor dem Ertrinken gerettet.
Hubschrauber auch bei Hochwasser-Rettungen
Auch bei Hochwasser sind Rettungen vom Hubschrauber aus seit vielen Jahren üblich. Retter aus Ostbayern halfen zuletzt beim Hochwasser in Schwaben. Sie holten Menschen, deren Häuser überflutet waren, von Hausdächern und Balkonen. Auch aus Bäumen in Hochwassergebieten werden Menschen oft aus der Luft gerettet. Außerdem können Notärzte schnell zu Verletzten in Flutgebieten abgeseilt werden. Beim Passau-Hochwasser 2013 brachten Hubschrauber Taucher und Techniker zum schnellen Reparieren an überflutete Gas- und Wasserleitungen.
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