Als am Samstag der erste Tropfen Regen im Münchner Olympiapark fällt, tönt eine erleichterte Stimme aus dem Stadion: "Rain!" Dicht gefolgt von applaudierenden und schreienden Fans. Dann beginnt Taylor Swift den letzten Song der Show zu spielen: "Karma".
Während Swift ihr Konzert abschließt, bereitet sich Elias Thoma auf seinen Auftritt vor. "Ich stehe zwischen dem Schwimmbad und Olympiahalle", sagt er am Telefon. Der junge Mann, der noch etwas verloren unter dem geschwungenen Glasdach steht, ist Musikstudent aus München. Neben ihm nur ein kleiner Verstärker und sein Geigenkasten, geöffnet und bereit für Spenden.
Geiger macht Swift-"Aftershow-Party"
Seine Geige samt Bogen hält er schon in der Hand, dann drückt er auf dem Handy auf Play und beginnt über den Taylor-Swift-Song "Back to December" zu improvisieren. Die ersten Parkbesucher ziehen vorbei, schauen kurz in seine Richtung, gehen aber weiter. Ab und zu rufen Fans Songzeilen in Elias Richtung oder werfen etwas Geld in den Geigenkasten.
Nach dem letzten Ton von Swifts Ballade haben sich etwa ein Dutzend Fans um ihn versammelt. Elias bekommt ersten verhaltenen Applaus und einzelne "Wooh"-Rufe. Elias führt die Geige zu seinem Mund. Daran hat er ein kleines Mikrofon befestigt, mit dem er das Publikum zu seiner "Aftershow-Party" begrüßt: "Wenn ihr wollt, könnt ihr den Abend hier ausklingen lassen".
Viele nehmen das Angebot von Elias, erschöpft vom Konzert und der Hitze, an. Über die schillernden Röcke und Kleider wurden teils große Hoodies und Jacken gezogen. Das Glitzer-Make-up sitzt auch nicht mehr bei allen auf Augen und Wangen. Das nächste Swift-Cover "Exile" lädt eher zum Entspannen ein.
Weiterfeiern statt Ausklingen-lassen
Eine größere Gruppe Fans setzt sich prompt im Schneidersitz in die erste Reihe und schaukelt langsam im Takt. Die Zuschauer um Elias haben sich fast verdoppelt. Noch ist aber zwischen ihm und den Fans viel Platz, als würde er auf einer Bühne stehen. Beim dritten Swift-Song angekommen, geht Elias mehr auf die Fans zu, bewegt sich in den Zuschauer-Halbkreis, der sich gebildet hat. Kaum jemand, der jetzt vorbeigeht, bleibt nicht zumindest für ein paar Takte stehen.
Noch vor vier Jahren waren Elias' Pop-Cover nur auf Social Media zu finden. Als er sich damit sicher fühlte, dachte er: "Ich könnte das mal auf der Straße ausprobieren!" Das erste Mal nach einem Konzert geigte er Mai 2023 nach der Show von Harry Styles in München. Es folgten zum Beispiel Herbert Grönemeyer oder Olivia Rodrigo.
Der 22-Jährige studiert im Hauptfach Jazzgeige an der Hochschule für Musik und Theater München. Angefangen zu spielen hat er zwar mit klassischer Geige, aber wollte sich nie auf ein Genre festlegen. Ein "Swiftie" sei er nicht, sagt Elias, aber schätzt ihre Songs, weil sie trotz "klassischer Popformel" durch den Gesang "komplex" würden.
Fans trotzen dem Regen
Aus den Tropfen, die eine angenehme Erfrischung waren, wird knapp eine halbe Stunde später strömender Regen und die Rettungsdecken, die Fans tagsüber vor der Hitze schützten, werden zu Regencapes. Dort, wo Elias sich aufgebaut hat, stürzt das Wasser vom Dach herunter.
Bevor er den nächsten Song beginnt, fragt er die Fans kurz, ob sie nach Hause gehen wollen. Sie bleiben und rücken bei stärker werdendem Regen zusammen weiter unters Dach. Der anfängliche Abstand ist nun endgültig gewichen.
Fast zwei Stunden lang spielt Elias nach Swifts Konzert. Zwar wird sein Publikum währenddessen immer kleiner, aber textsicherer. So fällt es fast nicht auf, dass nun weniger Menschen im Publikum stehen. Als Elias seine Geige endgültig absetzt, wird er von ein paar Fans umringt, die noch Freundschaftsbänder mit ihm tauschen wollen, denn neben Geldscheinen und Münzen blitzen auch viele bunte Armbänder aus seinem Geigenkasten hervor.
Zum Nachhören: Taylor Swift in München
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