Betriebsfeiern gehören in vielen Firmen fest zum Arbeitsjahr dazu. Und das schon seit vielen Jahren. Das Bayerische Wirtschaftsarchiv zeigt im Haus der IHK München und Oberbayern alte Fotos von Betriebsfeiern aus bayerischen Betrieben.
Auf dem schwarz-weiß-Foto ist das Schloss Herrenchiemsee nur Kulisse - im Mittelpunkt stehen rund 200 Frauen und eine Handvoll Männer, die sich stolz beim Betriebsausflug der Coburger Mieder- und Bademodenfabrik Escora präsentieren. Der Arbeitgeber ließ für den Betriebsausflug am 5. und 6. Oktober 1956 ordentlich was springen, sagt Harald Müller, stellvertretender Leiter des Bayerischen Wirtschaftsarchivs: Bootsfahrt auf dem Chiemsee, Besichtigung von Herren- und Frauenchiemsee, dann Übernachtung in Prien, am nächsten Tag Fahrt mit dem Bus zum Schliersee und zum Tegernsee - "alles vom Arbeitgeber finanziert", so Müller.
- BR24 Zeitreise: Ferien am Chiemsee 1966
Archiv sammelt Dokumente vom 19. bis 20. Jahrhundert
Seit jeher sind Firmenfeste eine willkommene Abwechslung vom teils eintönigen und beschwerlichen Alltag. Eine spezifische betriebliche Festkultur hat sich im Zuge der Hochindustrialisierung ab Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt. Das gilt auch für bayerische Unternehmen. Das Bayerische Wirtschaftsarchiv verwahrt viele Dokumente dieser Firmen, darunter auch unzählige Aufnahmen ihrer Firmenfeiern. Die Bild- und Schriftdokumente zeigen die betriebliche Festkultur vom 19. Jahrhundert bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts.
Ausstellungsleiter Müller kennt die Dokumente gut. Seiner Einschätzung nach hatten Betriebsausflüge und -feiern damals noch eine sehr viel größere Bedeutung als heute: "Heute ist es kein Problem, da kann ich mich am Freitagnachmittag ins Auto setzen und kann am Freitagabend am Gardasee meine Pizza essen", so Müller. "Das ist Alltag heutzutage, aber das war früher eben nicht so und diesen Ausbruch aus dem Alltag, den hat man wirklich genossen und entsprechend zelebriert."
Betriebsfeiern zur NS-Zeit gut dokumentiert
Das Bayerische Wirtschaftsarchiv stellt die Bilder anlässlich seines 30-jährigen Jubiläums aus. Die Sammlung zeigt zum Beispiel ein Schwarz-Weiß-Foto vom Richtfest des Walchenseekraftwerks 1923 und Aufnahmen von der Lizenz-Vergabe an die Süddeutsche Zeitung, als das Münchner Kindl einem Vertreter der amerikanischen Militärregierung einen Krug Münchner Bier überreicht. Aber auch die Betriebsfeiern während des Nationalsozialismus sind gut dokumentiert.
1929 musste noch der Bischof die Firmenfeier absegnen
In den Aufnahmen und Dokumenten verstecken sich unzählige Details. Zum Beispiel in der Einladung einer Bamberger Malzfabrik zum Jubiläumsessen aus dem Jahr 1929: Zuerst wird das opulente Festessen aufgezählt - Gansleber Parfait, "echte Schildkrötensuppe", Vierländer Stubbnente und eine "Jubiläums-Bombe" - was auch immer sich die Gäste darunter vorstellen sollten. Weil das Fest an einem Freitag stattfinden sollte, hatte der Arbeitgeber in einer kleinen Zeile unter dem Menü dann klargestellt: "Dispens vom Freitagsgebot ist gegeben". Denn: Damals wurde vielerorts noch der Freitag als fleischloser Fastentag geehrt. Der Arbeitgeber war also extra zum Bischof gegangen, um sich eine Ausnahme für seine Freitagsvöllerei einzuholen.
Firmenfeiern sollen Arbeitsmoral und Loyalität steigern
Die Ausstellung beschreibt, warum Betriebsfeiern ein unentbehrliches Element der Unternehmenskultur sind. Früher seien Firmenfeiern vor allem ein bewährtes Mittel gewesen, um den Dank der Geschäftsleitung für die geleistete Arbeit im Unternehmen zum Ausdruck zu bringen, heißt es im Einführungstext der Ausstellung. Die Rechnung der Arbeitgeber damals: Wer sich erkenntlich zeigt, der wird belohnt mit einem effektiven Arbeitsablauf, einer hohen Arbeitsmoral und loyalen Mitarbeitern.
Firmenfeiern im 19. Jahrhundert
Im 19. Jahrhundert standen betriebliche Feiern unter den Vorzeichen der damals herrschenden sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse. Betriebsfeiern sollten aus dem normalen Arbeitsleben ausgliedern, die alltäglichen Sorgen der Beschäftigten vergessen machen und die als normal geltenden Regeln im Betrieb etwas außer Kraft setzen.
Denn der industrielle Arbeitsprozess um 1870 war von Eintönigkeit und Gleichförmigkeit sowie den vielerorts geltenden Zwölf-Stunden-Arbeitstagen geprägt. Und Firmenfeiern boten für die Beschäftigten eine willkommene Abwechslung.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!