Tögings Bürgermeister Tobias Windhorst hat ein Entsorgungsproblem: Die Erde im gesamten Landkreis kann nicht auf die Gruben gefahren werden.
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Tögings Bürgermeister Tobias Windhorst hat ein Entsorgungsproblem: Die Erde im gesamten Landkreis kann nicht auf die Gruben gefahren werden.

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Ärger in Altötting: Wohin mit der PFOA-Erde?

Ärger in Altötting: Wohin mit der PFOA-Erde?

Um Mensch und Natur vor Ewigkeits-Chemikalien zu schützen, hat das Landesamt für Umwelt strenge Leitlinien im Umgang mit belasteter Erde vorgegeben. Im Landkreis Altötting führt das zu Entsorgungsproblemen. Wichtige Bauprojekte sind gefährdet.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau am .

Sei es der Häuslebauer, der seinen Keller aushebt, oder die Gemeinde, die neue Straßen bauen lässt: Wer derzeit im Landkreis Altötting die Erde aufgräbt und wegschaffen will, hat ein Entsorgungsproblem. Denn die Deponien im Landkreis nehmen seit einigen Wochen die Erde nicht mehr an – zumindest nicht ohne eine vorherige Testung auf die sogenannte Ewigkeits-Chemikalie Perfluoroctansäure, kurz PFOA.

Bürgermeister befürchten "faktischen Baustopp"

"Jedem Bürgermeister war sofort klar, was das eigentlich heißt: erstmal faktischer Baustopp", sagt Tobias Windhorst, Bürgermeister in der Stadt Töging am Inn. Denn auf jeder Baustelle entsteht Aushub, also Erde, die übrig bleibt – und die zuvor nur ein paar Kilometer weiter in einer Grube verfüllt werden konnte.

Das geht jetzt nicht mehr so einfach: Nur, wenn ein Test ergeben hat, dass die Erde frei von PFOA ist, kann sie deponiert werden. Genau diesen Test lässt Bürgermeister Windhorst für jeden einzelnen Haufen jetzt durchführen. Doch bis das Ergebnis kommt, dauert es Wochen.

Umweltschutz oder Schildbürgerstreich?

Damit er in der Zwischenzeit in seiner Gemeinde weiter bauen kann, lagert der Bürgermeister die anfallende Baustellenerde auf dem Parkplatz des Volksfestplatzes zwischen. Das ist nämlich dann doch erlaubt. "Warum das in Ordnung sein soll, aber eine Deponierung 500 Meter weiter nicht, konnte mir bisher keiner erklären", sagt er.

Dass die Altöttinger Grubenbetreiber keine Erde mehr aus dem gesamten Landkreis annehmen, liegt an einem Schreiben, das das Landratsamt Altötting vor einigen Wochen versendet hat. Darin informiert es über die vorgegebenen Leitlinien des Bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU) zum Schutz vor den Ewigkeits-Chemikalien PFAS, zu denen auch das PFOA gehört. Darin weist das Landratsamt die Grubenbetreiber darauf hin, dass eine Verfüllung von Bodenmaterial aus dem PFOA-Belastungsgebiet in allen Gruben des Landkreises unzulässig sei.

Tatsächlich ist die Belastung durch die Ewigkeits-Chemikalie in Teilen des Landkreises nachweislich erhöht. Diese Teile hat das Landratsamt deshalb als sogenanntes PFOA-Belastungsgebiet definiert: Rund um den Chemiepark Gendorf, wo jahrelang mit dem Stoff gearbeitet wurde, sind einige Gemeinden betroffen. Umso wichtiger ist der Umweltschutz, denn PFOA ist biologisch nicht abbaubar und wird mit der Entstehung von Krebs in Verbindung gebracht.

"Ewigkeits-Chemikalien sogar schon am Nordpol nachgewiesen"

Tögings Bürgermeister Tobias Windhorst versteht, dass in dem besonders belasteten Gebiet andere Maßnahmen getroffen werden müssten. "Aber dass wir in Töging, wo wir nicht im Belastungsgebiet liegen, auch beweisen müssen, dass keine Belastung vorliegt, erschließt sich mir nicht." Tatsächlich liegt Töging am äußersten Rand des Landkreises.

Der Bürgermeister glaubt nicht, dass die Tests eine besondere Belastung seines Bodens ergeben werden, aber: "Möglicherweise liegen sie auch nicht bei null – denn mittlerweile wurden sogar schon am Nordpol Ewigkeits-Chemikalien nachgewiesen." Denn das Bayerische Landesamt für Umwelt hat genau das festgelegt: Nur bei 0,0 PFOA darf die Erde in die Altöttinger Gruben. Damit ist Bayern strenger als der Bund, der immerhin bis zu 0,1 Mikrogramm PFOA pro Liter Erde als Grenzwert definiert hat.

PFAS-Leitlinien könnten bayernweit zu Entsorgungsproblemen führen

Robert Müller, Sprecher aus dem Landratsamt Altötting, gibt zu: Die ohnehin schon schwierige PFOA-Situation im Landkreis habe sich jetzt nochmal verschärft, "zu unserem Leidwesen". Allerdings müsse das Landratsamt die vorgegebenen Leitlinien des LfU umsetzen. Und er weist darauf hin: "Auch andere Landkreise müssten das streng umsetzen, wenn sie die Problematik in ihrem Landkreis hätten. Warum? Weil die Leitlinien den einheitlichen Vollzug in ganz Bayern sicherstellen wollen." Tatsächlich konnte in zahlreichen Landkreisen Bayerns auch PFOA im Boden nachgewiesen werden. Das Landratsamt sei aber in Kontakt mit den Behörden, damit sich an den Leitlinien etwas ändere. Das bayerische Umweltministerium bestätigt das auf BR-Anfrage, und es verspricht: "Die in Bayern geltenden PFAS-Leitlinien werden aktuell überarbeitet."

Auch Bürgermeister Tobias Windhorst hat schon "gerüchteweise" davon gehört. "Aber solange ich noch nichts schriftlich habe, bleibe ich skeptisch." Der Leitfaden müsse schnell umgearbeitet werden, findet er: "Die Umwelt schützt man so nicht." Stattdessen seien wichtige Bauprojekte im Landkreis gefährdet, wie etwa der Breitband- oder der Fernwärmeausbau.

Im Video: Wohin mit der PFOA-Erde?

Transparent vor Deponie
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Wohin mit der PFOA-Erde?

Dieser Artikel ist erstmals am 26. Oktober 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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