Die Menschen rund um Altötting und Burghausen sind verunsichert: Können sie ihr Leitungswasser noch gut zum Trinken benutzen oder zum Gießen des Gartens? Erneut wurde in einem Brunnen eine möglicherweise gesundheitsgefährdende Chemikalie nachgewiesen.
- Zum Artikel "PFAS in Bayern: Wo das Umweltgift die Menschen belastet"
Stoff ersetzt PFOA – nun auch bedenklich?
Der jüngst nachgewiesene Stoff heißt HFPO-DA oder Gen-X. Nach Angaben des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) ist er seit 2009 auf dem Markt. Er sollte die vermutlich Krebs erregende und inzwischen verbotene Perfluoroktansäure PFOA ersetzen. Die Europäische Chemikalienagentur hält aber auch Gen-X für einen Besorgnis erregenden Stoff.
Proben über dem neuen Grenzwert
Bei den Trinkwasserbeprobungen vom Dezember 2022 ist erstmals ein neu festgelegter Grenzwert überschritten worden. Das LGL hatte im November 2022 erstmals einen Grenzwert für eine Form der Stoffgruppe der per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen, kurz PFAS, festgelegt – bekannt als Gen-X. Der Wert liegt bei 0,011 µg/l, gemessen wurde jedoch ein Höchstwert von 0,015 µg/l.
Behörde sieht keine Gefahr, Bürgerinitiative ist beunruhigt
Betroffen war die gemeinschaftliche Wasserversorgung von Alt-/Neuötting, die auch die Gemeinde Winhöring mitversorgt. Nach Angaben des Landratsamtes Altötting, das sich auf das LGL bezieht, geht keine unmittelbare gesundheitliche Gefährdung für die Bevölkerung aus, da es sich um eine geringfügige und bislang nicht lang andauernde Überschreitung handelt. Das Gesundheitsamt Altötting hat die Trinkwasserversorger umgehend aufgefordert, geeignete Maßnahmen zu treffen, die den HFPO-DA-Gehalt im Trinkwasser wieder dauerhaft unter den Leitwert senken.
Laut der Altöttinger "Bürgerinitiative Netzwerk Trinkwasser" BINT sind die Menschen aber sehr beunruhigt. Man sei die ewigen Beschwichtigungen leid, sagte ein Sprecher dem Bayerischen Rundfunk. Er äußerte zudem die Befürchtung, dass HFPO-DA nicht der letzte bedenkliche Stoff sei, der im Trinkwasser des bayerischen Chemiedreiecks nachgewiesen werde.
Brunnen gesperrt – Warten auf neue Filter
Der Altöttinger Wasserversorger hat den entsprechenden Brunnen stillgelegt. Das Wasser dort wird seit einigen Jahren mit Aktivkohle gefiltert. Damit ist es nach Unternehmensangaben gelungen, den Gehalt von PFOA bis an die Nachweisgrenze zu reduzieren. Der neue Stoff sei aber möglicherweise wasserlöslicher und deshalb schlechter zu eliminieren.
Man habe bessere Aktivkohle bestellt und hoffe, damit auch die Konzentration von Gen-X senken zu können. Unklar ist aber, wann die neue Kohle, die aus China stammt, geliefert wird. Solange werden die Menschen in Altötting komplett mit unbelastetem Tiefengrundwasser versorgt.
Was sind PFAS - wo werden sie verwendet?
PFOA und HFPO-DA gehören zur Gruppe der perfluorierten Alkyle PFAS. Mit diesen Stoffen ist es unter anderem möglich, Kabel und Rohre säurebeständig zu beschichten. Deshalb ist ihr Einsatz nach Einschätzung von Industrievertretern unter anderem sehr wichtig für die Medizintechnik und die Produktion von Computerchips. Zudem werden sie in Windrädern und E-Auto-Batterien verwendet.
PFAS-haltige Feuerlöschschäume haben eine bessere Wirkung, weil durch den Zusatz auf brennbaren Flüssigkeiten oder auf geschmolzenen Oberflächen ein dünner Wasserfilm entsteht. Er hält brennbare Gase zurück, gleichzeitig schottet der Wasserfilm die Oberfläche gegenüber dem Feuer ab, was eine Rückzündung verhindert. An den Bundeswehrstandorten Neuburg und Manching wurde solch ein Löschschaum verwendet, der die Chemikalie PFOA enthielt. Dort kämpfen die Anlieger seit Jahren dafür, dass der Boden saniert wird.
Werk in Gendorf will schließen
Einer der größten europäischen Hersteller ist Dyneon. 17.000 Tonnen werden jährlich im Werk Gendorf im Landkreis Altötting produziert. Wegen der gesundheitsgefährdenden Eigenschaften drohen dem Mutterkonzern 3M in den USA Milliardenstrafen. Deswegen will er sich komplett aus diesem Geschäftsbereich zurückziehen und hat angekündigt, das Werk in Gendorf Ende 2025 zu schließen. Auch in Europa werden immer wieder strengere Vorschriften für die Produktion von PFAS erlassen. Auf Vorschlag von Deutschland und anderen Staaten wird derzeit sogar ein Komplettverbot geprüft.
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