Nach dem tödlichen S-Bahnunglück im oberbayerischen Schäftlarn am 14. Februar 2022 hat die Staatsanwaltschaft jetzt einen der Triebwagenführer angeklagt. Ihm werden neben fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung in 51 Fällen auch eine vorsätzliche Gefährdung des Bahnverkehrs vorgeworfen, teilte die Staatsanwaltschaft München I am Donnerstag mit.
Zwangsbremsungen offenbar ignoriert
Demnach hatte der Angeschuldigte eine S-Bahn der Linie 7 von Wolfratshausen nach München gesteuert. Eine weitere S-Bahn befuhr dieselbe Strecke in entgegenkommender Richtung. In beiden S-Bahnen waren zu diesem Zeitpunkt viele Fahrgäste. Es war kurz nach 16.30 Uhr.
Bei der Anfahrt zum Bahnhof Ebenhausen-Schäftlarn war die Bahn des Angeschuldigten zu schnell: Wegen Überschreitung der Überwachungsgeschwindigkeit wurde sie zwangsweise abgebremst. Doch der Triebwagenführer setzte sich laut Anklage "pflichtwidrig hinweg" und fuhr weiter in den Bahnhof ein. Bei der Ausfahrt passierte der Beschuldigte laut Staatsanwaltschaft dann ein Signal, das auf "Halt" stand. Der Zug wurde daraufhin erneut per Zwangsbremsung zum Stehen gebracht.
Eigene Schnellbremsung kommt zu spät
Obwohl der Triebwagenführer nach dieser zweiten Zwangsbremsung "einen schriftlichen Befehl zur Weiterfahrt" vom Fahrdienstleiter hätte einholen müssen, fuhr er laut Anklage wieder an und beschleunigte den Zug auf etwa 67 Kilometer pro Stunde. Zugleich kam ihm auf der eingleisigen Strecke die andere S-Bahn aus München entgegen. Diese wurde ebenfalls zwangsweise abgebremst und blieb auf der Strecke stehen.
Als der Angeschuldigte die stehende S-Bahn sah, leitete er zwar noch eine Schnellbremsung ein. Dennoch kam es zum Zusammenstoß. Ein damals 24-jähriger Fahrgast starb an seinen, bei der Kollision erlittenen, schwersten Verletzungen. 51 Personen aus beiden S-Bahnen wurden teilweise schwer verletzt. Daneben entstand ein Sachschaden von rund sieben Millionen Euro.
Aufwendiges Unfallgutachten
Der Anklage gingen "umfangreiche und zeitintensive Ermittlungen" voraus. So sei noch in der Nacht nach dem Unfall ein "auf Bahnunfälle spezialisierter, deutschlandweit gefragter Sachverständiger" mit der Erstellung eines unfallanalytischen Gutachtens beauftragt worden. Die Fertigstellung habe "aufgrund der Komplexität des Vorfalls" über ein Jahr gebraucht.
Mit Material von dpa
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