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Screenshot Instagram: Ausschnitt aus dem Video des Taxifahrers

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"Araber-Gschwerl": Münchner Taxifahrer rassistisch beschimpft

"Araber-Gschwerl": Münchner Taxifahrer rassistisch beschimpft

Ein Münchner Taxifahrer wird von einem Fahrgast minutenlang rassistisch beschimpft. Das Video ging viral. Die Anti-Rassismus-Allianz "Claim" beobachtet seit Jahren eine Diskursverschiebung nach rechts. Diskriminierung sei für viele Menschen Alltag.

Das Video ist fast ein Jahr alt, wurde aber erst vor Kurzem auf Instagram hundertfach geliked und kommentiert: Es zeigt den heute 29 Jahre alten Münchner Taxifahrer Mohammed H. Auf dem Rücksitz seines Taxis sitzt ein Fahrgast, der ihn rassistisch beschimpft. Mohammed erzählt BR24, dass der Mann vor knapp einem Jahr am frühen Morgen nach einem Clubbesuch in der Münchner Innenstadt in sein Taxi gestiegen sei.

Fahrgast beschimpft und beleidigt Taxifahrer

Während der Fahrt beschimpfte der bayerisch sprechende Fahrgast den Fahrer unter anderem als "Araber-Gschwerl", "Vollidiot", "dummen Hurensohn" und "scheiß hässlichen Sozialempfänger" und sagte: "Ich bin so froh, wenn wir euch Wichser aus Deutschland wieder raus haben" und "Du hast in unserem Land nichts zu melden, du blödes Arschloch". Der Taxifahrer nahm die Beschimpfungen mit dem Handy auf, was den Mann aber nicht davon abhielt, weiter zu beleidigen.

"Alltag für viele Menschen in Deutschland"

Rassistische Diskriminierungen, verbale Anfeindungen bis hin zu körperlichen Übergriffen seien Alltag für viele Menschen in Deutschland, sagt Rima Hanano von Claim (Externer Link). Die Allianz, die zivilgesellschaftliche Akteure und Akteurinnen gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit in Deutschland vernetzt. Sie beobachte seit Jahren eine Diskursverschiebung nach rechts. "Rassistische Stereotype werden normalisiert, wodurch sich Menschen häufig ermächtigt fühlen, zur Tat zu schreiten und Menschen verbal oder tätlich zu attackieren." Der Ton sei "sehr viel rauer geworden und die Hemmschwelle ist gesunken".

"Schämst du dich nicht?"

In dem Video ist zu hören, wie der Fahrer den Fahrgast darauf hinwies, dass er doch arbeite, und sagte: "Schämst du dich nicht, jemanden zu beleidigen, der dich gerade heim fährt?" Laut Mohammed H. griff ihn der Fahrgast auch von hinten an. Mohammed sagte, er habe daraufhin eine Vollbremsung gemacht. In dem Video ist diese Szene nicht zu sehen.

Der Taxifahrer erzählt, er habe versucht, auf seine Erfahrung aufmerksam zu machen. Doch sein Video sei von TikTok gelöscht worden. Erst als es auf Instagram von einem Account geteilt wurde, der sich mit Rassismus befasst, wurde der Fall bekannt.

Claim: Rassistische Erfahrungen werden oft heruntergespielt

"In unserer Arbeit müssen wir häufig feststellen, dass Menschen in ihrer Betroffenheit nicht wahrgenommen werden und ihre rassistischen Erfahrungen häufig heruntergespielt werden – auch durch Behörden. Betroffene bleiben häufig mit dem Gefühl zurück, sie sind der Solidarität nicht würdig." Claim beobachtet nach eigenen Angaben zudem, die Solidarität und Empathie habe abgenommen.

"Für euch Nazis gibt es keinen Platz"

Der Taxifahrer erzählt, er sei mit dem Fahrgast zur Polizeiwache nach München-Haar gefahren, um Anzeige zu erstatten. "In diesem Land gibt es ein Gesetz. Für euch Nazis gibt es keinen Platz hier", sagte Mohammed – wie im Video zu hören ist – zu dem Mann. Auf der Wache habe sich die Lage allerdings anders entwickelt als es der Taxifahrer erwartet hatte. Mohammed H. sagt im Gespräch mit BR24, dass der Fahrgast zu ihm gesagt habe, dass er Leute bei der Polizei kenne.

Volksverhetzung, gefährliche Körperverletzung, Bedrohung

Als der Taxifahrer auf der Polizeiwache Anzeige erstatten wollte, hätten die Beamten ihn erst abgewimmelt und betont, dass der Fahrgast doch betrunken sei. Erst als Mohammed darauf bestand, sei seine Anzeige aufgenommen worden. Dies lässt sich nicht überprüfen, dem BR liegt die Anzeige vor. Auf dem Tatblatt ist gefährliche Körperverletzung, gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr, Volksverhetzung, Bedrohung und Beleidigung aufgeführt.

Die Pressestelle der Münchner Polizei bestätigte, dass eine Anzeige vorliegt und auch eine Gegenanzeige des Fahrgastes. Ob der Fahrgast Polizisten kannte, könne man nicht sagen. Dazu lägen keine Informationen vor. Weitere Auskünfte erteilt die Polizei nicht und verweist an die Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft München I erklärte: "Wir können Ihnen bestätigen, dass wir den Sachverhalt insgesamt prüfen." Die Ermittlungen neigten sich dem Ende zu.

Auch Fahrgast erstattete Anzeige

Der Taxifahrer berichtet ebenfalls, der Fahrgast habe Anzeige gegen ihn wegen Freiheitsberaubung erstattet. Immer wieder sagt der Fahrgast in dem Video, dass er aussteigen wolle. Allerdings ist in dem Video auch zu hören, wie der Fahrgast sagt: "Du kannst mich jetzt hier rauslassen, bei der Polizei rauslassen, das ist mir scheiß-egal, ich sag' jedes Mal wieder das Gleiche." Mohammed H. sagt im Gespräch mit BR24, dass er den Mann aus Sicherheitsgründen zwar nicht auf der Landstraße aussteigen ließ, er aber später an Ampeln jederzeit hätte aussteigen können. Der Mann drohte ihm im Video und sagte: "Du lässt mich jetzt in zwei Minuten raus oder ich rufe ein paar Leute an, da bin ich harmlos dagegen und dann bist du froh, wenn du am nächsten Tag noch ein Ohr am Kopf hast."

"Wie soll das weitergehen?"

Auf die Frage, warum er so ruhig geblieben sei, sagte Mohammed H., der seit 20 Jahren in Deutschland lebt: "In so einer Situation kann man nur ruhig bleiben. Ich habe versucht, mich auf die Fahrt zu konzentrieren." Es komme immer mal wieder vor, dass er beschimpft und beleidigt werde, erzählt der dreifache Familienvater, der als Kind aus dem Nordirak nach Deutschland gekommen ist. "Ich arbeite, ich zahle Steuern, wie soll das weitergehen?" Inzwischen mache er sich Sorgen um die Zukunft seiner Kinder. "Meine Kinder sind hier geboren, hier aufgewachsen, aber sie haben mein Aussehen."

Claim empfiehlt Betroffenen, sich an eine Beratungsstelle zu wenden und Vorfälle über i-report (Externer Link) zu melden. Bei den Stellen könnten sich Opfer auch über weitere Schritte beraten lassen und bekämen psychologische Unterstützung.

Auf Instagram kommentierten User das Video mit Worten wie: "Krass … es tut mir so leid, dass du das erfahren musstest. 💔Respekt, dass du so ruhig bleiben konntest." Ein anderer schreibt: "Und das ist Alltag so vieler Menschen. Tut mir im Herzen weh, was du da erleben musstest. Du warst so gelassen und hast sehr besonnen reagiert. Das hätte ich nicht geschafft." Ein anderer meint: "Meinen höchsten Respekt an den Taxifahrer, für den Fahrgast kann man sich nur schämen."

Zum Video: Alltagsrassismus - die unsichtbare Gewalt

Moderatorin Christina Wolf; ein Schwarzer sitzt deprimiert neben einem europäisch aussehenden Kollegen; vier weiße Pfeile, die geradeaus zeigen neben einem dunklen Pfeil, der einen Knick macht
Bildrechte: BR, colourbox.com; Montage: BR
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RESPEKT: Rassismus im Alltag

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