Vom Skigebiet Ehrwalder Alm aus machten sich die Drei auf die Tour. Beim Rückweg erfasste sie eine Lawine.
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Vom Skigebiet Ehrwalder Alm aus machten sich die Drei auf die Tour. Beim Rückweg erfasste sie eine Lawine.

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Verschüttet in der Lawine: "Der Schnee ist wie Beton"

Verschüttet in der Lawine: "Der Schnee ist wie Beton"

Eine Schneebrettlawine erfasst drei junge Männer im Bereich des Gatterls im Zugspitzgebiet. Einer wird komplett verschüttet und liegt 1,5 Meter unter dem Schnee. Doch seine Freunde reagieren vorbildlich. So haben sie ihn gerettet.

Über dieses Thema berichtet: BR24 vor Ort am .

Es ist der 31. Januar 2023, ein sonniger, etwas windiger Tag. Der Lawinenlagebericht gibt Gefahrenstufe 2 an, also mäßige Lawinengefahr. Benedikt, Florian und Paul aus dem Landkreis Weilheim-Schongau sind immer wieder gemeinsam mit Tourenski unterwegs. Die drei wollen auf den "Hohen Kamm", einen Berg im Zugspitzgebiet. Der Schnee ist optimal, die Tage zuvor hat es frisch geschneit und es herrschen gute Powderbedingungen. Vom Ehrwalder Skigebiet aus machen sie sich auf den Weg, erreichen den Berg und sind bereits auf dem Rückweg, als es passiert. In einer Aufstiegspassage löst sich plötzlich ein Schneebrett.

Lawine reißt die drei rund 100 Meter mit

Ein Albtraum beginnt. In der Videoreportage "BR24 vor Ort" beschreiben die drei die dramatischen Augenblicke. Benedikt wird von der Wucht der Lawine umgeworfen und mitgerissen. Vergeblich versucht er sich über dem Schnee zu halten, doch die Massen drücken ihn immer tiefer nach unten. "Die Lawine ist so gewaltig, da hast du keine Chance", sagt Benedikt später. Gut 100 Meter reißen ihn die Schneemassen Kopf über mit. Schließlich bleibt der damals 19-Jährige in einer Rinne liegen. Über ihm strömt der Schnee von allen Seiten zusammen. "Du kannst dich nicht mehr bewegen, der Schnee ist wie Beton", beschreibt er.

Im Video: So haben Flo und Paul ihren Freund aus dem Schnee befreit

Paul und Florian haben das Unwahrscheinliche geschafft: Am 31. Januar 2023 retteten die beiden ihrem Kumpel aus einer Lawine.
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Paul und Florian haben das Unwahrscheinliche geschafft: Am 31. Januar 2023 retteten die beiden ihrem Kumpel aus einer Lawine.

Nach dem Lawinenabgang: Wo ist Benedikt?

Auch Florian und Paul werden von der Lawine erfasst. Der letzte in der Reihe ist Paul, er kann sich noch intuitiv drehen und der Lawine davon fahren, mit offener Bindung und Fellen an den Ski. Florian war der Erste im Aufstieg. Er hatte so gut wie keine Chance. Er hat beim Hochstapfen schon ein komisches Gefühl, der Schnee gibt schon ein paar Sekunden vor der Lawine verdächtig nach. Dann geht alles blitzschnell. Er wird mitgerissen. Immer tiefer rutscht er, immer mehr Schnee drückt auf ihn. Als die Lawine stehen bleibt, gibt es noch einen letzten Ruck und Florian steckt bis zum Hals im Schnee. Er kann sich selber befreien und bleibt unverletzt. Die beiden Freunde rufen sich zu und stellen fest, dass Benedikt fehlt. Keine Spur von ihm, der Schnee hat ihn verschluckt.

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Momentaufnahme vom 31.Januar 2023. Sondieren nach Benedikt - die Uhr tickt wenn jemand von einer Lawine verschüttet ist.

1,5 Meter unter den Schneemassen begraben

Florian und Paul stehen unter Schock, doch sie verlieren keine Zeit, setzen einen Notruf ab und machen das, was sie schon oft geübt haben. Die beiden 20-Jährigen holen Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS-Gerät), Sonde und Schaufel raus und beginnen sofort zu suchen. Der Sender von Benedikt funktioniert, die beiden orten ein Signal und folgen dem Pfeil auf ihrem LVS-Suchgerät. Benedikt liegt währenddessen gut 1,5 Meter tief unter den Schneemassen. Die Luft wird knapp, er weiß zu dem Zeitpunkt nicht, dass seine Freunde der Lawine entkommen sind und nach ihm suchen. Gedanklich schließt er sein Leben bereits ab. Irgendwie habe er es nicht glauben können, dass sein Leben so enden würde, beschreibt er. Eine Schlagzeile geht ihm noch durch den Kopf: "Drei junge Burschen sterben auf der Zugspitze in einer Lawine". Das ist das Letzte, woran er sich erinnern kann. Dann wird es schwarz um ihn.

Schaufeln gegen die Zeit

Gut fünf Minuten sind schon rum. Florian und Paul haben mit ihrem LVS-Gerät eine Stelle geortet, wo Benedikt liegen könnte. Mit der Sonde, einem langen Stab, stochern sie im Schnee in die Tiefe. "Schon nach vier oder fünf Versuchen hatte ich einen Kontakt", sagte Paul. Die Beiden beginnen sofort zum Schaufeln. Florian schätzt, dass sie bestimmt 10 Minuten sich in die Tiefe gegraben haben. Die Zeit drängt. Sie wissen, nach 15 Minuten sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit rapide.

Benedikt ist bereits blau angelaufen und bewusstlos

Plötzlich stoßen sie auf den Helm des Kameraden. Die beiden Freunde graben weiter, mit bloßen Händen. Der Kopf liegt an tiefster Stelle, vorsichtig graben sie ihn frei. Benedikt war schon blau angelaufen und bewusstlos, erinnert sich Paul. Das waren nochmal dramatische Augenblicke. Die Beiden versuchen, ihn nach oben zu ziehen. Gut 1,5 Meter tief war das Loch. Augenblicke später kommt Benedikt wieder zu sich, ringt nach Luft, wie durch ein Wunder ist er nicht mal verletzt. Florian und Paul haben ihn zurück ins Leben geholt.

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Momentaufnahme vom 31. Januar 2023. Die Helfer sind da und haben Benedikt in der Trage für den Abtransport mit den Hubschrauber vorbereitet.

Bergwacht: "Vorbildliche Kameradenrettung"

Die Bergretter der Bergwacht Garmisch-Partenkirchen, die wenig später mit dem Hubschrauber eintreffen, sind begeistert. Peter Anzenberger, Einsatzleiter und der stellvertretende Bereitschaftsleiter der Bergwacht Garmisch-Partenkirchen betont, dass die Kameradenrettung sehr vorbildlich funktioniert hat und der Verschüttete seinen beiden Freunden das Leben zu verdanken hat: "Die Ausrüstung hat bei allen gepasst. Es hat sich auch bei diesem Lawineneinsatz wieder einmal gezeigt, wie wichtig die Kameradenrettung bei Lawinenunfällen ist, da hier jede Minute zählt."

"Zweiter Geburtstag" wird gefeiert

Auch Florian und Paul sind glücklich, dass alles so gut geklappt hat. Das gibt Vertrauen und klar ist man auch etwas stolz, sagt Paul. Florian hat sich seitdem vorgenommen noch mehr auf sein Bauchgefühl zu hören und Benedikt ist einfach nur unglaublich dankbar. Die drei gehen am Unglücksdatum jetzt immer Tapas essen, um den guten Ausgang zu feiern. Der 31. Januar ist für Benedikt wie ein zweiter Geburtstag. Trotz der Dramatik hat er den Spaß an den Bergen nicht verloren. Regelmäßig ist Benedikt mit seinen Freunden immer noch unterwegs. Aber Benedikt hat sich einen Lawinenrucksack mit Airbag zugelegt und der ist jetzt immer mit auf Tour.

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