Aufmerksam folgt Svitlana Kucherenko dem Unterricht an der Berufsschule II in Coburg. Sie ist eine von 24 Frauen und Männern aus der Ukraine, die an einem Pilotprojekt teilnehmen. In den nächsten drei Jahren sollen sie zu Industriekaufleuten umgeschult werden. Der Bedarf ist groß und für die Geflüchteten eine Chance, dauerhaft anzukommen.
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Deutsch als Grundlage
Svitlana Kucherenko hat in der Ukraine als B2B-Managerin in einem Unternehmen gearbeitet. B2B steht für den englischen Begriff Business-to-Business und bezeichnet die Geschäftsbeziehungen zwischen zwei Unternehmen. Bei B2B geht es also um Geschäfte mit Firmenkunden.
Nach ihrer Flucht nach Deutschland vor mehr als zwei Jahren hat Kucherenko verschiedene Deutschkurse absolviert, spricht die Sprache fließend. In Deutschland wollte sie auch wieder im kaufmännischen Bereich arbeiten, erzählt sie. Deshalb musste die 42-Jährige auch nicht lange überlegen, als sie von dem Pilotprojekt hörte. Im Zusammenspiel der Agentur für Arbeit Bamberg-Coburg, der Industrie- und Handelskammer zu Coburg, der Berufsschule II in Coburg und den Ausbildungsbetrieben in der Region entstand in den vergangenen Monaten das in Deutschland wohl einzigartige Projekt, das seit Anfang September läuft.
Idee aus dem Vermittlungsalltag
Die Idee für das Umschulungsprojekt entstand aus dem Arbeitsalltag der Agentur für Arbeit, berichtet Mitarbeiterin Olha Alatas. Unter den Arbeitssuchenden aus der Ukraine seien viele Fachkräfte, die bereits im kaufmännischen Bereich tätig waren. Allerdings gestaltete sich die Jobsuche auf dem deutschen Arbeitsmarkt vor allem aufgrund der Sprachbarriere oft schwierig. Mit der Idee, Fachkräfte aus der Ukraine in einem speziellen Kurs zu Industriekaufleuten auszubilden, fand sie bei den Kooperationspartnern offene Ohren.
"Normale" Ausbildung plus Sprachförderung
Im Unterricht an der Berufsschule II in Coburg erfahren die Ukrainerinnen und Ukrainer im Alter zwischen 26 und 49 Jahren alles, was angehende Industriekaufleute wissen müssen, so Schulleiter Nico Höllein. Alle Teilnehmer haben im Vorfeld Deutschkurse besucht und können dem Unterricht folgen.
Zusätzlich gibt es einen wöchentlichen Sprachfördertag, an dem Fachbegriffe erklärt und vertieft werden, so Höllein. Ziel sei es, die Männer und Frauen fit für die Abschlussprüfungen und den späteren Job zu machen. Die Schülerinnen und Schüler seien sehr engagiert, das Zusammenspiel mit der Agentur für Arbeit, der IHK und den Ausbildungsbetrieben laufe hervorragend, schwärmt Höllein.
Genereller Arbeitskräftemangel – Forderung an Politik
In Svitlana Kucherenkos Ausbildungsbetrieb Schumacher Packaging in Ebersdorf bei Coburg sehen die Verantwortlichen den Spracherwerb ebenfalls als Schlüssel zum Erfolg an. Inzwischen herrsche kein Fachkräftemangel, sondern ein genereller Arbeitskräftemangel, sagt Andreas Guhl, Leiter Zentrale Dienste bei Schumacher. Er fordert rechtliche Vorgaben seitens der Politik, damit Mitarbeiter, unabhängig von ihrem Status, schnellstmöglich in die Betriebe kommen können. Denn den Betrieben gelänge es, die Menschen wirklich in Deutschland ankommen zu lassen und zu integrieren, so Guhl. Das Ebersdorfer Unternehmen sei ein gutes Beispiel dafür, ein Drittel der Belegschaft habe einen Migrationshintergrund.
Anspruchsvolle Umschulung mit Ziel vor Augen
Nach sechs Wochen Umschulung ist Svitlana Kucherenko zufrieden mit ihrem Fortschritt und dem Erlernten. Zwar müsse sie viele neue Informationen, Fachbegriffe und das Unternehmen in allen Facetten kennenlernen, doch sie sei stolz, am Pilotprojekt teilzunehmen, so die 42-Jährige.
Ihr klares Ziel: die Umschulung erfolgreich mit einem Abschluss beenden und in der Region beruflich und privat ankommen. Auch das Unternehmen, die Berufsschule und die Agentur für Arbeit ziehen ein positives Zwischenfazit. Das Projekt aus Coburg könnte wohl Schule machen: In Bamberg startet eine entsprechende Umschulungsklasse im kommenden Frühjahr, andere bayerische Berufsschulen haben bereits Interesse angemeldet.
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