Eigentlich wollte die Stadt Nürnberg seinen Vortrag verhindern: Der umstrittene Schweizer Historiker und Publizist Daniele Ganser sollte nicht in Nürnberg auftreten dürfen, schon gar nicht in der Meistersingerhalle, gleich beim ehemaligen Reichsparteitagsgelände. Doch die Aussichten, juristisch gegen den Auftritt vorzugehen, waren so schlecht, dass die Stadt Nürnberg gestern einen Rückzieher machen musste. Dafür will die Allianz gegen Rechtsextremismus klar Stellung gegen den Auftritt Gansers beziehen.
Was erzählt Daniele Ganser?
Dem Historiker Daniele Ganser wird vorgeworfen, Verschwörungstheorien zu verbreiten und in seinen Vorträgen den Holocaust zu verharmlosen. Mit Suggestivfragen dränge er seine Zuhörer dazu, bestimmte Schlüsse zu ziehen, erklärt Catrin Schmühl vom Humanistischen Verband Niedersachsen: Dass die USA das World Trade Center selbst in die Luft gesprengt hätten, dass hinter der Corona-Pandemie dunkle Mächte steckten oder dass Russland trotz des Angriffs auf die Ukraine nicht die Schuld an diesem Krieg habe.
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"Politische Bannmeile" auf Reichsparteitagsgelände?
Die Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg ruft am Tag der Veranstaltung, dem 10. Mai 2023, zu einer Kundgebung vor der Meistersingerhalle auf. Nach Meinung des Vorsitzenden der Allianz, Stephan Doll, haben Menschen, die Verschwörungstheorien und Antisemitismus verbreiten, nichts in Nürnberg und auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände zu suchen. Das frühere Aufmarschgelände der Nationalsozialisten müsse vielmehr so schnell wie möglich zu einer "politischen Bannmeile" erklärt werden, so Doll.
Die Stadt Nürnberg prüft den Vorschlag einer Bannmeile derzeit. Geplant ist, eine Satzung für das ehemalige Reichsparteitagsgelände zu erarbeiten, das seine Nutzung reguliert. "Dieses Gelände darf nie wieder Bühne für rechtsextreme und menschenfeindliche Hetze werden", sagt Doll. An historisch sensiblen Orten müsse die Stadt besonders wachsam sein. Die Meistersingerhalle, in der Daniele Ganser auftreten will, liegt in unmittelbarer Nähe zum Reichsparteitagsgelände. Auch für sie soll die Bannmeile gelten, sollte sie beschlossen werden, ebenso wie für das Max-Morlock-Stadion, die Arena und die NürnbergMesse.
Oberverwaltungsgericht NRW hatte anderen Auftritt genehmigt
Ausdrücklich sprach die Allianz gegen Rechtsextremismus Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König Dank für seine klare Haltung in der Angelegenheit aus. König hatte sich eindeutig von Daniele Ganser und seinen Ideen distanziert. Die Stadt Nürnberg hatte den Auftritt des selbsternannten Friedensforschers zunächst verboten, musste aber das Verbot zurücknehmen, nachdem Gansers Auftritt in der Dortmunder Westfalenhalle erlaubt worden war. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hatte ihn genehmigt. Die Richter begründeten die Genehmigung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und damit, dass der Auftritt Gansers nicht gegen den Nutzungszeck der Halle verstieß.
Der Historiker Daniele Ganser will sich in seinem Vortrag in Nürnberg mit dem Krieg in der Ukraine beschäftigen. Kritiker werfen ihm vor, dass er sich in seiner Forschung noch nie mit Russland, noch mit der Ukraine beschäftigt habe und auch nicht über Landes- und Sprachkenntnisse verfüge. Auf eine Anfrage von BR24 hat Ganser bislang nicht reagiert.
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