"Antisemitismus gehört leider auch zu Bayern. Er war nie weg und zeigt sich insbesondere seit dem 7. Oktober verstärkt auf unseren Straßen und im Internet", sagt Annette Seidel-Arpacı, die Leiterin der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) Bayern. (externer Link) Das zeigen auch die mehr als 2.000 antisemitischen Vorfälle, die die RIAS Bayern zwischen 2019 und 2023 dokumentiert hat. Die von RIAS entwickelte Wanderausstellung, die nun in Nürnberg zu sehen ist, will dazu betragen, Antisemitismus zu erkennen und sich gegen ihn zu positionieren.
- Zum Artikel: "Antisemitismus – was der Verfassungsschutz beobachtet"
Ausstellung will niederschwellig informieren
Die Ausstellung "Antisemitismus in Bayern – Judenhass heute", die am Montagabend im Neuen Nürnberger Rathaus eröffnet wurde, versucht auf sieben beidseitig betexteten Tafeln Antworten zu geben auf Fragen wie: Was ist Antisemitismus eigentlich? Welche Auswirkungen hat er auf Betroffene? Und: Wie kann man auf antisemitische Anfeindungen reagieren?
"Ziel unserer Ausstellung ist es, an Orten des Alltags Menschen, die sich bislang vielleicht noch nicht mit dem Thema beschäftigt haben, niedrigschwellig zu informieren und zur Auseinandersetzung mit und zum Engagement gegen Antisemitismus anzuregen“, so Annette Seidel-Arpacı. Ein Anliegen, das aufgrund der nun veröffentlichen Zahlen diesbezüglicher Delikte durchaus relevant erscheint.
Extreme Zunahme antisemitischer Vorfälle seit 7. Oktober 2023
Die deutschlandweiten Zahlen von antisemitischen Vorfällen, die RIAS am Dienstag in Berlin (externer Link zu tagesschau.de) veröffentlicht hat, zeigen: Judenfeindliche Delikte sind in Deutschland im vergangenen Jahr massiv angestiegen: Die RIAS dokumentierte 2023 insgesamt 4.782 antisemitische Vorfälle – und damit einen Anstieg um fast 83 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Mehr als die Hälfte dieser Fälle (2.787) ereigneten sich demnach nach dem Terrorangriff am 7. Oktober 2023 und den Massakern der Hamas in Israel. Sie seien, so RIAS, als unmittelbare Reaktionen auf den Gewaltausbruch an diesem Tag zu verstehen. Auch die Gewalttätigkeit habe laut der Statistiken enorm zugenommen.
2023: Trauriger Rekord antisemitischer Straftaten
Eine stark steigende Zahl antisemitischer Delikte nach dem Angriff der Hamas hatte der bayerische Antisemitismus-Beauftragte Ludwig Spaenle bereits im Februar festgestellt. Wie das bayerische Innenministerium auf Anfrage der Grünen am 28. April dann mitteilte, wurden im Jahr 2023 in Bayern insgesamt 589 Taten registriert – ein neuer trauriger Rekordwert. Darunter: 15 Gewalttaten mit 26 registrierten Opfern. 15 Taten richteten sich gegen jüdische Einrichtungen und Synagogen, unter anderem ein versuchter Brandanschlag auf eine Synagoge in Oberfranken Anfang 2023. Ein Großteil der antisemitischen Straftaten (366) wurde nach dem 7. Oktober registriert.
Prävention und Aufklärung dringend nötig
Angesichts des aktuellen RIAS-Jahresberichts betont auch Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) in einer Stellungnahme: "Die Zahlen sind alarmierend und bestürzend!" Und die Ministerin fordert: "Präventionsarbeit gegen jegliche Form von Antisemitismus, Hass und Hetze ist nicht nur ein Auftrag – es ist unsere Pflicht. Bewusstsein, Sensibilisierung und Prävention sind unerlässlich. Antisemitismus und Judenhass sind nicht ein Problem der Jüdinnen und Juden, sondern der gesamten Gesellschaft."
Bis Anfang August im Nürnberger Neuen Rathaus
Die Ausstellung "Antisemitismus in Bayern – Judenhass heute" will die Präventionsarbeit unterstützen und kann gebührenfrei ab August 2024 von Einrichtungen und Institutionen ausgeliehen werden. Informationen dazu hat RIAS in einem Flyer (Link auf pdf) zusammengestellt. Bis 2. August ist die Ausstellung derweil im Neuen Rathaus Nürnberg zu sehen.
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