Die Statistik ist eindeutig: Beleidigungen, Bedrohungen und Gewalt gegen Politiker und Politikerinnen nehmen zu. Nach den Zahlen des Bundeskriminalamts (BKA) stiegen die Angriffe auf Amts- und Mandatsträger im vergangenen Jahr um fast 30 Prozent.
Die Polizei erfasste knapp 3.800 Straftaten gegen Amtsträger wie Landräte oder Bürgermeister und gut 2.700 Taten gegen Mandatsträger wie Abgeordnete. Die meisten Straftaten in diesem Bereich sind Beleidigungen und Bedrohungen, aber auch 118 Gewalttaten.
Angriffe auf Politik und Ehrenamt
Bei den meisten Straftaten (fast 4.000) kann die Polizei nicht eindeutig zuordnen, aus welcher Richtung sie kommen. Sie werden unter "Sonstige" erfasst. Knapp 800 Taten werden dem rechten Spektrum zugerechnet, fast 500 dem linken.
Amts- und Mandatsträger des Bundes werden am häufigsten Ziel der Angriffe (mehr als 3.100), gefolgt von Vertretern der Länder, Kommunen und Europas.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wiederholt bei der Vorstellung der Zahlen in Berlin ihre Formel, dass der Rechtsstaat Stopp-Signale setzen müsse: "Wir müssen unmissverständlich zeigen, dass der Rechtsstaat diese Gewalt nicht hinnimmt. Die Justiz ist hier ebenso in der Verantwortung, wie die Polizei." Faeser spricht sich dafür aus, den möglichen Strafrahmen häufiger auszuschöpfen und weniger Verfahren einzustellen.
Meiste Straftaten kommen aus rechtem Spektrum
Die Polizei registrierte im vergangenen Jahr insgesamt gut 60.000 politisch motivierte Straftaten. Das waren etwa 1,9 Prozent mehr als im Jahr davor. Es ist der höchste Stand seit Einführung der Statistik im Jahr 2001.
Fast die Hälfte der erfassten Straftaten kommt von Rechts - etwa 29.000. Wie BKA-Präsident Holger Münch sagt, ist der Rechtsextremismus weiter die größte Bedrohung für die Demokratie. Faeser spricht von durchschnittlich zwei Verletzten durch rechtsextreme Gewalt pro Tag. In keinem anderen Bereich gebe es so hohe Opferzahlen.
Knapp 17.000 Taten werden in der Statistik "Sonstigen" zugeordnet. Dazu zählen etwa sogenannte "Reichsbürger".
Fast 7.800 der im vergangenen Jahr registrierten Straftaten kommen von Links. 5.170 Fälle ordnet die Polizei einer "ausländischen Ideologie" zu. Hierzu zählen zum Beispiel Taten im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt und dem russischen Angriff auf die Ukraine. Etwa 1.500 Taten werden unter "religiöse Ideologie" erfasst - etwa islamistischer Extremismus.
Die Polizei kann fast die Hälfte der politisch motivierten Straftaten aufklären.
Was sind politisch motivierte Straftaten?
Zu politisch motivierte Straftaten zählen unter anderem Beleidigungen, Bedrohungen, Volksverhetzungen und Sachbeschädigungen wie Angriffe auf Politikerbüros. Einen großen Teil machen sogenannte Propagandadelikte aus - zum Beispiel, wenn Abzeichen von verfassungswidrigen Organisationen verbreitet werden.
Mehr als 15.000 der registrierten Straftaten werden laut Statistik im Internet begangen. Hier ist ein Anstieg von 60 Prozent zu beobachten. Diesen Anstieg erklärt sich BKA-Präsident Münch aber auch mit einer effektiveren Strafverfolgung. So würden deutlich mehr Hasspostings gemeldet. "Wir hellen das Dunkelfeld systematisch auf", so Münch.
Wie Bundesinnenministerin Faeser sagt, ist der Hass im Netz "explodiert". Die SPD-Politikerin macht dafür den russischen Präsidenten Putin mitverantwortlich: "Diejenigen, die in unserer Gesellschaft Hass säen, sind lauter geworden. Putins Regime versucht die aus Moskau auch noch zu verstärken - durch Lügen, Propaganda und Einflussnahmeversuche."
Starker Anstieg bei antisemitischen Straftaten
Besonders heftig ist der Anstieg in der Statistik bei Straftaten im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt. Hier verzeichnet die Statistik ein Plus von mehr als 7.000 Prozent auf knapp 4.400 Fälle. Das erklärt sich vor allem mit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und den anschließenden Demonstrationen in Deutschland. Fast 2.000 der Straftaten in diesem Bereich waren antisemitisch.
Faeser für härtere Strafen bei Flughafen-Blockaden
Ein Plus von mehr als 90 Prozent verzeichnet die Statistik auch bei Straftaten im Zusammenhang mit Klima- und Umweltschutz. Hier registrierte die Polizei 3.300 Vorfälle. Mehr als 2.500 davon werden dem linken Spektrum zugerechnet.
Faeser schlägt vor, das Eindringen auf ein Flughafengelände wie am vergangenen Wochenende in München künftig härter zu bestrafen. Die SPD-Politikerin kann sich bis zu zwei Jahre Haft vorstellen. Bisher ist nur ein Bußgeld möglich.
Grüne üben Kritik an Statistik
An der Methode, wie politisch motivierte Kriminalität erfasst wird, gibt es Kritik. Eine von den Grünen vorgestellte Studie der Ludwig-Maximilians-Universität in München kommt zu dem Ergebnis, dass die Statistik reformiert werden sollte. Viele Straftaten werden demnach aktuell nicht als politisch motiviert erfasst. Auch die genaue Zuordnung sei unklar.
Die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic nennt als Beispiel antisemitische Straftaten. Dass diese bei unklaren Hintergründen immer als rechts eingeordnet werden, führt ihrer Meinung nach zu einer Verzerrung der Statistik.
Außerdem gilt, wie bei anderen Kriminalitätsstatistiken auch, dass nur Straftaten erfasst werden, die bei der Polizei angezeigt werden. Das tatsächliche Geschehen geben die Zahlen nicht wider.
Im Video - Innenministerium: Politisch motivierte Kriminalität nimmt zu
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