Eine Frau im Rollstuhl steht vor einer Treppe. (Symbolbild)
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Treppen halten noch vielerorts in Bayern unter anderem Rollstuhlfahrer davon ab, Angebote der Bahn nutzen zu können. (Symbolbild)

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Bahnhöfe voller Barrieren: Was ist an Vermutungen der User dran?

Bahnhöfe voller Barrieren: Was ist an Vermutungen der User dran?

Viele Bahnhöfe in Bayern sind noch nicht barrierefrei. BR24-User stellen Vermutungen an, woran das liegt. Experten schätzen ihre Thesen ein, die Bahn bezieht Stellung. Geld, Vorschriften, Großprojekte - warum geht der Ausbau so schleppend voran?

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

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Das lange Warten auf den barrierefreien Bahnhof in Münchberg im Landkreis Hof beschäftigt die User. In den Kommentaren äußern viele ihre Vermutung darüber, woran der Ausbau krankt. Experten vom Verkehrsclub Deutschland (VCD), vom Fahrgastverband Pro Bahn und vom Sozialverband VdK ordnen die Vermutungen der User ein. Ein früherer Pflegedienstleiter ergänzt um seine Erfahrungen. Die Deutsche Bahn bezieht Stellung.

Vermutung 1: Für Barrierefreiheit ist kein Geld da

User "mstrlr" schreibt auf BR24: "(...) Es sind schlicht und einfach weder Geldmittel noch Planungs- und Baukapazitäten für dieses Thema mehr vorhanden."

Neben fehlendem politischen Willen sieht Jan Gerspach, Leiter des Ressorts Leben mit Behinderung beim VdK Bayern, auch im Mangel von Geld den Hauptgrund für die oft fehlende Barrierefreiheit bei der Bahn. Je nach Rechnung fehlten derzeit 12 bis 17 Milliarden Euro für die Sanieurung der Infrastruktur, schätzt der Experte. Zurückzuführen sei das unter anderem auf die Schuldenbremse und starke Sparvorgaben bei der Bahn.

"Grundsätzlich ist das System Bahn massiv unterfinanziert", sagt auch Andreas Barth vom Fahrgastverband Pro Bahn in Bayern. Das betreffe schließlich auch die Barrierefreiheit. Andere europäische Länder investierten demnach ein Vielfaches von dem in das Schienennetz, was Deutschland investiere. Barth verweist auf Zahlen der Allianz Pro Schiene, wonach in Deutschland im Jahr 2022 52 Prozent aller Verkehrs-Investitionen in die Schienen geflossen seien. In der Schweiz seien es 62 Prozent gewesen, in Österreich gar 72 Prozent.

Beim Verkehrsclub Deutschland (VCD) ist Alexander Kaas Elias Experte für Barrierefreiheit bei der Bahn. Er verweist in Sachen Finanzierung darauf, dass Bahnhöfe mittlerweile unterschiedliche Eigentümer haben. Nur noch die wenigsten Bahnhöfe gehören demnach der Deutschen Bahn selbst. Oft habe die Bahn nur noch die Bahnsteige und Zuwege in ihrem Eigentum. Bahnhöfe, die im Eigentum von regionalen Verkehrsunternehmen oder -betrieben sind, würden demnach oft nicht ausreichend finanziert.

Zuständig dafür seien die jeweiligen Besteller - in Bayern die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG), ein Unternehmen des Freistaats. Sie müssten die nötigen Gelder dafür von der Politik einfordern, schließlich gebe es ein Personenbeförderungsgesetz, das vorsehe, dass Bahnfahren seit 2022 barrierefrei sein müsste. Allerdings gebe es viele Ausnahmen und keine automatische Sanktionierung, wenn dies nicht geschehen ist.

Von der Bahn heißt es dazu kurz und knapp: Wie viele Bahnhöfe umgebaut werden können, hänge unter anderem davon ab, wie viel Fördergeld Bund und Land der Bahn zur Verfügung stellen.

Sind also Bund und Land gleichermaßen in der Verantwortung, wenn es um die Bahnhöfe in Bayern geht? Andreas Barth von Pro Bahn erklärt: Zwar werde für den Ausbau im Regionalverkehr auch Bundesgeld verwendet, wo das hin fließe, entschieden die Bundesländer aber weitgehend selbst. "Wo in Bayern barrierefrei ausgebaut wird, bestimmt im Endeffekt das Land", sagt Barth.

Vermutung 2: Umbau nur, wo sowieso gebaut wird

Weiter vermutet User "mstrlr": "Ein barrierefreier Umbau kann in der Regel nur dort erfolgen, wo die Personenverkehrsanlagen eh umgebaut werden müssen (...)"

Das stimme nicht ganz, sagt Andreas Barth von Pro Bahn. Grundsätzlich sei ein Umbau auch getrennt möglich. Da das jedoch meistens Auswirkungen auf andere Bauteile habe, Einschränkungen für die Fahrgäste mit sich bringe und die Einrichtung einer Baustelle einen gewissen Grundaufwand bedeute, würden die Maßnahmen gerne gebündelt. Das sei auch grundsätzlich richtig. Alexander Kaas Elias vom VCD hingegen verweist auf das Beispiel Berlin. Dort bekämen Bahnhöfe Fahrstühle und taktile Leitsysteme, auch wenn sonst nichts umgebaut werde. Kaas Elias sagt: "Es kann sinnvoll sein, Sanierungen mit Barrierefreiheit zu verknüpfen, aber das ist kein Muss."

Der VdK fordert daher bei den geplanten Generalsanierungen zum Beispiel auf den Strecken Nürnberg-Regensburg oder München-Rosenheim die Barrierefreiheit direkt mit zu bedenken. Folgt man den Ausführungen der Bahn dazu, stehen die Chancen dafür gut. Eine Sprecherin erklärt, dass Baumaßnahmen an Bahnhöfen so eingetaktet werden müssten, dass der Zugbetrieb möglichst wenig beeinträchtigt werde. Für bauliche Eingriffe seien schließlich sogenannte Sperrpausen nötig, also Phasen, in denen keine Züge fahren dürfen. Diese müssten langfristig eingeplant werden und stünden nur begrenzt zur Verfügung.

Einer der BR24-User ist selbst Experte auf dem Gebiet der Barrierefreiheit: Hermann Zöller. Als Pflegedienstleiter eines Wohnheims für Studierende mit Behinderung in Regensburg habe er 25 Jahre lang Behinderte aus ganz Deutschland zum Zug begleitet. Die Probleme, die sich dabei ergeben, kenne er nur zu gut, sagt Zöller im Gespräch mit BR24. Sehr viele der Rollstuhlfahrer würden inzwischen vollständig auf das Bahnreisen verzichten und lieber zum Teil speziell umgebaute Autos nutzen.

Dass barrierefreie Umbauten auf weitere Bauarbeiten abgestimmt werden müssten, hält er für ein vorgeschobenes Argument. Schon eine hydraulische Einstiegshilfe am Gleis würde Rollstuhlfahrern das Bahnfahren wesentlich erleichtern - und diese komme ganz ohne weitere Umbaumaßnahmen aus. Auch Überquerungshilfen direkt an Gleisen seien technisch leicht umzusetzen. Sowohl zur Bedienung der Hebebühnen als auch bei der Überquerung der Gleise müsse allerdings Personal der Bahn vor Ort sein, das es vor allem an vielen kleinen Bahnhöfen gar nicht mehr gebe. Selbst wenn der Zugang zum Bahnsteig barrierefrei sein sollte - der Einstieg in den Zug sei es oft nicht.

Vermutung 3: Fachkräfte für den Umbau fehlen

BR24-User "Sodenknetnuri" schreibt: "(...) Hier herrscht schon länger Fachkräftemangel!"

Laut Pro-Bahn-Experte Barth kann der Fachkräftemangel ein Grund sein. Dass Personal fehle, sei aber auch nicht verwunderlich: "Da jahrzehntelang viel zu wenig gebaut wurde, gibt es entsprechend wenige Mitarbeiter", sagt er. Das könne aber geändert werden.

Allerdings konkurriere der barrierefreie Ausbau der Bahnhöfe mit den dringend notwendigen Erhaltungs- und Erneuerungsarbeiten im Schienennetz. Barth sagt, dass die Bahn-Infrastruktur durch die unzureichende Finanzierung der letzten Jahrzehnte teilweise in einem derart schlechten Zustand sei, dass sie in Form regelrechter "Notaktionen" repariert werden müsse. Diese seien jedoch oft kurzfristiger, bedeuteten mehr koordinativen Aufwand, seien teurer und es würden nur die dringendsten Punkte angegangen, "sprich: die grundsätzlichen Defizite nicht behoben".

Die Bahn schreibt auf Nachfrage: "Vor dem Hintergrund des allgemeinen Fachkräftemangels sind die Ressourcen in der Baubranche begrenzt." Hermann Zöller will das nicht zählen lassen. Viele Missstände seien seit Jahrzehnten bekannt, und damals herrschte noch kein Fachkräftemangel, sagt er. Jan Gerspach vom VdK sagt, der Fachkräftemangel spiele sicher eine Rolle. Es gebe aber auch lukrativere Angebote als die der Bahn.

Vermutung 4: Großprojekte werden priorisiert

"senex" schreibt: "Die Milliardengräber Stuttgart21 und zweite Stammstrecke in München haben Priorität (...)"

Nach einem Gerichtsurteil Anfang Mai steht fest: Die milliardenteuren Mehrkosten von Stuttgart 21 muss die Deutsche Bahn alleine tragen. Aber ist deswegen automatisch für andere Projekte kein Geld mehr da?

"Das ist offensichtlich", sagt der frühere Pflegedienstleiter Hermann Zöller. Auch Andreas Barth von Pro Bahn sieht das so. Bei knappen Ressourcen hätten oftmals die teuren Projekte Vorrang. Im Falle des zweiten S-Bahn-Tunnels für München sei diese Problematik bereits lange vor Baubeginn im Landtag angesprochen worden. Barth sagt: "Das politisch forcierte einseitige Setzen auf wenige Großprojekte führt zu Geldmangel und Verzug bei Projekten in ganz Bayern."

Ganz so einfach sei es aber nicht, sagt Alexander Kaas Elias vom VCD. Zwar sei für den barrierefreien Ausbau des Fernverkehrs die Bahn zuständig, für den Regionalverkehr sei es aber der jeweilige Aufgabenträger, also beispielsweise ein Verkehrsverbund. Da viele Bahnhöfe sowohl vom Fern- als auch vom Regionalverkehr angefahren werden, mache das die Sache kompliziert, wie die zweite Stammstrecke in München zeigt. Hier gebe es eine Mischfinanzierung von Land und Bahn. Im Zweifel würde derzeit allerdings eher bei Rad und Schiene als beispielsweise am Straßenbau gespart.

Die Bahn sagt dazu, nicht die Größe des Projektes sei entscheidend für die Priorisierung, sondern der Standort. Stärker frequentierte Stationen würden eher gefördert. Schließlich sollen möglichst viele Reisende profitieren.

Vermutung 5: Bürokratie bremst den Ausbau

User "UdoV" ist der Meinung: "Das Problem ist aber wohl weniger der politische Wille als die Prozesse und Bürokratie in Deutschland, die jedes Vorhaben in die Länge ziehen."

Die Bahn sieht das auch so und spricht von "umfassenden Genehmigungsverfahren mit entsprechend langen Bearbeitungszeiten". Von der Planung bis zum Baustart können oft mehrere Jahre vergehen. Vorausgesetzt, es fänden sich ausreichend Kapazitäten bei Planungsbüros und Baufirmen.

Für Andreas Barth vom Fahrgastverband Pro Bahn sind das hingegen vorgeschobene Argumente. Die staatlichen Genehmigungsverfahren seien in den vergangenen Jahren schließlich deutlich vereinfacht worden. Allerdings gebe es innerhalb der DB eine umfangreiche Vorschriftenliste, die oft zu unnötig langen und aufwendigen Baumaßnahmen führe. Zudem gebe es beim Zuschusswesen Schwellenwerte, die nicht immer Sinn machten. "Das hat beispielsweise schon dazu geführt, dass funktionierende Bahnsteigdächer zurückgebaut wurden, weil zu wenig Reisende für die Länge des Dachs vorhanden waren", erzählt Barth.

Kaas Elias ergänzt, dass für Planungsarbeiten oft zu wenig Personal vorhanden sei. Und: "Es gibt keine Fristen, bis wann Verfahren fertig sein müssen." Aber zumindest bei der Anschaffung von mobilen Einsteighilfen dürfte die Bürokratie nicht als Grund gelten, sagt der frühere Pflegedienstleiter Zöller. Und Jan Gerspach vom VdK Bayern fügt hinzu: Aufwendige Planungsmaßnahmen dürften schließlich nicht als Grund dafür hergenommen werden, dass notwendige Umbaumaßnahmen gar nicht erst begonnen werden.

Vermutung 6: Bürger verhindern die Barrierefreiheit selbst

User "Ape999" glaubt: "(...) Bei jeder Baustelle gibt es fünf Bürgerinitiativen, die einen Fischotter oder eine Fledermaus schützen wollen."

Sind es am Ende also die Bürger selbst, die den barrierefreien Ausbau der Bahn behindern? Andreas Barth von Pro Bahn nennt diesen Aspekt "nicht relevant". Und auch Alexander Kaas Elias vom VCD sagt: "Umwelt- und Naturschutzverbände sind bei Schienenaus- und -neubaumaßnahmen nur für einen Bruchteil der Klagen verantwortlich." Bei Maßnahmen für mehr Barrierefreiheit gebe es gar keine. Denn wenn diese im Planverfahren umgesetzt würden, gäbe es keine öffentliche Auslegung und damit auch keine Einwendungsmöglichkeit.

Die Bahn verspricht unterdessen, den barrierefreien Ausbau gemeinsam mit Bund und Freistaat in den nächsten Jahren voranzutreiben. Mit dem aktuellen Stand scheint man dort aber zufrieden. Eine Sprecherin teilt mit, dass der barreriefreie Ausbau von Bahnhöfen in Bayern gut vorankomme - zumindest wenn man das in Anbetracht der zur Verfügung stehenden Mittel und Ressourcen sehe.

In den vergangenen fünf Jahren habe man in Bayern mehr als 50 Bahnhöfe barrierefrei umgebaut. Als Beispiele nennt eine Sprecherin Ansbach, Augsburg, Würzburg, Sünching bei Regensburg, Senden bei Neu-Ulm, Pleinfeld in Mittelfranken und Rottendorf bei Würzburg. Von den knapp 1.000 Bahnhöfen in Bayern sind nach Angaben der Bahn mehr als 700 bereits stufenfrei erreichbar. Immerhin: Im Jahr 2028 soll dann auch der Bahnhof von Münchberg dazu gehören.

Allerdings: Stufenfrei ist nicht barrierefrei. Letzteres bedeutet nicht nur rollstuhlgerecht, sondern sieht auch eine Ausstattung für Blinde und Sehbehinderte mit taktilen Leitsystemen und Ansagen vor, zudem einfache Texte für Menschen mit Verständnisproblemen und geringen Sprachkenntnissen. Als tatsächlich barrierefrei gelten daher noch nicht einmal 50 Prozent der Bahnhöfe und Haltestellen in Bayern.

Im Video: Das Warten auf Barrierefreiheit bei der Bahn

Ein Rollstuhlfahrer steht an einem Bahnhof mit seinem Rollstuhl vor Treppenstufen.
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In Münchberg im Landkreis Hof ärgern sich mobil eingeschränkte Menschen über die seit Jahren andauernden Planungen der DB für einen Aufzug.

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