💬 Mitdiskutieren lohnt sich: Dieser Artikel im Rahmen des BR24 Projekts "Dein Argument" greift User-Kommentare zur Berichterstattung bei BR24 am ersten Schultag auf. 💬
Schüler und Lehrer in Bayern sind in ein neues Schuljahr gestartet. Der Lehrermangel ist eine der großen Herausforderungen. Mit der geplanten Anhebung der Einstiegsbesoldung von Grund- und Mittelschullehrern auf das Niveau von Gymnasiallehrern will die Koalition aus CSU und Freien Wählern die Attraktivität des Berufs steigern. Gute Bezahlung sei wichtig, finden auch mehrere Kommentatoren bei BR24.
Doch User "Teacha" befürchtet: Die Anhebung werde das Problem nicht lösen, "sondern nur verschieben". Zumal User "zukunftsbewegt" meint: "Bildung lässt sich nicht an Lehrereinkommen messen." Die Defizite seien unter anderem veraltete Schulbauten, fehlende Förderkonzepte und eine überbordende Bürokratie. Um eine Zahl zu nennen: Im KfW-Kommunalpanel 2023 – das auf Befragung der Kämmereien beruht – wird ein wahrgenommener Investitionsrückstand der Kommunen bei Schulgebäuden von 47,4 Milliarden Euro verzeichnet.
Zahlt Deutschland Lehrern zu wenig?
In der Community entsteht eine Diskussion, wie viel die Lehrer im internationalen Vergleich verdienen. Manche meinen, die Gehälter in Deutschland seien vergleichsweise gut. Der OECD-Bericht "Bildung auf einen Blick 2022" bildet den Durchschnitt der Jahresgehälter von Lehrkräften an öffentlichen Bildungseinrichtungen in der Sekundarstufe 1 unter 45 Ländern ab. Deutschland schneidet demnach beim Anfangsgehalt sehr gut ab, nur Luxemburg zahlt demnach mehr. OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher hielt damals fest: Allein die Bezahlung sei für die Attraktivität des Berufs aber nicht entscheidend.
In Finnland etwa sind die Gehälter niedriger – doch der Lehrerberuf ist begehrt. Dass dort Lehrer in der Gesellschaft viel angesehener seien, wie einige BR24-User schreiben, bestätigte auch Finnland-Kenner Hans W. Giessen Anfang des Jahres in einem WDR-Interview. So hätten finnische Lehrer mehr Freiheiten und Verantwortung. Unterschiedliche Bildungskulturen erschweren Vergleiche jedoch.
Beispiel Finnland: Zugang lieber erschweren?
Ein Vorstoß in diese Richtung – der nicht ganz neu ist – von Ludger Wößmann, Bildungsexperte und Leiter des ifo Zentrums für Bildungsökonomik in München, aus der BR24-Publikation zum Schulstart bleibt nicht unkommentiert. Sein Gedanke: Statt die Standards für den Lehrerberuf zu erleichtern, könne man auch darüber nachdenken, den Zugang zu erschweren. "Das kann dazu führen, dass gute Leute nicht mehr das Gefühl haben, da kommt jeder rein." Er rät, den Blick nach Finnland zu richten. Dort gibt es ein strenges, mehrstufiges Auswahlverfahren, auch um ein Gespür für die Bewerber zu bekommen.
BR24-User "Darnie" wünscht, an der Idee dranzubleiben. Doch andere Nutzer zeigen sich skeptisch: Man könne sich in Finnland harte Zugangsbeschränkungen leisten - so User "Mamaleone" -, weil dort sehr gute Arbeitsbedingungen für Lehrer geboten würden, also kleine Klassen, Förderkräfte, weitgehende Autonomie der Schulen etc. Andere sehen den Erfolg Finnlands durch Schulrankings belegt. Deren Pisa-Ergebnisse waren jedoch nicht immer exzellent.
Was die hohen Hürden angeht, wirft "imago" noch einen Punkt ein – die sozialen Fähigkeiten als Lehrkraft:
"Landsberger" verweist zudem auf den viele Jahre existierenden Numerus clausus in Bayern für ein Lehramtsstudium - für das Grundschullehramt mittlerweile abgeschafft - sowie eine Einstellungsnote nach dem 2. Staatsexamen. "Das Ergebnis kennen und spüren alle, wir haben einen Lehrermangel."
Und das, obwohl die BR24-Serie zu Koalitionsversprechen zeigt: Seit dem Schuljahr 2019/20 wurden jährlich mindestens 1.065 Lehrerplanstellen in Vollzeit geschaffen und auch besetzt – die Pläne von CSU und Freien Wählern wurden somit sogar übertroffen. Rund um das Thema Lehrermangel diskutierte die BR24-Community auch schon früher intensiv.
G8-Jahrgänge in Bayern sind bald Geschichte
Bayern hat nun auch einen besonderen Fall vor sich: Im Schuljahr 2024/2025 werden keine regulären Abiturprüfungen stattfinden, denn G8-Klassen gibt es nicht mehr und die G9-Schüler haben noch ein weiteres Jahr vor sich. Vor über sechs Jahren beschloss die CSU-Fraktion nach einem langen Prozess das Zurück zum neunjährigen Gymnasium. Das System sei "übergestülpt" worden, schreibt ein User. Dabei erklärt Nutzer "aricrem", dass er anfangs für G8 gewesen sei, nun aber Tücken sieht:
Andere Nutzer schildern persönliche Erfahrungen aus ihrer Familie. Im ersten "Hau-Ruck-G8-Jahrgang" hätten damals teils Bücher gefehlt und Lehrer seien verunsichert gewesen, schreibt "Nosferatu". Wird es mit ausschließlich G9-Klassen besser? Abwarten. Dass nach der erneuten Umstellung wieder Bücher fehlten, war jedenfalls zu lesen – und auch von Problemen der Schulen, noch mehr Kinder zu versorgen.
Bayerische Verfassung in Schulen behandeln?
Geht es nach dem Bayerischen Landesverein für Heimatpflege, soll sich an bayerischen Schulen künftig aber noch etwas ganz anderes ändern. Nach der Idee des früher üblichen Morgengebets schlagen die Heimatpfleger einen Textimpuls ab der vierten Klasse vor. Mindestens einmal pro Woche soll eine Passage aus der Bayerischen Verfassung oder dem Grundgesetz vorgestellt werden.
Danach könnte darüber diskutiert und nachgedacht werden. Angesichts eines Bedeutungsverlusts der Kirchen brauche es säkulare Konzepte, um den Menschen die grundlegenden Vorgaben für ein friedliches Zusammenleben in Freiheit zu vermitteln, heißt es zur Begründung.
Die BR24-Community schreibt dazu mehrheitlich: gutes Projekt. Über Namen und Ausgestaltung solle man sich allerdings noch Gedanken machen. Einige Leser sehen die Inhalte des Projektes zudem bereits mit dem Schulfach Sozialkunde abgedeckt. Wegen des Bedeutungsverlustes der Kirchen fordern einige User: mehr Staatskunde statt Religionsunterricht. "Ein Fach über unser reales Zusammenleben und wie wir sicherstellen, dass es gut bleibt, wäre da viel zielführender", schreibt User "Migg".
Werte in Familien vermitteln, nicht in der Schule
Andere halten dagegen, dass die Erziehung von Werten, wie dem respektvollen Umgang und gesellschaftlichem Miteinander, Aufgabe der Familien und nicht der Schule sei. Entsprechend fordern einige wenige Foristen, der Staat möge sich aus der Erziehungsarbeit heraushalten. Eltern würden zunehmend Aufgaben an die Schule delegieren, heißt es von anderen. So schreibt "Linus67": "Ein Versagen der häuslichen Erziehung kann nicht über schulische Angebote kompensiert werden."
Den Schülern Werte zu vermitteln, halten wiederum andere hingegen für dringlich, gerade in einer Welt, die zunehmend an Spaß und Unterhaltung orientiert sei. Vor allem berufstätige Eltern hätten dafür zunehmend weniger Zeit.
Morgenrituale als "Relikte totalitärer Systeme"
Morgenrituale, wie vom Landesverein für Heimatpflege angeregt, sehen einige Leser allerdings auch aus einem anderen Grund skeptisch. Sie fühlen sich an Praktiken sogenannter Schein-Demokratien erinnert und verweisen auf ähnliche Rituale in China, Russland oder der früheren DDR.
Es handle sich um "Relikte totalitärer Systeme", so ein Leser. Gegner dieser Meinung verweisen auf die USA, wo Rituale wie das Singen der Nationalhymne in Schule und bei Sportveranstaltungen üblich seien. In Deutschland sei das wegen eines "Schuldkultes" - meinen einige Foristen, den sie auf die Verbrechen der Nationalsozialisten beziehen - aber undenkbar.
Wiederum andere bezweifeln die Umsetzbarkeit eines derartigen Rituals vor allem in Schulklassen mit einem hohen Anteil an Schülern und Schülerinnen, die einen Migrationshintergrund haben und in denen es entsprechend hohe sprachliche Barrieren gebe. Diskutiert wird aber auch, wie politische Ansichten von Lehrern in einem solchen Fall verhindert werden könnten. Der ein oder andere Leser will sich an Lehrer erinnern, die dem Rechtsstaat abgewandt waren.
Stumpfes Ritual oder Diskussion und Reflexion?
Kritik äußern einige Leser auch an der Methodik. Wie auch Bayerns Bildungsminister Michael Piazolo sehen einige wenig Sinn darin, Passagen aus der Bayerischen Verfassung nur vorzutragen. Vielmehr wird eine tiefergehende Diskussion und Reflexion der Textpassagen gefordert. "Mamaleone" schreibt dazu: "Anstatt die Schüler*Innen kritisch über Verfassung, Grundgesetz und Demokratie aufzuklären, lieber ein stumpfes Ritual jeden Morgen. Ganz nach dem Motto: ihr müsst es nicht verstehen, glauben reicht."
"Eumelinchen" hält dagegen: "Natürlich reicht so ein Ritual allein nicht aus. Es könnte aber schon ein wichtiger Impuls sein, um sich den Tag über mit dem Thema zu beschäftigen." Rituale hätten den Vorteil, ein Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Das Gefühl für gemeinsame Werte gehe schließlich immer mehr verloren.
Im Audio: Morgenritual zur bayerischen Verfassung und zum Grundgesetz an Schulen?
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