Symbolbild: Schüler und Lehrerin in einem Klassenzimmer
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3.000-Euro-Prämie lockt kaum Lehrer nach Bayern

Die Unterrichtsversorgung in Bayern ist laut Kultusminister Piazolo zum Start des Schuljahrs gesichert. Er führt dies auch auf die umstrittene Lehrerprämie zurück. Was hat sie konkret gebracht? BR24 hat nachgehakt: Zahlen und kritische Reaktionen.

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Der Aufschrei in Deutschland war groß: Als Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Anfang des Jahres eine Abwerbeprämie für Lehrer aus anderen Bundesländern ankündigte, hagelte es Kritik. Dennoch führte der Freistaat eine "Regionalprämie" von 3.000 Euro für Lehrer aus Bayern oder anderen Ländern ein, die sich für den Einsatz an einer Schule in einer Region mit besonders hohem Personalbedarf entscheiden.

Während der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Stefan Düll, die Prämie kürzlich im BR-Interview als "Schaufensterpolitik" kritisierte, trägt sie laut Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) dazu bei, die Unterrichtsversorgung im Freistaat zu gewährleisten. Der Schulstart sei aus seiner Sicht "gelungen", betonte Piazolo am Mittag nach einer Kabinettssitzung. Es sei zwar eine Herausforderung, die Unterrichtsversorgung im gesamten Schuljahr sicherzustellen, zum Start sei dies aber geglückt. "Wie haben wir das getan? Insbesondere durch Quereinsteiger, aber auch durch unsere Regionalprämie und manche Maßnahme mehr."

Doch welchen Beitrag leisten aus anderen Bundesländern angeworbene Lehrkräfte konkret? Welchen Effekt hat die Regionalprämie? BR24 hat beim Kultusministerium nachgehakt.

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Nur 35 von 450 Prämien gehen an außerbayerische Bewerber

Zwar haben gab es laut einem Ministeriumssprecher zum September dieses Jahres 285 Bewerberinnen und Bewerber "mit außerbayerischem 2. Staatsexamen" - "was - trotz des deutschlandweit angespannten Bewerbermarkts - gegenüber dem Vorjahr einem Plus von rund drei Prozent entspricht". Schnelle Rückschlüsse auf den Erfolg der viel diskutierten bayerischen Prämie lässt diese Zahl aber nicht zu. Denn die Zahlung von 3.000 Euro erhalten nur Lehrerinnen und Lehrer, die ab September 2023 "an einer Schule in einer der ausgewiesenen Regionen mit hohem Lehrkräftebedarf eingesetzt werden".

Nach Angaben des Kultusministeriums ist die für die Regionalprämie vorgesehene Summe von 1,5 Millionen Euro für 2023 weitgehend verplant. "Nach aktuellem Stand befinden sich unter den rund 450 prämienberechtigten Neueinstellungen ca. 35 Neueinstellungen außerbayerischer Bewerberinnen und Bewerber", teilte der Sprecher mit. Das entspricht einem Anteil von etwa acht Prozent. Zugleich bedeutet es auch, dass noch Geld für rund 50 Lehrer übrig wäre.

BLLV: Ziel nicht erreicht

Die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), Simone Fleischmann, sagte BR24 zu den Zahlen des Ministeriums: "Für uns gilt aktuell, wirklich jeden Strohhalm zu nehmen, der irgendwie hilft, die Unterrichtsversorgung sicherzustellen." Wenn sich eine Lehrkraft in eine Region versetzen lasse, "wo es ziemlich brennt", sei es aus BLLV-Sicht zunächst egal, ob es ein bayerischer oder außerbayerischer Bewerber sei. Es gehe darum, Löcher zu stopfen - und zwar möglichst mit "Profis, also mit Lehrerinnen und Lehrern", statt beispielsweise mit Quereinsteigern.

Allerdings werde gleichzeitig anderswo ein neues Loch aufgemacht - und zwar überwiegend in Bayern. Das ursprüngliche Ziel des Ministerpräsidenten sei gewesen, Lehrer aus anderen Bundesländern anzuwerben. "Das scheint ja jetzt bei acht Prozent nicht gelungen zu sein", erläuterte Fleischmann.

Realschullehrerverband: Keine geeignete Maßnahme

Der Bayerische Realschullehrerverband sieht sich in seiner Skepsis gegenüber der Regionalprämie bestätigt. Eine Prämie könne zwar durchaus einen Anreiz für den Einstieg in den Lehrerberuf bieten, sagte BRLV-Chef Ulrich Babl BR24. Ohne die Zahlen im Detail zu kennen, scheine sich jedoch zu bestätigen, was der Verband bereits Mitte April kritisiert habe. "Die Regionalprämie ist keine geeignete Maßnahme zur Lösung des Lehrermangels, sorgt lediglich für Mitnahmeeffekte, wirkt willkürlich und schafft ein Ungleichgewicht!"

Es sei äußerst fragwürdig, dass beispielsweise der Raum München trotz des enormen Personalbedarfs und der sehr hohen Lebenshaltungskosten komplett davon ausgenommen worden sei. Auch der bürokratische Aufwand zur Abwicklung der Prämie stehe in keinem Verhältnis zum Nutzen. "Ein Ziel hat die Ankündigung der Prämie zumindest erreicht: öffentliche Aufmerksamkeit und Unfrieden bei den benachbarten Bundesländern", kritisierte Babl. "Die Mittel für die Regionalprämie sind in Zukunft sicherlich an anderer Stelle besser eingesetzt, zum Beispiel bei der Ausgestaltung von Quereinstiegsmaßnahmen oder ansprechenden und authentischen Kampagnen zur Lehrkräftegewinnung."

Ministerium wehrt sich gegen Kritik

Mitte Januar hatte Ministerpräsident Söder bei der CSU-Winterklausur 6.000 neue Lehrerstellen bis 2028 versprochen und angekündigt, außerbayerische Lehrkräfte mit einem "Paket für Start- und Umzugshilfe" in den Freistaat locken zu wollen. Vier Wochen später beschloss das bayerische Kabinett "finanzielle Anreize" für Lehrer, die laut Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) auch "deutschlandweit wirken sollen". Zudem werde es eine "Umzugskostenvergütung für außerbayerische Lehrkräfte" geben. Mitte April sprach Piazolo unter anderem von einem "zusätzlichen Anreiz", sich "zum neuen Schuljahr in den bayerischen Schuldienst zu bewerben".

Aus anderen Bundesländern gab es daran massive Kritik. "Das ist genau der falsche Weg und widerspricht auch unserer Vereinbarung zwischen den Ländern", beklagte Schleswig-Holsteins Kultusministerin Karin Prien (CDU). Ihre baden-württembergische Schulministerin Theresa Schopper sagte, Bayern verlasse den fairen Wettbewerb. Und der Hamburger Schulsenator Ties Rabe (SPD) betonte: "Dieser Kannibalismus löst keine Probleme." Auch Vertreter bayerischer und bundesweiter Lehrerverbände sowie des Bayerischen Elternverbands äußerten sich kritisch.

Das Kultusministerium weist entsprechende Vorwürfe zurück. Die Regionalprämie richte sich sowohl an inner- als auch an außerbayerische Bewerberinnen und Bewerber. "Damit kann von einer gezielten Abwerbung von Lehrkräften aus anderen Bundesländern nicht die Rede sein", teilte ein Sprecher dem BR mit. Dass Lehrkräfte sich für den Schuldienst in anderen Bundesländern bewerben können, sei seit vielen Jahren Praxis. Zudem sei Bayern nicht das einzige Bundesland, das zusätzliche finanzielle Anreize geschaffen habe.

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