Migranten steuern ein Boot von der Nordküste Afrikas über das Mittelmeer in Richtung der italienischen Insel Lampedusa.
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Migranten steuern ein Boot von der Nordküste Afrikas über das Mittelmeer in Richtung der italienischen Insel Lampedusa.

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Weber: "Europa muss an Außengrenze für Ordnung sorgen"

Angesichts der zunehmenden Migration sieht EVP-Chef Weber Handlungsbedarf bei der Bundesregierung: Kanzler Scholz müsse nach Lampedusa und Tunesien, sagte Weber dem BR. Grünen-Chefin Lang wirft dem CSU-Vorsitzenden Söder vor, "Nebelkerzen" zu werfen.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, verlangt von der Bundesregierung ein stärkeres Engagement für den gesamteuropäischen Kampf gegen zunehmende Migration. "Berlin muss endlich aktiv werden", sagte der CSU-Vizevorsitzende dem BR. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) müsse ins Flugzeug zu steigen und auf die besonders betroffene italienische Mittelmeerinsel Lampedusa sowie nach Tunesien reisen.

Die EU habe mit Tunesien ein Abkommen ausgehandelt, das dem Land wirtschaftliche Hilfe anbiete, wenn es Schlepperbanden im Mittelmeer das Handwerk lege, erläuterte Weber. Diese Einigung liege auf dem Tisch und müsse in die Tat umgesetzt werden. Von der Berliner Ampel-Regierung gebe es bisher aber kein Bekenntnis dazu – dies müsse jetzt kommen. "Europa muss an der Außengrenze für Ordnung sorgen. Und im Mittelmeer müssen die Zahlen jetzt schnell runter", betonte der EVP-Chef. "Und deswegen müssen wir mit unserem Nachbarn reden."

"Das Migrationsthema brennt jetzt"

Dass die CSU die Migration drei Wochen vor der Landtagswahl verstärkt thematisiert, liegt laut Weber an aktuellen Entwicklungen. "Bürgerliche Politik muss Themen dann anpacken, wenn sie anstehen und das Migrationsthema brennt jetzt." In den Kommunen sei die Belastungsgrenzen nicht nur erreicht, sondern überschritten. "Deshalb müssen wir jetzt handeln." Konkret bedeute dies, "das Tunesien-Abkommen mit Leben zu erfüllen".

Die CSU wolle Humanität, so Weber. "Bei den Ukrainern leistet Europa aktuell so viel wie noch nie in unserer Geschichte vorher von den Zahlen her." Gleichzeitig gelte es, dafür zu sorgen, dass den Schlepperbanden das Handwerk gelegt, dass an der Grenze für Ordnung gesorgt und auch mal Härte gezeigt werde, wenn es notwendig sei. Auf die Forderung von CSU-Chef Markus Söder nach einer "Integrationsgrenze" von 200.000 ging Weber nicht ein.

Weber: Scholz und Macron haben sich fürs Nichtstun entschieden

Nach Meinung des EVP-Chefs können die Europäer die Migrationsherausforderung nur gemeinsam bewältigen, wie er auch in einem Gastbeitrag für den "Münchner Merkur" betonte. "Die Migranten wollen ja nicht nach Lampedusa, sondern nach Europa und auch nach Deutschland." Leider sei die Ampel ein entscheidender Bremsklotz für eine schnelle Einigung in der EU. "Wir brauchen den Migrationspakt, der Grenzkontrollen an der EU-Außengrenzen stärkt, geordnete Asyl-Verfahren an der EU-Außengrenzen einführt, Asylverfahren strafft, Abschiebungen konsequent anwendet und den Missbrauch von Sekundärmigration bekämpft."

Als er zum Jahreswechsel vor einer drohenden neuen Migrationskrise gewarnt und mit der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni europäische Lösungen diskutiert habe, sei er "nicht nur in Brüssel, sondern auch in Berlin heftig kritisiert" worden, beklagte Weber. Die EVP habe vor jedem EU-Gipfel zum Handeln gedrängt. Doch Kanzler Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hätten sich fürs "Nichtstun" entschieden. Macron habe stattdessen die Grenzen zu Italien geschlossen. "Das Sterben im Mittelmeer vor der Küste von Italien wurde dadurch nicht gestoppt, das Problem nur größer gemacht."

CSU-Politiker Ferber: Verständnis für härteres Vorgehen Italiens

Auch der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber mahnt eine europäische Lösung an. Wenn immer mehr EU-Mitgliedstaaten untereinander Grenzkontrollen einführten, gelte es aufzupassen, "dass uns nicht der Schengenraum verloren geht", sagte er der "radioWelt" auf Bayern2. Bei der polnischen Wahl Mitte Oktober werde gleichzeitig ein Referendum abgehalten, das sich gegen einen europäischen Verteilungsschlüssel wende. "All das sind ja Indizien dafür, dass wir jetzt wirklich mal gemeinsam auf europäischer Ebene voranmarschieren müssen."

Zugleich zeigte Ferber Verständnis für die Entscheidung Italiens, die Maßnahmen gegen illegale Migration zu verschärfen. "Ich habe Verständnis dafür, dass Italien sagt: 'Ich kann ja nicht, weil ich einfach geografisch der nächste Anlandepunkt bin, die ganze Last für ganz Europa tragen."

Die Asylsysteme müssten für jene offen gehalten werden, denen wirklich Verfolgung drohe, betonte der CSU-Politiker. Deswegen müssten andere konsequent zurückgeschickt werden. "Das ist momentan eigentlich unser Hauptproblem, und das müssen wir lösen." Die Bundesregierung sei nicht sehr konstruktiv bei den Verhandlungen.

FDP macht Merkel mitverantwortlich

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai machte dagegen am Montagabend in den ARD-"Tagesthemen" die Union mitverantwortlich für die aktuelle Lage. Die Erfolge in der europäischen Migrationspolitik seit 2015 seien bescheiden, und die vorherige Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe "einiges dazu beigetragen, dass wir dieses Problem haben". Es müsse endlich eine konkrete europäische Lösung erzielt werden.

Auch die Koalitionspartner in der Ampel-Regierung sieht Djir-Sarai in der Pflicht. "Ich hoffe, dass jeder in dieser Regierung auch inzwischen verstanden hat, wie gefährlich und wie problematisch diese Lage ist. Die Migration, die wir derzeit in Deutschland erleben, überfordert die Menschen in unserem Land." Konkret pochen die Liberalen unter anderem darauf, Marokko, Tunesien und Algerien zu sogenannten sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, um die Asylverfahren von Staatsbürgern dieser nordafrikanischen Staaten zu beschleunigen. Alle innerhalb in der Koalition müssten "über ihren Schatten springen", forderte der FDP-Politiker.

AfD: Keine ernsthaften Gegenmaßnahmen in Bayern

Der bayerische AfD-Fraktionschef Ulrich Singer warf der CSU und der Staatsregierung in der "Passauer Neuen Presse" vor, bei der "enormen Zunahme der illegalen Migration" in Bayern "keine ernsthaften Gegenmaßnahmen" zu setzen. Alles, was zum Thema Asyl von der CSU komme, sei "reinste Augenauswischerei". Denn sonst hätte die CSU laut Singer das noch mit der "vorherigen Bundesregierung lösen können und hätte längst alle illegalen Migranten aus Bayern wieder abgeschoben".

Ministerpräsident Söder hatte in den vergangenen Tagen mehrfach eine "Wende in der Migrationspolitik" und "einen Deutschlandpakt gegen unkontrollierte Zuwanderung" gefordert. Die alte Obergrenze von 200.000 Asylbewerbern habe bis zur Ampel-Regierung funktioniert. Nötig sei nun eine "Integrationsgrenze" von "maximal 200.000" Migranten im Jahr. Söder verlangte eine deutsche Grenzpolizei nach bayerischem Vorbild, die konsequente Abschiebung Krimineller und eine Senkung der Sozialstandards für Flüchtlinge.

Grüne: Söder wirft "Nebelkerzen"

Die Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang warf dem CSU-Chef vor, "Nebelkerzen" zu werfen, wenn er jetzt von Obergrenzen spreche. "Er kann selbst nicht sagen, wie sowas umgesetzt werden soll." So mache man Stimmung im Wahlkampf und spalte, löse aber kein einziges Problem in diesem Land.

Lang betonte: "Stattdessen brauchen wir ernsthafte Lösungen: europäische Verteilung, finanzielle Unterstützung der Kommunen, schnellere Verfahren, Arbeitsverbote aufheben und Arbeitsmarktintegration voranbringen und Migrations- und Rückführungsabkommen zügig abschließen."

Im Video: Interview mit Migrationsforscher Gerald Knaus

Interview mit Migrationsforscher Gerald Knaus
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Interview mit Migrationsforscher Gerald Knaus

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