Großformatige, poppig bunte Bilder von nackten Männern konnte man im vergangenen Sommer in der Nürnberger Egidienkirche sehen. Es handelte sich dabei um die Ausstellung "Jesus liebt" mit Werken des Künstlers Rosa von Praunheim – einer Ikone der Queer-Community. Von Praunheim kritisiert unter anderem die kirchliche Haltung zu Homosexualität. Seine Ausstellung führte zu einem Eklat und wurde nach heftiger Kritik nach wenigen Tagen wieder geschlossen.
Wie halten es die Protestanten mit der Queerness?
Jetzt will eine Arbeitsgruppe, die sogenannte AG Queer der bayerischen Landessynode, herausfinden: Wie genau ist denn die Haltung der Protestanten zu Queerness? Welche Probleme gibt es? Was muss vielleicht aufgearbeitet werden?
Dazu fand am Wochenende ein öffentliches Hearing im Pfarrsaal der Nürnberger Lorenzkirche statt. Als schwul und trans habe er es sich in den vergangenen Jahren gut überlegt, ob er sich in der Kirche outen wolle, sagt etwa Finn Schwarz, Sprecher des Lesbisch-Schwulen Konvents in der Evangelischen Landeskirche – und Theologiestudent. Seine Befürchtung: "Diskriminierung und Hürden in meiner weiteren Berufslaufbahn". Mittlerweile habe er aber Vertrauen, dass Queersein akzeptiert wird, auch aufgrund der Arbeitsgruppe, die das Thema in die Landessynode einbringt.
Wunsch nach öffentlichem Schuldbekenntnis
Die AG Queer wurde nach der Herbsttagung der evangelischen Landessynode 2023 gegründet. Sie hat zu der Anhörung eingeladen und auch schon mehrere Anliegen queerer Menschen gesammelt. So gebe es unter anderem den Wunsch nach einem öffentlichen Schuldbekenntnis der Landeskirche für das Leid, das queere Menschen in den vergangenen Jahrzehnten erlitten hätten, sagt der evangelische Theologe Christian Albrecht, Mitglied der Synode und Vorsitzender der AG Queer.
Als Vorbild sehen einige die Stuttgarter Schulderklärung von 1945 (externer Link), in der die Evangelische Kirche in Deutschland um Entschuldigung bat für die eigene Verstrickung in den Nationalsozialismus.
"Ich bin mir nicht sicher, ob das in dieser Opulenz das richtige ist, oder ob man damit nicht andere historische Situationen relativiert", sagt Albrecht im Gespräch mit dem BR. Richtig sei jedoch, dass die evangelischen Christen zum Ausdruck bringen müssten, "dass Dinge in der Vergangenheit so gelaufen sind, wie wir heute finden, dass es besser nicht hätte laufen sollen".
"Diskriminierung auch heute noch" – Betroffene berichten
Was hätte anders laufen sollen? Welches Leid haben Betroffene erfahren? Viele Anwesende melden sich bei dem Hearing zu Wort und berichten von persönlichen Schicksalen. Peter Bubmann, evangelischer Pfarrer, spricht von einem faktischen Berufsverbot in früheren Jahren, "denn als schwuler Mann, der seit 1983 mit einem anderen Theologen fest liiert ist, hätten wir in den 1990er Jahren gar nicht zusammen im Pfarrhaus und damit im Gemeindedienst leben können".
Elisabeth Beck, heute 72 Jahre alt und Religionspädagogin im Ruhestand, erzählt, wie sehr die nicht vorhandene Akzeptanz gegenüber gleichgeschlechtlich Liebenden, geschmerzt hat. "Es war ganz klar, Frauenbeziehung in der Kirche geht nicht, das heißt, wenn du eine hast, dann musst du sie verstecken."
Auch wenn sich die Zeiten geändert hätten, passiere noch heute Diskriminierung in Gemeinden, sagt Beck: "Mit abwertenden Bemerkungen, mit Ausschluss, und ich glaube, da muss wirklich noch viel, viel getan werden."
Evangelische Jugend will ein Umdenken erreichen
Etwas zu tun, hat sich die Evangelische Jugend bereits vor einigen Jahren vorgenommen. Von ihr kamen die ersten Forderungen an die Landessynode, zum Beispiel die Trauung für alle, also auch von homosexuellen Menschen. Momentan können sich gleichgeschlechtliche Paare nur segnen lassen. Die Evangelische Jugend fordert, dass die Unterscheidung im "Wording" aufgehoben wird.
Man wolle aber eigentlich mehr, als einzelne Forderungen durchsetzen, sagt Benedikt Kalenberg von der Evangelischen Jugend München – ein Umdenken erreichen, eine Art neue Kultur, in der Queersein selbstverständlich sei.
Ausstellung von Rosa von Praunheim macht "alte Denkmuster" sichtbar
So ähnlich sieht das auch Pfarrer Thomas Zeitler aus Nürnberg. Die Ausstellung von Rosa von Praunheim, die vergangenes Jahr in der Egidienkirche vorzeitig abgebrochen werden musste, habe deutlich gemacht, wie sehr alte Denkmuster verankert seien: "Wir haben natürlich immer Paare und heilige Familien in den Kirchen hängen und wenn dann mal ein Männerpaar da auftaucht, oder Sexualität auftaucht oder Maria kritisch angefragt wird in ihrer Jungfräulichkeit, dann löst das erstmal Reflexe aus."
Mit den Impulsen aus dem Hearing möchte die AG Queer nun erst einmal arbeiten – bis zur nächsten Tagung der Landessynode im Herbst. Theologiestudent Finn Schwarz geht mit einem guten Gefühl nach Hause: "Ich hoffe, dass das der Anfang dafür ist, dass sich diese Kirche verändern kann."
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
Sie interessieren sich für Themen rund um Religion, Kirche, Spiritualität und ethische Fragestellungen? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter. Jeden Freitag die wichtigsten Meldungen der Woche direkt in Ihr Postfach. Hier geht's zur Anmeldung.