Fragt man die Landtags- und Europaabgeordnete Ulrike Müller von den Freien Wählern, dann ist der Job des bayerischen Europaministers ein ziemlich entspannter. Der Minister mache natürlich Termine und Netzwerkspflege, sagt Müller mit einem süffisanten Lächeln. Europaminister, das sei eine "nette Arbeit", fasst sie zusammen. Zur Wahrheit gehört: Die "nette Arbeit", die Müller versucht herunterzuspielen, hätte sie selbst gern gemacht.
Europaparlamentarierin hätte den Job gern gehabt
Als Ulrike Müller im Herbst 2023 nach neun Jahren Abstinenz wieder für die Freien Wähler in den Landtag einzog, galt sie - zumindest bei den Freien Wählern - als Favoritin für das Amt der Europaministerin. Schließlich saß Müller jahrelang im Europäischen Parlament. An Erfahrung mangelte es ihr also nicht.
Und ebendiese spricht sie dem Neuen, der nun ein halbes Jahr im Amt ist, ab. Eric Beißwenger habe sich beim Europäischen Parlament, in Brüssel oder Straßburg, noch nicht so oft blicken lassen, sagt Ulrike Müller. Sie selbst habe mindestens eineinhalb Jahre gebraucht, bis sie die Strukturen und Unterschiede zwischen Brüssel, Straßburg, dem Parlament, der Kommission, dem Rat und die Interessen von 27 EU-Mitgliedsstaaten einigermaßen kapiert habe.
Eric Beißwenger sieht sich als bayerischer Außenminister
Dass am Ende Eric Beißwenger den Job bekam, liegt vor allem an der Arithmetik bei der Kabinettsbesetzung. Weil Klaus Holetschek CSU-Fraktionschef wurde, fehlte Markus Söder ein Schwabe in seinem neuen Kabinett. Die CSU achtet stets darauf, alle Regierungsbezirke bei der Vergabe von Ämtern zu berücksichtigen. Und so fiel die Wahl auf den Allgäuer Beißwenger, der in Mannheim geboren wurde.
Beißwenger beschreibt seine Arbeit wie die eines Diplomaten: "Ich bin der Quasi-Außenminister." Diesen Satz findet Europapolitikerin Müller "ein wenig hochgegriffen". Eine genauere Arbeitsplatzbeschreibung findet sich auf der Webseite der Bayerischen Staatskanzlei, in deren Gebäude sich auch das Büro des Europaministers befindet: "Der Staatsminister für Europaangelegenheiten und Internationales (...) koordiniert die Europapolitik, pflegt die Beziehungen Bayerns nach außen und beobachtet wichtige politische Vorgänge bei der Europäischen Union."
Bei Staatsbesuchen steht er in der zweiten Reihe
Eric Beißwenger hat in seiner kurzen Amtszeit den Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) zum Beispiel nach Serbien begleitet. Wenn aber auf dem Flughafen von Belgrad der rote Teppich ausgerollt wird, dann für den Ministerpräsidenten. Der Europaminister wird nicht - wie es beispielsweise bei Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) wäre - qua Protokoll ebenso von einem Außenminister begrüßt. Seine Rolle bleibt auch bei offiziellen Terminen eher im Hintergrund.
Foto mit Kommissionspräsidentin von der Leyen
Wenn Eric Beißwenger wie zuletzt vor der bayerischen Vertretung in Brüssel den Maibaum aufstellt, kommt immerhin auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) vorbei. Das gemeinsame Foto schafft es dann auf die Social-Media-Plattformen des Ministers, aber nicht in überregionale Tageszeitungen. Ebenso sprechen beim Europaparteitag der CSU als Hauptredner Parteichef Markus Söder und Spitzenkandidat Manfred Weber. Eric Beißwenger hat keinen offiziellen Auftritt.
Dass er in der zweiten Reihe steht, ist Beißwenger bewusst, ebenso wie seine Verantwortung. Man müsse als bayerischer Europaminister "demütig" sein und wissen, "dass man ein kleines Rädchen dreht". Das sei aber immerhin noch besser, als Sand im Getriebe zu sein.
Viel Diplomatie - wenig klare Zusagen
Die Rolle des Europaministers spielt überwiegend auf der diplomatischen Ebene. Dabei ist die notwendige Zurückhaltung ebenso gefragt wie das Sondieren der Lage vor größeren politischen Treffen. So könnte ein falsches Wort des Ministers ein anderes Land verstimmen.
Der Minister kann im europäischen Ausland kaum etwas konkret versprechen, sondern maximal etwas in Aussicht stellen. Zum Beispiel kann Beißwenger den EU-Beitrittskandidaten auf dem Balkan mitteilen, dass sich Bayern für sie einsetzen wird. Aber auch das muss eng in der Staatskanzlei abgestimmt sein. Verhandlungen kann er alleine nicht aufnehmen, aber sehr wohl sondieren, wie manche Länder und deren Staatschefs so ticken.
Im besten Fall ist der Minister im Herzen Europäer
Eines aber sollte ein Europaminister auf jeden Fall sein: im Herzen Europäer. Eric Beißwenger kann das von sich sagen. Er ist 51 Jahre alt und erinnert sich noch gut an die Zeiten von drei verschiedenen Geldbeuteln. Auf der Reise nach Italien brauchte man D-Mark, österreichische Schilling und italienische Lira. Heute bezahlt man überall mit Euro.
Beißwenger erinnert sich auch an strenge Grenzkontrollen und vor allem an den Eisernen Vorhang, der für den jungen Mann 1989 unüberwindbar schien. Der Fall des Eisernen Vorhangs, damals habe er Abitur gemacht, habe ihn bewegt, ihn die Politik zu gehen. Und heute seien diese Ereignisse eine Mahnung dafür, "was man verliert, wenn man kein Europa mehr hat".
Biobauer Beißwenger weiß über Brüssel Bescheid
Der leise Vorwurf seiner Allgäuer Freie-Wähler-Kollegin Ulrike Müller, Beißwenger müsse sich wohl noch etwas einarbeiten, stimmt zumindest für einen Punkt ganz sicher nicht. Der gelernte Bankkaufmann Beißwenger ist wie Müller auch Bauer, genauer gesagt: Biobauer. Was Entscheidungen in Brüssel für einen Hof in Bayern bedeuten, muss ihm keiner erklären.
Transparenzhinweis: Wir haben den Teaser des Artikels geändert. Grund waren Hinweise von BR24-Usern, wonach die Personalie Europaminister nicht in allen Bundesländern gleich gehandhabt wird.
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