Der russische Präsident reicht dem Minister die Hand
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Sergej Schoigu (links) mit Putin bei der Parade am 9. Mai

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"Ermöglicht Säuberung": Putin setzt Verteidigungsminister ab

"Ermöglicht Säuberung": Putin setzt Verteidigungsminister ab

Die überraschende Regierungsumbildung sorgt in Russland für teils befremdete, teils amüsierte Kommentare: Sergej Schoigu, Verteidigungsminister und langjähriger Vertrauter Putins, wird in den Sicherheitsrat abgeschoben: "Sieht nach Demütigung aus."

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Bei den russischen Militärbloggern weint Verteidigungsminister Sergej Schoigu niemand eine Träne nach: Der 68-jährige Putin-Vertraute gilt ihnen als korrupt, erfolg- und fantasielos. Der als "Pappkamerad" oder wegen seiner sibirischen Herkunft als "Rentier-Hirte" verunglimpfte Politiker wird für alle bisherigen Fehlschläge beim Angriff auf die Ukraine verantwortlich gemacht. Insofern sei es "lustig und gruselig", dass Schoigu jetzt gehen müsse, so die nationalistischen Kriegsbefürworter. Es sehe nach einer "Demütigung" von Schoigu aus, der regelmäßig mit Putin in der Wildnis urlaubte und bisher als nahezu unantastbar galt.

"Nur eine wirklich unersetzliche Person" in Russland

Der Chefkommentator der "Moskowski Komsomolez", einer der größten russischen Zeitungen, schrieb vieldeutig: "Das folgt einer Logik, deren Bedeutung im Großen und Ganzen auf den Gedanken hinausläuft: In der russischen Politik und der russischen Hierarchie gibt es nur eine wirklich unersetzliche Person. Dieser Mann ist Wladimir Putin selbst."

Wenig schmeichelhaft für Schoigu war der Kommentar von Kremlsprecher Peskow [externer Link]: "Putin hat beschlossen, dass das Verteidigungsministerium der Russischen Föderation von einem Zivilisten geleitet werden sollte; das Haus sollte offen für Innovationen und fortschrittliche Ideen sein." Offenbar ist das aus Putins Sicht bisher nicht der Fall.

Der Krieg wird lang - und teuer

Neuer Minister soll der Wirtschaftsfachmann Andrej Beloussow werden, angeblich, um den Rüstungshaushalt in Ordnung zu bringen und die grassierende Korruption in den Griff zu bekommen. Einer der Militärblogger scherzte schon, im Grunde gebe jetzt die Präsidentin der russischen Nationalbank, Elwira Nabiullina, den Ton an bei den Rüstungsausgaben, weil sich Beloussow an ihren geldpolitischen Analysen orientiere.

Das amerikanische Institute for the Study of War (ISW) spekulierte [externer Link], Putin wolle mit der Personalie dafür sorgen, dass Russland einen langen und teuren Krieg durchhalten könne. Kremlsprecher Peskow hatte darauf verwiesen, dass der Verteidigungsetat, der einst rund drei Prozent der Wirtschaftsleistung umfasste, demnächst wieder so hoch sein werde wie auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs Mitte der achtziger Jahre, nämlich etwa 7,5 Prozent des russischen Bruttoinlandsprodukts ausmachen werde. Bei solchen Summen, so das ISW wolle der Kreml einen wirtschaftlich versierten "Technokraten" mit dem Management beauftragen.

"Wir werden Butter und Kanonen haben"

Exil-Blogger und Kreml-Insider Abbas Galljamow erklärte, Beloussow sei ein bekannter Vertreter der totalen Mobilisierung. Putin hätte ihn demnach auch gleich zum Premierminister machen können, doch das sei dem Präsidenten wohl "zu radikal" vorgekommen. Als "Ausputzer" in Finanzfragen sei Beloussow gerade richtig. Der rechtsradikale Oligarch Konstantin Malofejew und seine Gefolgsleute sahen es ähnlich: "Die Verteidigungsindustrie wird jetzt zur absoluten Priorität der gesamten Staatspolitik. Und das ist richtig. Mit der richtigen Planung, die der neue Verteidigungsminister durchsetzt, werden wir sowohl Butter, als auch Kanonen haben." Bisher werde zu wenig produziert: "Aber die Front braucht das jetzt wirklich."

Blogger: "Sie denken über Kampfpause nach

Blogger Oleg Sarew (290.000 Fans) schrieb: "Ein effektiver Manager, der weiß, wie man Geld zählt, kommt ins Verteidigungsministerium. Das bedeutet mit Sicherheit, dass die militärische Komponente des Hauses künftig vom Generalstabschef [Gerassimow] verwaltet wird, der wahrscheinlich ebenfalls ausgetauscht wird."

Politologe Ilja Graschtschenkow spekuliert [externer Link], dass Putin Handlungsspielraum für außenpolitische Kompromisse schaffen will: "Personelle Neubesetzungen sind Versuche, keine Lösungen. Allein durch die Ankunft von Beloussow wird die russische Armee nicht stärker werden. Putin unternimmt mit Beginn seiner neuen Amtszeit ungewöhnliche Versuche, die Streitkräfte neu zu formatieren, mit einer kleinen Anzahl von Reservespielern und begrenzten Handlungsspielräumen innerhalb der Eliten. Wird das Spiel erfolgreich sein? Die Wetten werden wieder auf das große Ganze ausgerichtet, was da ist, ist ausgelaugt, müde und geschwächt. Tief im Inneren denken sie darüber nach, eine Kampfpause einzulegen. Ohne die 'Kriegspartei' wird es möglich sein, gelassener durchzuatmen."

Der russische Militärexperte und Nationalist Alexander Chodakowski meinte: "Das Wichtigste ist jetzt, nicht in Euphorie zu verfallen. Spannung, Zurückhaltung, Aufmerksamkeit – Arbeit. Wenn personelle Neuordnungen zu einem schnellen Ergebnis führen könnten, wäre das alles längst geschehen. Was war bisher das Schlimmste? Ein System der totalen Desinformation über alles und jedes aufzubauen. Das ist das Erste, wogegen wir kämpfen müssen, wenn es einen starken Willen dafür gibt."

Kremlnahe Agentur: Ministerium muss "aufgefrischt" werden

Die kremlnahe Nachrichtenagentur RIA Nowosti verwies darauf, dass Beloussow als Ökonom gelernt habe, große Etats zu steuern, auch mit "nicht standardmäßigen Methoden", das sei offenbar jetzt besonders gefragt. Das Verteidigungsministerium müsse "aufgefrischt" werden. Wie das gelingen kann, wenn Generalstabschef Gerassimow im Amt bleibt, wurde nicht ausgeführt. Deutlich wurde jedoch, dass der Kreml sein Augenwerk auf die Kriegskosten legt - und auf die hohen Verluste, die durch Schmiergelder in Millionenhöhe auf allen höheren Ebenen entstehen.

Der St. Petersburger Politikexperte Michail Winogradow kommentierte ironisch: "Es ist logisch, dass sich in der Regierung vorerst nichts radikal ändert, denn groß angelegte Veränderungen sind schon deshalb unwahrscheinlich, weil das die Regierung für sechs Monate oder ein Jahr lahmlegen würde. Es ist etwas überraschend, dass sie beschlossen haben, sich auf die Lähmung des Verteidigungsministeriums zu beschränken."

Kreml-Propagandist: "Hat sich viel angesammelt"

Der Kreml-Propagandist und Blogger Sergej Markow meinte: "Beloussows Aufgabe als neuer Verteidigungsminister ist es, Korruptionsfälle so weit wie möglich in den Griff zu bekommen. Und die Rolle persönlicher Beziehungen einzuschränken. Von beidem hat sich rund um das Verteidigungsministerium zu viel angesammelt. Das zeigten die Fälle [des wegen Korruption inhaftierten Ex-Vizeministers] Timur Iwanow und [des bei einem Flugzeugabsturz umgekommenen Ex-Söldnerführers und Rebellen] Prigoschin. Das ist nun ausgewetzt."

Die geplante Versetzung von Schoigu in den russischen Sicherheitsrat sei für diesen "keine Strafe". Dort könne der Mann sich von langjährigen Abhängigkeiten "befreien": "Das ermöglicht eine Säuberung." Weil es in der Rüstung mittlerweile Unsummen von Geldern gebe, habe die Korruption "jedes vernünftige Maß" überschritten. Der neue Minister Beloussow sei keineswegs ein "Liberaler", wie Nationalisten befürchteten, er wolle vielmehr die Wirtschaft dem Staat unterwerfen.

"Keine Sensation, sondern Katastrophe"

Kritischere russische Kommentatoren freilich höhnten, der Sicherheitsrat sei jetzt offenbar die neue Zufluchtsstätte für "abgeschossene Piloten". Politologin Tatjana Stanowaja schloss sich dieser ironischen Sichtweise an: "Der Sicherheitsrat wird zum Sammelbecken für Putins 'ehemalige' Schlüsselfiguren, die nicht entlassen werden können, für die es aber keine andere Verwendung gibt." Das zielt auch auf Ex-Präsident Dmitri Medwedew, der sich regelmäßig mit überaus scharfen Telegram-Posts im Gespräch hält, ansonsten jedoch wenig zu melden hat.

Russische Leser spotteten: "Natürlich wäre es logischer, Schoigu zum Botschafter im Vereinigten Königreich zu ernennen." Durch eine Neuordnung der Einzelposten werde die "Summe" nicht größer, war zu lesen. "Das ist keine Sensation, sondern eine Katastrophe", wurde geseufzt, oder auch, im Hinblick auf Beloussow: "Wir haben noch nie im Zeichen der Fische Geborene als Führungspersönlichkeiten gesehen. Im Horoskop steht eindeutig, dass sie entweder mit dem Strom oder gegen den Strom schwimmen. In diesem Fall sieht es nicht nach Letzterem aus."

Exil-Blogger: Gespannt, was mit Schoigu passieren wird

Der russische Exil-Blogger Anatoli Nesmijan sprach von einer russischen Variante von "Game of Thrones" und sagte eine Verschärfung der Auseinandersetzungen zwischen konkurrierenden Oligarchen voraus. Es gehe schlicht darum, dass große Korruption auf höchster Ebene gegen kleine Korruption in unteren Etagen vorgehe, um Pfründe zu sichern: "Damit soll verhindert werden, dass die Generäle weiter glauben, sie hätten das Sagen. [Der ungediente] Schoigu war zwar auch kein ganz echter General, aber er liebte Epauletten und andere Abzeichen wirklich. Ich bin übrigens gespannt, was jetzt mit ihm passieren wird. Jemand muss die Frage beantworten, warum die Veranstaltung 'Kiew in drei Tagen erobert' jetzt schon ins dritte Jahr geht."

Jeder militärische Konflikt, insbesondere wenn er bereits unübersehbar eine hohe Intensität angenommen habe, werfe das Problem auf, was mittelfristig aus den beteiligten Generälen werden solle: "Sie reißen sich schnell Ressourcen unter den Nagel und zeigen politische Ambitionen. Das ist ein Klassiker dieses Genres, es ist schwierig, da herauszukommen. Deshalb werden Generäle gern zur Verantwortung gezogen, je früher, desto weniger bedrohlich werden sie."

Zum Video: Putin ersetzt Verteidigungsminister

Mitten im Krieg gegen die Ukraine ersetzt der wiedergewählte russische Präsident Wladimir Putin seinen Verteidigungsminister überraschend durch einen Wirtschaftsexperten. Amtsinhaber Sergej Schoigu werde Sekretär des nationalen Sicherheitsrats und als Minister von dem Zivilisten Andrej Beloussow abgelöst.
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Verteidigungsminister Schoigu abgesetzt.

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