In den Abschiedsworten liegt jede Menge Frust: Es habe einen "Entfremdungsprozess" von der Partei gegeben, teilt der Vorstand der Grünen Jugend Bayern mit, über Monate und Jahre. "Massive Asylrechtsverschärfungen", "Klimaschutz ohne sozialen Ausgleich" – das werfen die Funktionäre ihren Spitzen in der Ampel vor.
Die Konsequenz: geschlossener Rücktritt als bayerischer Vorstand und Austritt aus der Partei. Denselben Schritt gingen die Chefs der Grünen Jugend im Bund sowie in NRW, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Hamburg und im Saarland. Acht Vorstände werfen ganz oder teilweise hin.
Noch-Vorstände vermissen "starke linke Kraft"
Im bayerischen Landtag steht aktuell Johannes Becher an der Spitze der Grünen-Fraktion. Er sieht es offenbar gelassen, dass viele Jugendvertreter gehen. Man müsse damit leben, in einer Partei nicht immer recht zu bekommen. "Gerade in jungen Jahren ist es doch ein Stück weit normal, sich nochmal neu zu orientieren", so Becher. Jetzt kämen andere junge Leute nach.
Warum der Riss nicht mehr zu kitten war? Darüber wollen die Noch-Spitzen der Grünen Jugend Bayern nicht sprechen, lehnen eine Interview-Anfrage ab. Auf Instagram heißt es: Es fehle eine "starke linke Kraft", die sich mit "den Reichen und Mächtigen" anlege. Und weiter: "Wir glauben, dass die Grünen nicht mehr diese Kraft werden."
Becher: "Die einen sagen links dazu, die anderen Mitte"
Die Münchner Grünen-Bundestagsabgeordnete Jamila Schäfer – selbst lange im Jugendverband aktiv – kann den Frust nachvollziehen: Ihre Partei habe in der Ampel mehr durchsetzen müssen, sagt sie, bei Klimaschutz, Menschenrechts- und Sozialpolitik. Für den Weg der Jungfunktionäre hat sie aber kein Verständnis: "Gerade wenn man sich dafür einsetzen möchte, dass wieder ein klareres Profil herrscht, muss man sich konstruktiv-kritisch innerhalb der Partei einbringen."
Stehen die Grünen noch offensiv für linke Politik? Fraktionschef Becher hält von solchen Kategorien wenig. Seine Partei wolle Lebensgrundlagen schützen und Arbeitsplätze der Zukunft entwickeln. "Bodenständig, pragmatisch, für und mit den Leuten", so Becher. Nicht nur mit dem Blick auf heute, sondern auch für die kommenden Generationen: "Die einen sagen links dazu, die anderen Mitte – auf jeden Fall ist es grün." Viele Jugendvorstände überzeugt das offenbar nicht.
Unzufriedene SPD-Mitglieder beklagen Schwenk bei der Migration
Auch in der SPD rumort es – das zeigt ein offener Brief [externer Link] von unzufriedenen Mitgliedern an ihre Führungsriege. Sie beklagen den Schwenk in der Migrationspolitik, die sich immer weiter von den Grundwerten der SPD entferne. Zu den Initiatoren des Briefs gehört auch der bayerische Juso-Chef Benedict Lang.
Er verstehe die Probleme der Bürgermeister vor Ort, sagt Lang. Grenzen zu schließen, bringe aber nichts. "Die Finanzierung der Infrastruktur ist in Deutschland, unabhängig davon, wie viele Geflüchtete zu uns kommen, problematisch", so der Juso-Chef. "Wir haben einen riesigen Investitionsstau. In Dresden ist letztens eine Brücke eingestürzt, und das liegt jetzt alles nicht daran, dass Menschen zu uns geflüchtet sind."
SPD – "der Inbegriff von links"?
Seine Fraktion unterstütze den Kurs der Bundesregierung, sagt Holger Grießhammer, der neue SPD-Fraktionschef im Landtag. Auch ihn zieht es in die politische Mitte – gerade beim Thema Migration wünschten sich viele Kommunalpolitiker "eine Straffung", sagt Grießhammer. "Die Kommunen sind überlastet. Das kann man nicht einfach ignorieren."
Wo also steht die SPD? Für Juso-Landeschef Lang ist sie "selbstverständlich" noch eine linke Partei. Die Sozialdemokraten setzten sich für hart arbeitende und weniger privilegierte Menschen ein, das sei "der Inbegriff von links".
Grießhammer will Verantwortung übernehmen
Grießhammer betont auf BR-Anfrage, seine Partei stehe "links der Mitte". Die SPD-Landtagsfraktion will er als neuer Chef stärker ins bürgerliche Lager rücken. Man werde aber nicht die CSU überholen: "Wir sind eine linke Kraft."
Die Frage sei: "Wie weit links steht man?" Wenn man in einer Kommune Verantwortung trage, müsse man das differenziert beleuchten. "Man kann sich keine rosarote Welt malen. Die Bürger erwarten, dass wir unseren Job machen", so Grießhammer. "Diesen Weg würde ich gerne einschlagen." Schließlich wolle man auch in Bayern mittelfristig Verantwortung übernehmen.
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