3,47 Euro für 1.000 Liter Trinkwasser: Die Abwassergebühr miteingerechnet, ist das Trinkwasser aus der Leitung für die Menschen in Bayern im Durchschnitt verhältnismäßig günstig. Deutschlandweit liegt der Schnitt bei 4,15 Euro. Ist da eine Erhöhung zwischen acht und 20 Cent durch einen "Wassercent", also einem Wasserentnahmeentgelt, nun viel oder wenig? Für Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) und die Staatsregierung ist es offensichtlich zu viel. Aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Lage ist die Einführung des Wassercent "vorerst auf unbestimmte Zeit verschoben", schreibt der Minister in einem Brief, der dem BR vorliegt, an mehrere bayerische Bürgermeister. Der Minister bestätigt im Gespräch mit dem BR, dass die zusätzliche Abgabe auf Trinkwasser bis zum Ende der Legislaturperiode nicht mehr komme.
Wassercent schon 2021 angekündigt
Dabei hatte Ministerpräsident Markus-Söder (CSU) in seiner Regierungserklärung zum Klimawandel am 21. Juli 2021 den Wassercent als Projekt seiner Regierung angekündigt. Der Wassercent sei ein Beitrag, um mit Wasser schonend und sparsam umzugehen, sagte Söder damals. Bei einem durchschnittlichen Verbrauch handle es sich um fünf Euro pro Person und Jahr.
Zehn Cent pro Kubikmeter in Baden-Württemberg
In 13 von 16 Bundesländern gibt es bereits so ein Wasserentnahmeentgelt. In Baden-Württemberg beträgt die Abgabe zehn Cent pro Kubikmeter Wasser. Den Wassercent müssen zum Beispiel private Haushalte bezahlen. Mit dem Geld werden in Baden-Württemberg unter anderem Hochwasserschutz und ökologische Maßnahmen an Flüssen bezahlt.
Grüne werfen Staatsregierung Untätigkeit vor
Dass der Wassercent entgegen der Ankündigung vorerst nicht kommt, kritisiert die Opposition im Landtag: Der umweltpolitische Sprecher der Grünen, Christian Hierneis, sagte dem BR: "Es ist dauernd irgendwas anderes wichtiger, es gibt immer irgendeine Ausrede und die Themen werden von der Staatsregierung einfach liegengelassen." Natürlich sei der Wassercent für die Menschen eine zusätzliche Belastung, zwischen zwei und fünf Euro pro Jahr. Aber man müsse die Ressource Wasser jetzt schützen, sonst entstünden später Milliardenkosten. Außerdem kauften viele Menschen Mineralwasser, "bei dem der Liter fast so viel kostet wie ein Kubikmeter, also 1.000 Liter Trinkwasser." Die Grünen schlagen eine Abgabe von acht Cent pro Kubikmeter Wasser vor.
Umweltminister verweist auf die nächste Legislaturperiode
Das Thema Wassercent beerdigen will Umweltminister Glauber aber nicht. Falls er nach der Landtagswahl im Oktober bei Koalitionsverhandlungen mit am Tisch sitze, werde er sich dafür einsetzen, dass der Wassercent in der nächsten Legislaturperiode Einzug hält, sagte Glauber dem BR. Er sei sich "ganz sicher", dass der Wassercent in der nächsten Legislaturperiode kommen werde. In der Vergangenheit ist aber wenig passiert: Wie Umweltminister Glauber im vergangenen August in einem Bericht an den Landtag schreibt, gebe es bislang ein erstes Fachkonzept für den Wassercent. Das müsse aber noch innerhalb der Staatsregierung diskutiert werden.
Gemeinden liefern Trinkwasser in Großstädte
Eine doppelte Absage sind die Aussagen von Umweltminister Thorsten Glauber an die Interessengemeinschaft wasserliefernder Kommunen in Bayern (IWK). Das sind 17 meist kleinere Gemeinden, aus denen große Mengen Wasser in weiter entfernte Ballungsräume per Fernleitung gepumpt werden. Darunter sind zum Beispiel Miesbach, der Markt Nordhalben (Lkr. Kronach) oder Niederschönenfeld (Lkr. Donau-Ries). Bei Niederschönenfeld mündet der Lech in die Donau. Ganz in der Nähe betreibt ein Zweckverband ein Wasserwerk, von wo aus große Mengen Trinkwasser ins trockene Franken gepumpt werden. Aufgrund der großen Trinkwasserschutzgebiete auf ihren Flächen sehen sich die Gemeinden in ihrer Entwicklung eingeschränkt und fordern deshalb einen finanziellen Ausgleich über den Wassercent.
Wasserliefernde Kommunen sollen kein Geld aus Wassercent bekommen
Doch jetzt ist nicht nur unklar, wann der Wassercent überhaupt eingeführt wird, sondern es scheint auch unwahrscheinlich, dass die wasserliefernden Kommunen etwas davon abbekommen. Umweltminister Glauber sagte dem BR: "Der Wassercent ist nicht dafür da, einzelnen Kommunen für Wasser Geld zu geben." Stattdessen solle mit den Einnahmen in die Wasserinfrastruktur in ganz Bayern investiert werden.
Einschränkungen bei Ausweisung von Wohngebieten
In der kleinen schwäbischen Gemeinde Niederschönenfeld ist man nach dieser Ankündigung enttäuscht: "Es ist wie David gegen Goliath, die Großen haben die Rechte und die Kleinen haben die Pflichten und das kann es eigentlich nicht sein!", sagt Martin Stegmair. Er ist nicht nur Gemeinderat in Niederschönenfeld, sondern sitzt auch – ohne eigenes Parteibuch – für die Freien Wähler im Kreistag. Laut Stegmair ist seine Gemeinde bei der Entwicklung von Wohngebieten eingeschränkt. Lägen die in dem erweiterten Trinkwasserschutzgebiet, gebe es für die Häuser Einschränkungen beim Einbau von grundwassergeführten Wärmepumpen für die Heizung. Schon die Erschließung dürfte teurer werden, meint Stegmair. Zum Beispiel, weil Baufirmen nur Geräte benutzen dürften, die sie mit Bio-Maschinenölen ausstatten. Höhere Kosten sollen durch den Wassercent ausgeglichen werden.
Kommunen beraten aktuelle Situation
Jetzt formiert sich Widerstand. In Wemding (Lkr. Donau-Ries) trafen sich die Bürgermeister und Vertreter der 17 Gemeinden, die der Interessengemeinschaft wasserliefernder Kommunen in Bayern angehören. Dabei erklärte Martin Pöhnlein, Sprecher der Interessengemeinschaft und Bürgermeister des Marktes Nordhalben (Lkr. Kronach), man wolle an der Forderung, Geld aus einem Wassercent zu bekommen, festhalten.
Jürgen Konsolke (CSU), Bürgermeister von Dürrwangen (Lkr. Ansbach) sagte dem BR, die Absage des Ministers sei "hochgradig enttäuschend, das ist bitter!". Man wolle mit dem Wasser keine Rendite erzielen, sondern einen finanziellen Ausgleich für die höheren Kosten. So müssten die Gemeinden in Wasserschutzgebieten alle fünf statt alle zehn Jahre die Abwasserkanäle mit einer Kamera auf Schäden untersuchen lassen. Unterm Strich doppelt so hohe Kosten, die seine kleine Gemeinde selbst schultern müsse, so Konsolke.
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