Seit den Anschlägen von Magdeburg und Aschaffenburg wird erneut darüber diskutiert, ob Deutschland genug tut, um psychisch belasteten Geflüchteten zu helfen. Mehr Geld für die psychische Betreuung von Geflüchteten und den Aufbau von psychosozialen Zentren in jedem Regierungsbezirk hatten die bayerischen Grünen bereits im vergangenen März zu den Haushaltsberatungen gefordert und diesen Wunsch nun erneuert. Sie halten weitere Hilfen und Integrationsmaßnahmen für dringend nötig.
Staatsregierung verweist auf Regelangebot
Die Bayerische Staatsregierung sieht das offenbar anders. CSU-Innenminister Joachim Herrmann verweist in seiner Antwort auf die gegenwärtige Versorgung nach dem bundesgesetzlichen Asylbewerberleistungsgesetz. Asylbewerberinnen und Asylbewerbern stehe dabei das allgemeine medizinische und daher auch psychiatrische und psychotherapeutische Versorgungsangebot zur Verfügung. Dabei übernehme Bayern unter bestimmten Voraussetzungen die Kosten für eine therapeutische Behandlung.
Keine weiteren Haushaltsmittel zur Verfügung
Darüber hinaus gebe es freiwillige Leistungen wie die psychosozialen Projekte I-Care 2.0 und Refugee Menal Care.net, die jährlich mit mehr als 350.000 Euro aus dem Haushalt gefördert werden, so Hermann. Psychosoziale Zentren gebe es derzeit in Nürnberg und Neu-Ulm.
Wegen der allgemein hohen Ausgaben im Asylbereich stünden derzeit keine zusätzlichen Haushaltsmittel zur Verfügung, so Herrmann weiter. Der Innenminister mutmaßt aber, dass die "dringend notwendige Reduzierung von Zugangszahlen an Asylsuchenden" zu einer intensiveren psychologischen Betreuung führen wird.
Grüne: Trotz Aschaffenburg kein Umdenken in Sicht
Kritik kommt von der Grünen Landtagsabgeordneten Gülseren Demirel. Es sei "schockierend, dass nach der Gewalttat in Aschaffenburg bei der Staatsregierung kein Umdenken einsetzt". Offenbar sehe die Regierung Psychosoziale Zentren nur als Ergänzung, so die Grüne. Da die Kostenübernahme bei psychischen Erkrankungen von Geflüchteten meist scheitere, könnten die Folgen verheerend sein. Nicht rechtzeitig erkannte Erkrankungen belasteten die Betroffenen und später auch die Gemeinschaft – und die Krankenkassen mit hohen Kosten.
Ein Drittel hat Traumastörung
Einer Metastudie zufolge haben rund 30 Prozent der Geflüchteten eine Traumafolgestörung, sagt die Psychotherapeutin Eva van Keuk, Vorständin des Psychosozialen Zentrums für Geflüchtete Düsseldorf (PSZ) dem Evangelischen Pressedienst (epd). Aber diese 30 Prozent bräuchten nicht alle eine Therapie. Ihrer Ansicht nach würde schon eine Verbesserung der Aufnahmebedingungen und der oft schlechten Unterkunftssituation die psychische Verwundbarkeit verringern – und damit auch den Therapiebedarf.
Wer in großen Flüchtlingscamps ohne Privatsphäre leben müsse und Zeuge von Abschiebungen wird, der könne schwerlich gut ankommen oder sich in Sicherheit wähnen, so die Psychotherapeutin. Und gegenläufig zu dem, was notwendig wäre, seien viele Sozialarbeitsstellen in den Unterkünften gestrichen worden.
Psychologe: Problem ist auch hausgemacht
Der Psychologe David Schiefer vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung hatte im Gespräch mit der epd kritisiert, dass das Asylbewerberleistungsgesetz die medizinische und damit auch die psychosoziale Versorgung auf ein Minimum beschränke. Eine psychotherapeutische Regelversorgung sei also praktisch kaum möglich. Er zitiert Experten, die darauf hinweisen, dass nur etwa drei Prozent der versorgungsbedürftigen Geflüchteten in Deutschland eine Versorgung erhalten. "Man kann also schon sagen, dass das Problem der psychischen Erkrankungen ein Stück weit hausgemacht ist", so Schiefer.
Weitere Hilfen für traumatisierte Flüchtlinge
Derzeit gibt es in Bayern neben den offiziellen Psychosozialen Zentren mehrere Hilfestellen, die von verschiedenen Geldgebern finanziert werden. So bietet etwa die Caritas in München Psychologische Beratung nur im Gebiet der Erzdiözese München und Freising an. Ein ähnliches Angebot der Caritas gibt es auch in Regensburg. Die Finanzierung ist allerdings laut Caritasverband sehr unsicher. So seien im vorläufigen Bundeshaushalt 2025 mehrere Titel gekürzt worden.
Auch das "Refugee Mental Care"-Netzwerk der Diakonie Bayern will Geflüchteten helfen, wenn sie unter psychischen Erkrankungen leiden. Psychologische Hilfe für Geflüchtete bietet auch das Beratungs- und Behandlungszentrum von Refugio München mit Außenstellen in Augsburg und Landshut. Im unterfränkischen Ankerzentrum in Geldersheim erhalten Flüchtlinge beim Projekt Soultalk psychosoziale Hilfe. Das Projekt, das 2017 von den Würzburger Erlöserschwestern ins Leben gerufen wurde, wurde 2022 mit dem Bayerischen Integrationspreis ausgezeichnet.
Mit Informationen von epd
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