Widerstandskämpfer Max Ulrich Graf von Drechsel und sein Neffe Ferdinand Graf von Drechsel
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Links: Widerstandskämpfer Max Ulrich Graf von Drechsel; rechts: Nachfahre Ferdinand Graf von Drechsel

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Bayern und Widerstand: Das Erbe von Max Graf von Drechsel

Der 20. Juli 1944 ist eng mit dem Namen Stauffenberg verbunden. Die vielen anderen Widerstandskämpfer sind eher unbekannt, obwohl auch sie mit ihrem Leben bezahlten. Beispiel: Max Graf von Drechsel aus Regenstauf. Seine Taten wirken bis heute nach.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus der Oberpfalz am .

Ferdinand Graf von Drechsel hält einen Brief in den Händen. Das Blatt ist vergilbt, die Schrift fast nicht mehr lesbar. Es geht um seinen Onkel Max Ulrich Graf von Drechsel. Der Brief enthält das Vollstreckungsurteil – dass von Drechsel wegen Hoch- und Landesverrats zum Tode verurteilt worden ist. "Ein lapidarer Satz. Mehr stand da nicht drinnen", so der Neffe des Widerstandskämpfers aus dem Landkreis Regensburg.

Vom Soldaten zum Widerstandskämpfer

Max Ulrich Graf von Drechsel gehörte dem militärischen Widerstand an. Als gläubiger Katholik war ihm Hitler und das nationalsozialistische Regime zuwider. Aus dem Justizwesen schied der studierte Jurist von Drechsel freiwillig aus, weil er den wachsenden politischen Einfluss nicht akzeptieren wolle. Stattdessen wurde er 1934 Soldat in der Reichswehr. Im zweiten Weltkrieg war er erst in Frankreich und später in Afrika eingesetzt, wo er 1941 auch verwundet wurde.

Während eines Lazarettaufenthalts lernte er Claus Schenk Graf von Stauffenberg kennen, den späteren Hitler-Attentäter. Der junge Mann entschloss sich beim Umsturzversuch des militärischen Widerstands mitzumachen. In München sollte er als Verbindungsoffizier für den Wehrbereich VII fungieren. Die Umsturzpläne der "Operation Walküre" sahen vor, dass von Drechsel unter anderem die Übernahme der Rundfunkanstalten, die Festsetzung von SA und SS organisiert.

Attentat gescheitert und trotzdem standhaft

Am 20. Juli 1944 wagte eine Gruppe um Claus Schenk Graf von Stauffenberg das Attentat auf Adolf Hitler. Doch die Bombe, die Stauffenberg bei einer Besprechung in der Wolfsschanze deponiert hatte, tötete den Führer nicht. Das Attentat schlug fehl, Hitler überlebte und rächte sich. In einem Schauprozess vor dem Volksgerichtshof wurden die Widerstandskämpfer abgeurteilt und zum Tode verurteilt. Kurz vor seiner Hinrichtung am 4. September 1944 schreibt Max von Drechsel aus seiner Zelle in Berlin-Plötzensee einen Abschiedsbrief an Eltern und Geschwister.

"Haltet treu und fest zusammen, was auch die Stürze der Zeiten bringen mögen." Max Ulrich Graf von Drechsel kurz vor seiner Hinrichtung

Für seinen Neffen Ferdinand sind die Zeilen bewundernswert, die sein Onkel im Angesicht des Todes geschrieben hat. Die letzten Briefe werden daher ebenso sorgsam aufbewahrt wie Fotos. Die Bilder im Familienalbum zeigen durchweg einen lebensfrohen Menschen. Auch auf dem letzten Porträtfoto, das kurz vor seinem Tod aufgenommen wurde, blickt der Widerstandskämpfer ruhig in die Kamera.

Erinnerungskultur: Ein Erbe über Generationen

Vor dem Schloss Karlstein im Markt Regenstauf im Kreis Regensburg - dem Stammsitz der Familie von Drechsel - wurde ein Denkmal errichtet. Kein Abbild des Familienangehörigen, sondern mehrere aufeinanderliegende, schwere Steinquader. Ein Quader ist verdreht; als Symbol für den Widerstand, der das Fundament des Regimes zum Einsturz bringt. Darauf der Name: Max Ulrich Graf von Drechsel.

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Ferdinand Graf von Drechsel

Auch abseits des Schlosses arbeitet Ferdinand von Drechsel daran, dass die Erinnerung an die Taten seines Onkels und die des deutschen Widerstands nicht vergessen werden. Denn jeder einzelne habe einen Ortsbezug, so Ferdinand von Drechsel. "Und so kann in einem kleinen Bereich hier in der Region mein Onkel zufälligerweise als Vorbild dienen."

Seit 2006 ist auch die Realschule in Regenstauf im Landkreis Regensburg nach Max Ulrich von Drechsel benannt. Jeder Schüler weiß, dass der Namensgeber ein Widerstandskämpfer war. Doch der Name ist nicht nur schmuckes Beiwerk, sondern Programm. Mit Projekten wie "Sei ein Max" oder zum Thema Zivilcourage sollen die Schüler ermutigt werden, sich gegen Ungerechtigkeiten einzusetzen. Unter anderem haben sie ein Video produziert, in dem sie ihren Mitschülern schrittweise erklären, wie man in kritischen Situationen vorgehen sollte.

80. Jahrestag: Sozialkompetenz wichtiger denn je

Einen Tag vor dem 80. Jahrestags des Hitlerattentats am 20. Juli besucht Ferdinand von Drechsel die Realschule. Zum zehnten Mal verleiht der Nachfahre einen Preis an einen Abschlussschüler oder -schülerin, der oder die wegen seines oder ihres sozialen Engagements ausgezeichnet wurde – nicht wegen guter Noten. "Mein Onkel war auch kein Musterschüler. Aber er hat sich in jungen Jahren für etwas eingesetzt und dafür mit seinem Leben bezahlt", so Ferdinand von Drechsel. Und Sozialkompetenz hält der Nachfahre des Widerstandskämpfers derzeit für notwendiger denn je.

Falscher Umgang mit dem Begriff Widerstand

Mit Sorge beobachtet er die politischen Entwicklungen auf der Welt und im eigenen Land. Und auch, dass Widerstandskämpfer wie Stauffenberg politisch genutzt oder umgedeutet werden – sei es von rechten oder linken Extremisten. Ferdinand von Drechsel hat daher ein Manifest der Stiftung 20. Juli unterzeichnet. Darin heißt es: "Opposition gegen die gewählte Regierung und gegen Mehrheitsentscheidungen innerhalb der rechtsstaatlichen Demokratie kann und darf nicht mit Widerstand gegen eine totalitäre Diktatur gleichgesetzt oder verwechselt werden."

Vielmehr werde die Leistung der Widerstandskämpfer dadurch lebendig, wenn mehr Menschen Verantwortung übernehmen – in Stadt und Gesellschaft. Oder wie es Max von Drechsel in seinem letzten Brief formuliert: "Haltet treu und fest zusammen, was auch die Stürze der Zeiten bringen mögen."

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