Am 20. Juli 1944, kurz vor ein Uhr mittags, detoniert in einer Baracke des sogenannten Führerhauptquartiers Wolfschanze in Ostpreußen eine Bombe – mitten in der Lagebesprechung der Wehrmachtsführung, an der auch Adolf Hitler teilnimmt.
Der Attentäter, Claus Schenk Graf von Stauffenberg, hatte den Sprengsatz versteckt in seiner Aktentasche zur Besprechung geschmuggelt. Nachdem er den Zeitzünder aktiviert hatte, schob er die Tasche unter den Tisch im Besprechungszimmer und verabschiedete sich dann unter einem Vorwand. Durch die Explosion sterben vier Menschen, viele werden verletzt – doch das eigentliche Ziel des Anschlags, Adolf Hitler, überlebt leicht verletzt.
- Aus dem Archiv: Das Hitler-Attentat - Wie es ablief, wie es scheiterte
Operation "Walküre" ist gescheitert
Das Attentat ist gescheitert, der geplante Aufstand – die sogenannte Operation "Walküre" – wird abgeblasen. Noch in der Nacht werden zahlreiche Verschwörer, unter ihnen auch Claus Schenk Graf von Stauffenberg, standrechtlich erschossen. Einige begehen Suizid.
In den folgenden Monaten werden rund 200 Beteiligte an den Umsturzplänen vor Gericht gestellt und hingerichtet – vor allem Angehörige der gesellschaftlichen und militärischen Elite des Deutschen Reiches: Adelige, Diplomaten, Staatssekretäre, hochrangige Polizisten und Offiziere.
Ein Sprengsatz getarnt als Cognac-Flasche
Aus dem Kreis der Verschwörer rund um Graf Stauffenberg hat es schon vor dem 20. Juli 1944 Versuche gegeben, Hitler per Anschlag zu töten. Der Generalstabsoffizier Henning von Tresckow und sein Adjutant Fabian von Schlabrendorff schmuggeln im März 1943 einen als Cognac-Flasche getarnten Sprengsatz in ein Flugzeug, mit dem Hitler von der Ostfront nach Ostpreußen fliegen will. Schlabrendorff hat zuvor den Zeitzünder scharf gemacht, indem er eine Ampulle mit ätzender Flüssigkeit zerdrückt. Doch im Frachtraum der Maschine ist es so kalt, dass die Flüssigkeit gefriert und die Bombe nicht explodiert.
Etwas mehr als ein Jahr später gehören Schlabrendorff und Tresckow zu den engsten Verschwörern rund um Graf Stauffenberg. Diesmal lautet der Plan, Hitler bei einer Lagebesprechung der militärischen Führung zu töten – mit einem in einer Aktentasche versteckten Sprengsatz. Im Frühsommer 1944 gibt es nur noch wenige Personen, die nah genug an Hitler herankommen, um ein Attentat zu verüben. Stauffenberg gehört dazu. Anfang Juli 1944 wird er zum Oberst im Generalstab befördert und nimmt in dieser Eigenschaft an den Lagebesprechungen in den Führerhauptquartieren teil.
Der Obersalzberg – Hitlers zweite Machtzentrale
Hitler residiert zu diesem Zeitpunkt in seinem Berghof auf dem Obersalzberg nahe Berchtesgaden, der zweiten Machtzentrale neben Berlin. Vor dem Krieg hat der selbsternannte Führer hier Staatsgäste wie den britischen Premierminister Chamberlain empfangen, um sie mit dem malerischen Blick in die Berchtesgadener Alpen zu beeindrucken. Jetzt, in der Spätphase des Zweiten Weltkriegs, da die deutschen Truppen an allen Fronten auf dem Rückzug sind und auch die Lufthoheit über dem Deutschen Reich verloren haben, ist der Obersalzberg meist in künstlichen Nebel gehüllt. So sollen alliierte Bomber daran gehindert werden, Hitlers Berghof ins Visier zu nehmen.
Anfang Juli 1944, kurz nach seiner Ernennung zum Oberst im Generalstab, reist Stauffenberg zum ersten Mal in dieser Eigenschaft nach Berchtesgaden. Wie einer der Attentäter später im Verhör bei der Gestapo aussagt, hat Stauffenberg da bereits die Bombe dabei, versteckt in einer Aktentasche. Die Verschwörer treffen sich in der Wohnung des Generalquartiermeisters Eduard Wagner im Luxushotel "Berchtesgadener Hof", um den Anschlag zu planen. Dabei zeigt Stauffenberg den anderen den Sprengsatz. Doch zum Einsatz kommt die Bombe in Berchtesgaden nicht.
Nicht nur Hitler im Visier
Zweimal ist es fast so weit: Am 6. und am 11. Juli nimmt Stauffenberg an einer Lagebesprechung mit Hitler teil, doch die Verschwörer verwerfen kurzfristig den Plan, die Bombe dort zu zünden. Denn sie wollen nicht nur Hitler ausschalten, sondern mit ihm gleich noch andere Nazi-Größen. Doch der Reichsführer-SS Heinrich Himmler und der Reichsmarschall Hermann Göring sagen ihre Teilnahme an den Lagebesprechungen kurzfristig ab. Also zündet Stauffenberg die Bombe nicht in Berchtesgaden, sondern erst wenige Tage später in Ostpreußen, im sogenannten Führerhauptquartier Wolfschanze.
Dass Hitler den Anschlag dort überlebt, liegt auch daran, dass die Bombe in einer Baracke mit dünnen Wänden detoniert, die der Druckwelle der Explosion nachgeben und so die Wucht des Sprengsatzes erheblich mindern. Bei einer Lagebesprechung in Hitlers solidem Berghof auf dem Obersalzberg wäre das vielleicht nicht passiert.
Der Autor des Textes hat einen vierteiligen Podcast über eine mögliche Verwicklung seiner Großeltern in das Stauffenberg-Attentat produziert. Seine Oma und sein Opa, ein Generalstabsoffizier, waren Anfang Juli 1944 in Berchtesgaden und trafen dort auf Stauffenberg und weitere Attentäter. Die Oma des Autors hat zeitlebens behauptet, dass sie die Aktentasche besorgt hat, in der Stauffenberg die Bombe versteckt hatte.
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