"Es geht um Bayern", lautet das Motto des FDP-Landesparteitags in Amberg – aber zumindest an diesem Sonntag stimmt das so nicht. Denn vor allem geht es um die Fragen, die Liberale in ganz Deutschland seit rund einem Jahr umtreiben: Wie kommt die gemeinsame Bundesregierung mit SPD und Grünen bei der FDP-Wählerschaft an? Und kann man eigene Inhalte in Berlin durchsetzen, obwohl es außerhalb der Gesellschaftspolitik jede Menge Widersprüche zu rot-grünen Positionen gibt?
FDP-Generalsekretär Köhler: "Klare liberale Handschrift"
Die Deutungsrichtung gibt Lukas Köhler vor. In Bayern ist er FDP-Generalsekretär, im Bundestag stellvertretender Fraktionschef der Liberalen. Köhler wirbt, wenig überraschend, für einen positiven Blick auf die eigene Ampel-Beteiligung. Nach den Koalitionsverhandlungen vor einem Jahr sei man von Freude und Stolz erfüllt gewesen, habe sich bei vielen Themen durchgesetzt. Der 36-Jährige sieht im Bund eine "klare liberale Handschrift": mehr Freihandel, deutlich weniger Corona-Einschränkungen, Atomkraftwerke über den Winter am Netz, Gas- und Strompreisbremse im Sinne der Industrie.
Zur Sicherheit ruft er der eigenen Partei eine demokratische Selbstverständlichkeit in Erinnerung: Die Ampel könne nicht 100 Prozent Politik im Sinne der FDP machen. "Dafür bräuchten wir 51 Prozent der Stimmen." Köhlers These, etwas verdichtet: Nicht die Inhalte sind das Problem der FDP, sondern die eigene Kommunikation. Die Menschen wollten nicht hören, dass man mit der Ampel-Beteiligung fremdele, sagt der bayerische FDP-Generalsekretär unter kräftigem Applaus. Stattdessen lautet sein Appell für den Landtagswahlkampf: "Punkte in den Vordergrund stellen, die wir erreicht haben".
Parteitag zwischen Optimismus und Zweifeln
Die Wortmeldungen in der traditionellen Aussprache sind teilweise ähnlich. "Keiner wählt uns, weil wir Dinge verhindert haben", betont ein Redner. "Sondern für konkrete politische Inhalte." Der neue Chef der jungen Liberalen in Bayern, Felix Meyer, verweist auf die Aufhebung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche und die anstehende Cannabis-Legalisierung. Ein anderer Delegierter dankt gar für die "fantastische Arbeit in der Bundesregierung", nennt als Beispiele die Aktienrente und das elternunabhängige Bafög für Studierende.
Aber es gibt auch Zweifel und Kritik: Man werde als "Dagegen-Partei" wahrgenommen, ist zu hören. An den Stammtischen herrsche weiter Skepsis über die Ampel-Beteiligung der FDP, berichtet ein Redner. Ein anderer betont, dass die Umfragen nicht dafür sprechen, dass der mit 89 Prozent gewählte FDP-Spitzenkandidat Martin Hagen nach der Landtagswahl bayerischer Wirtschaftsminister werden könnte. Zur Erinnerung: Im jüngsten BR-BayernTrend lagen die Liberalen bei drei Prozent, damit wäre man raus aus dem Parlament. Auf dem Parteitag wird auch auf andere Umfragen verwiesen, in denen man knapp über der Fünf-Prozent-Hürde war.
Susanne Seehofer wirbt für Optimismus: "Lasst uns mutig sein"
Unterm Strich ist das Team Zuversicht in der Mehrheit – und in der männlich dominierten FDP vor allem weiblich. Susanne Seehofer, Stimmkreiskandidatin in München-Mitte und Tochter des Ex-CSU-Chefs, fordert: "Lasst uns alle mutig sein, gerade wenn's mal Gegenwind gibt." Das Motto "Leben und leben lassen" dürfe man sich "nicht von der CSU klauen lassen in deren Sonntagsreden". Auch in der Umweltpolitik brauche es die FDP, sagt Seehofer, "weil das Klima nicht mit Klebstoff und Verboten gerettet wird".
Das Land brauche jetzt Optimismus – das sagt auch Jennifer Kaiser-Steiner, Chefin des Münchner FDP-Stadtverbands. Sie habe keine Lust mehr auf Pessimismus und Populismus, vorgetragen von Grünen und CSU. Wer hinter jeder Flugreise oder jedem Flüchtling die Apokalypse beschreien müsse, um Wähler zu gewinnen, mache definitiv etwas falsch. Kaiser-Steiner sagt: Zwar wisse sie um die Herausforderungen angesichts der aktuellen Krisen, aber: "Optimismus ist inzwischen das Alleinstellungsmerkmal der FDP."
Zu viel soll es im Landtagswahlkampf ohnehin nicht um die Ampel gehen, das hat Spitzenkandidat Hagen schon in seiner Bewerbungsrede klargemacht. Nicht zuletzt mit neuen Untersuchungsausschüssen im Landtag, zur zweiten Stammstrecke in München und dem Nürnberger "Zukunftsmuseum", will man bayerische Themen setzen – und die Staatsregierung in Erklärungsnot bringen. Die Corona-Politik dürfte dagegen eine geringere Rolle spielen. Auch wenn sich der FDP-Parteitag mit großer Mehrheit dafür ausspricht, die Maskenpflicht im ÖPNV und für die Bewohner von Pflegeheimen abzuschaffen. Das offizielle Wahlprogramm kommt dann im Frühjahr.
Attacken auf CSU: "Ansammlung von Jammerlappen"
Extrem ambivalent ist das Verhältnis der FDP zur CSU. Allen Delegierten ist klar, dass die herbeigesehnte Regierungsbeteiligung im Freistaat wohl nur in einem Bündnis mit den Christsozialen möglich sein wird. Und nicht wenige Teilnehmer des Parteitags sehen die Union trotz Ampel-Pragmatismus weiter als naheliegenderen Partner. Gleichzeitig arbeiten sich die Liberalen herzhaft an der CSU ab. "Es gab nie eine größere Ansammlung von Jammerlappen als jetzt bei der CSU", ruft Juli-Chef Meyer. Generalsekretär Köhler sagt: Die CSU verbreite beim Thema Bürgergeld "Fake News".
Aber auch Köhler räumt ein, dass nicht alle Beschlüsse der Bundesregierung der FDP wirklich schmecken. Beispiel 200-Milliarden-"Doppelwumms": Natürlich mache man das nicht gerne, sondern weil es nötig sei. Und natürlich seien das Schulden.
Der 82. ordentliche Landesparteitag der bayerischen FDP endet irgendwo zwischen leichtem Unbehagen und viel Zuversicht. "Die Stimmung ist besser als die Umfragen", sagt ein führender FDP-Vertreter. Und Parteichef und Spitzenkandidat Hagen sagt zum Abschluss: Er freue sich sehr darauf, "Bayern zu rocken".
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