Der westeuropäische Igel kommt unter anderem in Deutschland und Österreich, den Benelux-Ländern, Skandinavien und Großbritannien vor. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre ist seine Anzahl nach Schätzungen je nach Land um 16 bis 33 Prozent zurückgegangen. In Flandern (Belgien) und in Bayern betrug der Rückgang sogar 50 Prozent. Jetzt ist der Igel erstmals auf der Liste der bedrohten Arten der Weltnaturschutzunion (IUCN) gelandet.
Igelhelfer beobachten Rückgang seit längerem
Für Sibille Zillinger ist diese Einstufung schon längst überfällig. Zusammen mit ihrem Mann Josef pflegt sie in ihrer Igelstation in Otzing im Landkreis Deggendorf pro Jahr rund 600 Tiere. "Wir werden es nicht mehr aufhalten können, dass der Igel ausstirbt, wenn sich nichts ändert. Ihm fehlt der Lebensraum."
Der Igel ist ein Kulturfolger und lebt in unseren Gärten; er ist auf diese Rückzugsorte angewiesen. Doch die Gärten sind oft zu tierfeindlich: Spritzmittel, Rattengift und Mähroboter machen ihm das Leben schwer. Die Sensibilität der Menschen für die Natur, in der wir leben, fehlt aus Sicht von Sibille Zillinger nahezu vollständig: "Im Internet gibt es so viele Fehlinformationen darüber, wie man mit Igeln umgeht. Kaum jemand weiß über das Wildtier des Jahres in unserer Nähe Bescheid."
Das Igelweibchen, das Sibille Zillinger vorsichtig aus seiner Box holt, macht einen erbärmlichen Eindruck: "Das sieht man eigentlich auf den ersten Blick, dass der sogenannte Hungerknick da ist. Das ist einfach fehlendes Fettgewebe. Das ist ein Zeichen, dass der Igel schon lange unterversorgt ist oder halt krank. Dann die fehlende kugelige Form, eingefallene Flanken, anliegendes Stachelkleid. Der stellt eigentlich die Stacheln gar nicht richtig auf."
Ausstattung wie in der Klinik
Die erste Etage ihres Hauses haben Sibille und Josef Zillinger in eine Art Klinik umgewandelt. Zwei Räume gibt es: eine Quarantäne-Station und ein großes Zimmer für die Patienten. Sibille und Josef Zillinger legen Wert auf eine professionelle Versorgung der Tiere. Damit haben sie einige Erfahrung: Sibille Zillinger arbeitet als Krankenschwester, ihr Mann ist gelernter Intensivpfleger. Die Igelstation betreiben die beiden ehrenamtlich.
Gefahr durch Gartengeräte
Gemeinsam, wenn nötig auch mithilfe eines Tierarztes, können sie oft selbst schwerkranken Tieren helfen. Nicht nur bei Unterversorgung oder Infektionen, sondern auch bei Schnittverletzungen, die leider sehr häufig vorkommen. Die entstehen meist bei der Gartenarbeit, sagt Sibille Zillinger: "Das größte Problem sind diese Freischneider, wenn die Leute einfach so unter den Büschen mit diesen Tellersensen und Freischneidern bodennah reinschneiden."
Warme Winter – Nahrungsmangel
Damit nicht genug: Auch die Klimaveränderung setzt den Tieren zu. In den immer wärmer werdenden Wintern wachen sie aus ihrem Winterschlaf auf, verbrauchen dabei Energie und finden dann nicht genügend Futter.
Die Nacktschnecke steht eigentlich ganz hinten auf dem Nahrungsplan des Igels. Aber wenn er nichts anders findet, dann frisst er halt die. Und die Nacktschnecken sind die Überträger der Innenparasiten. "Wenn der ab und zu mal eine Schnecke frisst und er ein gesunder Igel ist, dann kann sein Immunsystem das super regeln", sagt sie. "Wenn er sich aber hauptsächlich von Nacktschnecken ernährt, hat er natürlich einen extrem hohen Parasiten-Druck. Und irgendwann schafft es das Immunsystem nicht mehr, das zu regeln. Und dann wird er immer dünner, immer schwächer und immer kränker und dann fällt das auf."
Aufgeräumte Gärten mit wenig Nahrung
Ordentliche, aufgeräumte Gärten bieten Tieren oft wenig Nahrung. In Städten gibt es zwar Gärten, aber selten genug und oft nicht die Richtigen. Besonders Insekten wie Laufkäfer, eine wichtige Proteinquelle für Igel, fehlen in gepflegten Gärten ohne Laub, Totholz oder Kompost. Laub darf daher ruhig liegen bleiben. "Wir leben im Revier der Igel und sollten achtsamer mit der Natur umgehen", mahnt Sibille Zillinger. "Sterile Gärten und Pestizide zerstören das Ökosystem und nehmen dem Igel seine Nahrung."
Zum Nachhören: Borna-Virus bei Igeln in Eggenfelden und Ebersberg festgestellt
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