Der Transporter mit Einschusslöchern
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Transporter mit Einschusslöchern von einer erneuten Hilfsfahrt in die Ukraine

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Beschossener Hilfstransporter aus Weißenburg will wieder starten

In der Ukraine ist ihr Hilfstransport unter Beschuss geraten, die beiden Fahrer wurden verletzt, ein ukrainischer Soldat getötet. Der Weißenburger Verein bereitet trotz der Gefahr weitere Fahrten vor. Die ukrainischen Fahrer wollen unbedingt helfen.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Die vielen Einschlaglöcher in der Karosserie des Transporters sind nur notdürftig überklebt. Eine Reparatur lohnt sich im Moment noch nicht, sagen sie beim Verein "Hilfe für die Ukraine" in Weißenburg. Denn die nächste Fahrt ins Kriegsgebiet steht an. Nur ein Sensor am Getriebe muss noch ausgetauscht werden, damit der Wagen wieder zuverlässig läuft. Dass sie wieder einen Hilfstransport von Weißenburg in die Ukraine losschicken werden, ist für die Ehrenamtlichen keine Frage – trotz der gefährlichen Situationen, in die die Fahrer dabei geraten könnten. So wie vor zwei Wochen, als der Transporter von vielen Geschossen getroffen wurde. Die Fahrer hatten Pakete für die Soldaten an der Front dabei. Ein Soldat starb im Kugelhagel, die beiden Fahrer wurden verletzt, einer davon schwer.

Zwei Stunden im Kugelhagel

Die Schilderungen sind dramatisch. Der Hilfstransport sei bei Bachmut ins Kampfgeschehen geraten, erzählt Olena Tyshko, die Frau einer der beiden Fahrer. Zwei Stunden habe die lebensgefährliche Situation angedauert. Sie seien hinter dem Wagen in Deckung gegangen. Der Kugelhagel habe Erde nach oben geschleudert, zwei Scheiben zerschossen. Beide Fahrer seien von Projektilen getroffen worden, berichtet die Frau weiter. Bei einem der Männer wurde die Arterie am Bein verletzt, die starke Blutung hätten sie mit einem Gürtel zu stoppen versucht. Es sind Szenen aus dem Krieg. Die Bestürzung ist noch zu spüren, wenn Olena Tyshko erzählt.

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"Hilfe für die Ukraine Weißenburg": Von links: Sviatoslav Drozdiuk, Melitta Heuberger, Olena Tyshko mit Automechaniker vor dem Hilfstransporter.

Familienväter wollen helfen

Drei Fahrer aus Weißenburg fahren regelmäßig in die Ukraine. Etwa einmal im Monat beladen sie den extra zu diesem Zweck angeschafften Transporter und steuern mehrere Ziele an. Sie unterstützen Bekannte und deren Angehörige, ein Krankenhaus, ein Kinderheim. Und eben auch Soldaten an der Front. Wer drei oder mehr Kinder hat, muss keinen Militärdienst leisten. Doch auch die Familienväter in Weißenburg wollen ihren Beitrag leisten. Sie sehen es als ihre Pflicht, ihre Landsleute im Krieg zu unterstützen, sagt Olena Tyshko. Das Risiko nehmen sie dabei in Kauf, sagt sie. "Natürlich habe ich Angst", sagt Tyshko. "Jedes Mal, wenn ich meinen Mann verabschiede, rechne ich damit, dass es das letzte Mal gewesen sein könnte."

Schlafsäcke und Matratzen für die Front

Auch jetzt sollte der Transporter aus Weißenburg schon wieder aufbrechen. Am Vormittag sollten 130 Pakete eingepackt werden. Lebensmittel, Medikamente sowie Schlafsäcke und Matratzen für die Front. Sie sind für acht Stationen vorbereitet, ein Kinderheim, ein Krankenhaus, eine Kirche. Es ist aber auch Privatpost für Soldaten im Kriegsgebiet dabei. Doch so einfach scheint es nicht zu werden. Die Reparatur am Sensor war nicht erfolgreich. Es muss noch ein Ersatzteil beschafft werden. Den großen Teil der Schäden am Auto hatte Sviatoslav Drozdiuk bereits vor Ort reparieren lassen. Ein Metallsplitter hatte das Getriebe beschädigt. Doch noch immer läuft der Wagen nicht ganz rund.

Brenzlige Situation in der Nähe von Bachmut

Der weiße Transportbus aus Weißenburg ist mit Schildern hinter der Windschutzscheibe als Hilfstransport gekennzeichnet. Bei dem Vorfall vor zwei Wochen haben diese allerdings keine Rolle gespielt. Anfangs war vom Angriff eines Scharfschützen die Rede gewesen. Olena Tyshko erklärt, es sei eine sogenannte Kassettenbombe oder Streubombe explodiert. Eine Bombe, die viele kleine Munitionsteile enthält, die unter Umständen zeitversetzt zünden. Die Projektile haben die Türen des Transporters durchschlagen, sogar die Papiere, die oberhalb der Windschutzscheibe in einem Fach gelagert waren, wurden zerfetzt. Auch ihr Mann wurde getroffen, es gehe ihm inzwischen allerdings besser. Sein Kollege befindet sich noch immer im Krankenhaus in der Ukraine. Er habe viel Blut verloren, auch weise die Hand Knochenbrüche und eine Nervenverletzung auf.

Keine Sicherheit im Kriegsgebiet

"Im Land ist Krieg und im Krieg ist man nirgendwo sicher“, betont auch Svitlana Chystyakova, die Leiterin des Nürnberg Hauses in Charkiw. Es sei dabei egal, ob man Hilfstransport, Zivilist, Mediziner oder Militär sei. Laut ihren Informationen hat es in Charkiw, Nürnbergs Partnerstadt im Nordosten der Ukraine und an der Grenze zu Russland gelegen, keinen solchen Angriff auf einen Hilfstransport gegeben.

Zu Beginn des Krieges hätten die Hilfstransporte die Ukrainer gerettet. "Für viele Menschen wäre es unmöglich gewesen, zu überleben, wenn es diese Transporte nicht gegeben hätte“, so Chystyakova. Hygieneartikel, Medikamente, Essen oder Windeln, all das habe es einfach nicht gegeben. "Jetzt ist es in den Regionen, wo der Krieg weiter weggerückt ist, einfacher geworden. Aber an der Front ist es wichtig, weil die Menschen damit die Möglichkeit haben, am Leben zu bleiben, nur weil sie diese Hilfe bekommen.“ Natürlich bekämen sie auch Hilfe vom Staat, aber die sei nicht ausreichend, so die Ukrainerin. Sie bedankt sich bei den Deutschen, die helfen, denn: "Das brauchen wir dringend und werden wir anscheinend noch weiter brauchen."

Spenden für die Weißenburger "Hilfe für die Ukraine"

Der Weißenburger Verein "Hilfe für die Ukraine" ruft unterdessen weiter zu Spenden auf. Die medizinische Versorgung muss bezahlt werden, auch die Reparatur des Wagens. Außerdem überlegt der Verein, schusssichere Westen für die Fahrer zu besorgen. Denn die Hilfstransporte sollen auf jeden Fall weiter gehen.

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